Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

Bild:
<< vorherige Seite

Verzinnen des Eisens.
zu Schwabbach in Bayern, in Wiener-Neustadt, in Mannheim und
Durlach, in Minden und Potsdam. In England besonders in Warwick-
shire; in Frankreich zu Troyes, Francheville, Bourg u. s. w.

Das Verzinnen des Eisens gilt als eine deutsche Erfindung,
doch haben wir nachgewiesen, dass es schon Theophrast 1) bekannt
war. Angeblich soll es zuerst in Böhmen eingeführt worden sein. In
dem englischen Einfuhrverbot von 1483 werden bereits verzinnte Nägel
aus Deutschland genannt. Agricola giebt schon 1546 eine genaue Be-
schreibung des Verzinnens von Eisenwaren 2): "Die Eisenschmiede
tauchen in ein Bad von geschmolzenem Zinn, zu dem sie Talg zusetzen,
die Eisenwaren, nachdem diese zuvor mit Essig, in dem Salmiak auf-
gelöst war, gebeizt worden sind. Diese verzinnten Kochgeschirre rosten
nicht, indem durch das Metall, in das sie getaucht worden sind, die
Kraft des Rostes überwunden wird."

Agricola spricht von dieser Arbeit als von einer so bekannten
Sache, dass die Angabe, wonach das Verzinnen erst 1620 durch einen
lutherischen Geistlichen nach Sachsen gebracht worden wäre, wenig
glaublich erscheint wenn nicht die Darstellung von Weissblech im
modernen Sinne gemeint ist, nämlich die Verzinnung von Schwarz-
blechtafeln durch Eintauchen in ein Zinnbad und nachheriger Ver-
arbeitung, statt des älteren Verzinnens fertig geschmiedeter Geschirre.
Aus dem Jahre 1660 ist eine kursächsische Verordnung wegen dem
Weissblech erhalten. In England wurde erst im Jahre 1670 der erste
Versuch zur Weissblechfabrikation von einer Gesellschaft, die den
Andrew Yarranta zu seiner Instruktion nach Deutschland geschickt
hatte, gemacht. Ehe diese aber ihre Fabrik eröffnen konnte, nahm
eine vornehme, einflussreiche Persönlichkeit ein Patent auf das Ver-
fahren als eine eigene Erfindung, wodurch die Gesellschaft verhindert
wurde ihre Unternehmung weiter fortzusetzen, obgleich der Patent-
nehmer sein Patent nicht einmal ausnutzte. Erst im Jahre 1720 kam
die erste grosse Weissblechfabrik in Monmouthshire in Betrieb. Auch
in Frankreich wurden erst im vorigen Jahrhundert Weissbleche dar-
gestellt.



1) Siehe S. 459.
2) Agricola, de natura fossilium, lib. IX.

Verzinnen des Eisens.
zu Schwabbach in Bayern, in Wiener-Neustadt, in Mannheim und
Durlach, in Minden und Potsdam. In England besonders in Warwick-
shire; in Frankreich zu Troyes, Francheville, Bourg u. s. w.

Das Verzinnen des Eisens gilt als eine deutsche Erfindung,
doch haben wir nachgewiesen, daſs es schon Theophrast 1) bekannt
war. Angeblich soll es zuerst in Böhmen eingeführt worden sein. In
dem englischen Einfuhrverbot von 1483 werden bereits verzinnte Nägel
aus Deutschland genannt. Agricola giebt schon 1546 eine genaue Be-
schreibung des Verzinnens von Eisenwaren 2): „Die Eisenschmiede
tauchen in ein Bad von geschmolzenem Zinn, zu dem sie Talg zusetzen,
die Eisenwaren, nachdem diese zuvor mit Essig, in dem Salmiak auf-
gelöst war, gebeizt worden sind. Diese verzinnten Kochgeschirre rosten
nicht, indem durch das Metall, in das sie getaucht worden sind, die
Kraft des Rostes überwunden wird.“

