Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

Bild:
<< vorherige Seite

Feuerwaffen.
zurückgelassen war, befindet sich eine grosse Feldschlange von Eisen
mit Holz umkleidet nebst zwei Büchsen aus Guss 1)."

Ferner befindet sich im Zeughause von Murten eine gusseiserne
Kanone, die aus der Schlacht gegen Karl den Kühnen herrührt, also
vor das Jahr 1476 fällt.

Aus allen angeführten Thatsachen geht hervor, dass die Erfindung
des Eisengusses bis zum Anfange des 15. Jahrhunderts zurück zu
datieren ist. Die ersten bestimmten Angaben rühren aus Flandern
her, und da die flandrischen Städte im 15. und 16. Jahrhundert durch
ihr Artilleriewesen berühmt waren, Geschütze aller Art anfertigten
und Handel damit trieben, so dürfen wir vorläufig, bis zur Sichtung
des noch unbekannten Materials, worunter in erster Linie die Stadt-
rechnungen jener Periode gehören, Flandern als das Land bezeichnen,
von dem die Kunst des Eisengusses ausging und der Name jenes Uhr-
machers und Büchsenmeisters Jaques Yolens, der das erste Geschütz

[Abbildung] Fig. 296.
aus Gusseisen in Lille anfertigte, verdient wohl der Vergessenheit ent-
rissen zu werden.

Besonders im 15. Jahrhundert blühte die Geschützfabrikation in
den flandrischen Städten, sie versorgten Burgund und Frankreich mit
Artilleriematerial. Die flandrischen Geschützgiesser waren weit berühmt.
1440 liess Karl VII. in Tournay und auf den Märkten von Flandern
eine grosse Zahl Geschütze kaufen (bouches a feu) und Ludwig XI.
bestellte die Bronzestatue für sein Grab bei einem flämischen Giesser.

1451 wird zu Mons ein Geschützhändler (marchand d'artillerie)
genannt 2), der für den Preis von 426 Lire 10 Schilling eine Bombarde
aus rotpoliertem Eisen (de fer vernie rouge) von einer Länge von
17 Fuss, Kammer und Lauf einbegriffen, lieferte.


1) Y a de ce qui fut laisse par les Anglais: un gros veuglaire de fer fuste
de bois ayant deux chambres de fonte (Etudes sur le passe et l'avenir d'artillerie
I, 375).
2) Etudes sur le passe etc. a. a. O. III, p. 128 und 130.
58*

Feuerwaffen.
zurückgelassen war, befindet sich eine groſse Feldschlange von Eisen
mit Holz umkleidet nebst zwei Büchsen aus Guſs 1).“

Ferner befindet sich im Zeughause von Murten eine guſseiserne
Kanone, die aus der Schlacht gegen Karl den Kühnen herrührt, also
vor das Jahr 1476 fällt.

Aus allen angeführten Thatsachen geht hervor, daſs die Erfindung
des Eisengusses bis zum Anfange des 15. Jahrhunderts zurück zu
datieren ist. Die ersten bestimmten Angaben rühren aus Flandern
her, und da die flandrischen Städte im 15. und 16. Jahrhundert durch
ihr Artilleriewesen berühmt waren, Geschütze aller Art anfertigten
und Handel damit trieben, so dürfen wir vorläufig, bis zur Sichtung
des noch unbekannten Materials, worunter in erster Linie die Stadt-
rechnungen jener Periode gehören, Flandern als das Land bezeichnen,
von dem die Kunst des Eisengusses ausging und der Name jenes Uhr-
machers und Büchsenmeisters Jaques Yolens, der das erste Geschütz

[Abbildung] Fig. 296.
aus Guſseisen in Lille anfertigte, verdient wohl der Vergessenheit ent-
rissen zu werden.

Besonders im 15. Jahrhundert blühte die Geschützfabrikation in
den flandrischen Städten, sie versorgten Burgund und Frankreich mit
Artilleriematerial. Die flandrischen Geschützgieſser waren weit berühmt.
1440 lieſs Karl VII. in Tournay und auf den Märkten von Flandern
eine groſse Zahl Geschütze kaufen (bouches à feu) und Ludwig XI.
bestellte die Bronzestatue für sein Grab bei einem flämischen Gieſser.

1451 wird zu Mons ein Geschützhändler (marchand d’artillerie)
genannt 2), der für den Preis von 426 Lire 10 Schilling eine Bombarde
aus rotpoliertem Eisen (de fer vernie rouge) von einer Länge von
17 Fuſs, Kammer und Lauf einbegriffen, lieferte.


1) Y a de ce qui fut laissé par les Anglais: un gros veuglaire de fer fusté
de bois ayant deux chambres de fonte (Etudes sur le passé et l’avenir d’artillerie
I, 375).
2) Etudes sur le passé etc. a. a. O. III, p. 128 und 130.
58*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0937" n="915"/><fw place="top" type="header">Feuerwaffen.</fw><lb/>
zurückgelassen war, befindet sich eine gro&#x017F;se Feldschlange von Eisen<lb/>
mit Holz umkleidet nebst zwei Büchsen aus Gu&#x017F;s <note place="foot" n="1)">Y a de ce qui fut laissé par les Anglais: un gros veuglaire de fer fusté<lb/>
de bois ayant deux chambres de fonte (Etudes sur le passé et l&#x2019;avenir d&#x2019;artillerie<lb/>
I, 375).</note>.&#x201C;</p><lb/>
            <p>Ferner befindet sich im Zeughause von Murten eine gu&#x017F;seiserne<lb/>
Kanone, die aus der Schlacht gegen Karl den Kühnen herrührt, also<lb/>
vor das Jahr 1476 fällt.</p><lb/>
            <p>Aus allen angeführten Thatsachen geht hervor, da&#x017F;s die Erfindung<lb/>
des Eisengusses bis zum Anfange des 15. Jahrhunderts zurück zu<lb/>
datieren ist. Die ersten bestimmten Angaben rühren aus Flandern<lb/>
her, und da die flandrischen Städte im 15. und 16. Jahrhundert durch<lb/>
ihr Artilleriewesen berühmt waren, Geschütze aller Art anfertigten<lb/>
und Handel damit trieben, so dürfen wir vorläufig, bis zur Sichtung<lb/>
des noch unbekannten Materials, worunter in erster Linie die Stadt-<lb/>
rechnungen jener Periode gehören, Flandern als das Land bezeichnen,<lb/>
von dem die Kunst des Eisengusses ausging und der Name jenes Uhr-<lb/>
machers und Büchsenmeisters Jaques Yolens, der das erste Geschütz<lb/><figure><head>Fig. 296.</head></figure><lb/>
aus Gu&#x017F;seisen in