Agricola spricht von dieser Arbeit als von einer so bekannten
Sache, daſs die Angabe, wonach das Verzinnen erst 1620 durch einen
lutherischen Geistlichen nach Sachsen gebracht worden wäre, wenig
glaublich erscheint wenn nicht die Darstellung von Weiſsblech im
modernen Sinne gemeint ist, nämlich die Verzinnung von Schwarz-
blechtafeln durch Eintauchen in ein Zinnbad und nachheriger Ver-
arbeitung, statt des älteren Verzinnens fertig geschmiedeter Geschirre.
Aus dem Jahre 1660 ist eine kursächsische Verordnung wegen dem
Weiſsblech erhalten. In England wurde erst im Jahre 1670 der erste
Versuch zur Weiſsblechfabrikation von einer Gesellschaft, die den
Andrew Yarranta zu seiner Instruktion nach Deutschland geschickt
hatte, gemacht. Ehe diese aber ihre Fabrik eröffnen konnte, nahm
eine vornehme, einfluſsreiche Persönlichkeit ein Patent auf das Ver-
fahren als eine eigene Erfindung, wodurch die Gesellschaft verhindert
wurde ihre Unternehmung weiter fortzusetzen, obgleich der Patent-
nehmer sein Patent nicht einmal ausnutzte. Erst im Jahre 1720 kam
die erste groſse Weiſsblechfabrik in Monmouthshire in Betrieb. Auch
in Frankreich wurden erst im vorigen Jahrhundert Weiſsbleche dar-
gestellt.



1) Siehe S. 459.
2) Agricola, de natura fossilium, lib. IX.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0913" n="891"/><fw place="top" type="header">Verzinnen des Eisens.</fw><lb/>
zu Schwabbach in Bayern, in Wiener-Neustadt, in Mannheim und<lb/>
Durlach, in Minden und Potsdam. In England besonders in Warwick-<lb/>
shire; in Frankreich zu Troyes, Francheville, Bourg u. s. w.</p><lb/>
            <p>Das <hi rendition="#g">Verzinnen des Eisens</hi> gilt als eine deutsche Erfindung,<lb/>
doch haben wir nachgewiesen, da&#x017F;s es schon Theophrast <note place="foot" n="1)">Siehe S. 459.</note> bekannt<lb/>
war. Angeblich soll es zuerst in Böhmen eingeführt worden sein. In<lb/>
dem englischen Einfuhrverbot von 1483 werden bereits verzinnte Nägel<lb/>
aus Deutschland genannt. Agricola giebt schon 1546 eine genaue Be-<lb/>
schreibung des Verzinnens von Eisenwaren <note place="foot" n="2)">Agricola, de natura fossilium, lib. IX.</note>: &#x201E;Die Eisenschmiede<lb/>
tauchen in ein Bad von geschmolzenem Zinn, zu dem sie Talg zusetzen,<lb/>
die Eisenwaren, nachdem diese zuvor mit Essig, in dem Salmiak auf-<lb/>
gelöst war, gebeizt worden sind. Diese verzinnten Kochgeschirre rosten<lb/>
nicht, indem durch das Metall, in das sie getaucht worden sind, die<lb/>
Kraft des Rostes überwunden wird.&#x201C;</p><lb/>
            <p>Agricola spricht von dieser Arbeit als von einer so bekannten<lb/>
Sache, da&#x017F;s die Angabe, wonach das Verzinnen erst 1620 durch einen<lb/>
lutherischen Geistlichen nach Sachsen gebracht worden wäre, wenig<lb/>
glaublich erscheint wenn nicht die Darstellung von Wei&#x017F;sblech im<lb/>
modernen Sinne gemeint ist, nämlich die Verzinnung von Schwarz-<lb/>
blechtafeln durch Eintauchen in ein Zinnbad und nachheriger Ver-<lb/>
arbeitung, statt des älteren Verzinnens fertig geschmiedeter Geschirre.<lb/>
Aus dem Jahre 1660 ist eine kursächsische Verordnung wegen dem<lb/>
Wei&#x017F;sblech erhalten. In England wurde erst im Jahre 1670 der erste<lb/>
Versuch zur Wei&#x017F;sblechfabrikation von einer Gesellschaft, die den<lb/>
Andrew Yarranta zu seiner Instruktion nach Deutschland geschickt<lb/>
hatte, gemacht. Ehe diese aber ihre Fabrik eröffnen konnte, nahm<lb/>
eine vornehme, einflu&#x017F;sreiche Persönlichkeit ein Patent auf das Ver-<lb/>
fahren als eine eigene Erfindung, wodurch die Gesellschaft verhindert<lb/>
wurde ihre Unternehmung weiter fortzusetzen, obgleich der Patent-<lb/>
nehmer sein Patent nicht einmal ausnutzte. Erst im Jahre 1720 kam<lb/>
die erste gro&#x017F;se Wei&#x017F;sblechfabrik in Monmouthshire in Betrieb. Auch<lb/>
in Frankreich wurden erst im vorigen Jahrhundert Wei&#x017F;sbleche dar-<lb/>
gestellt.</p>
          </div>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[891/0913] Verzinnen des Eisens. zu Schwabbach in Bayern, in Wiener-Neustadt, in Mannheim und Durlach, in Minden und Potsdam. In England besonders in Warwick- shire; in Frankreich zu Troyes, Francheville, Bourg u. s. w. Das Verzinnen des Eisens gilt als eine deutsche Erfindung, doch haben wir nachgewiesen, daſs es schon Theophrast 1) bekannt war. Angeblich soll es zuerst in Böhmen eingeführt worden sein. In dem englischen Einfuhrverbot von 1483 werden bereits verzinnte Nägel aus Deutschland genannt. Agricola giebt schon 1546 eine genaue Be- schreibung des Verzinnens von Eisenwaren 2): „Die Eisenschmiede tauchen in ein Bad von geschmolzenem Zinn, zu dem sie Talg zusetzen, die Eisenwaren, nachdem diese zuvor mit Essig, in dem Salmiak auf- gelöst war, gebeizt worden sind. Diese verzinnten Kochgeschirre rosten nicht, indem durch das Metall, in das sie getaucht worden sind, die Kraft des Rostes überwunden wird.“ Agricola spricht von dieser Arbeit als von einer so bekannten Sache, daſs die Angabe, wonach das Verzinnen erst 1620 durch einen lutherischen Geistlichen nach Sachsen gebracht worden wäre, wenig glaublich erscheint wenn nicht die Darstellung von Weiſsblech im modernen Sinne gemeint ist, nämlich die Verzinnung von Schwarz- blechtafeln durch Eintauchen in ein Zinnbad und nachheriger Ver- arbeitung, statt des älteren Verzinnens fertig geschmiedeter Geschirre. Aus dem Jahre 1660 ist eine kursächsische Verordnung wegen dem Weiſsblech erhalten. In England wurde erst im Jahre 1670 der erste Versuch zur Weiſsblechfabrikation von einer Gesellschaft, die den Andrew Yarranta zu seiner Instruktion nach Deutschland geschickt hatte, gemacht. Ehe diese aber ihre Fabrik eröffnen konnte, nahm eine vornehme, einfluſsreiche Persönlichkeit ein Patent auf das Ver- fahren als eine eigene Erfindung, wodurch die Gesellschaft verhindert wurde ihre Unternehmung weiter fortzusetzen, obgleich der Patent- nehmer sein Patent nicht einmal ausnutzte. Erst im Jahre 1720 kam die erste groſse Weiſsblechfabrik in Monmouthshire in Betrieb. Auch in Frankreich wurden erst im vorigen Jahrhundert Weiſsbleche dar- gestellt. 1) Siehe S. 459. 2) Agricola, de natura fossilium, lib. IX.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/913
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 891. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/913>, abgerufen am 19.05.2024.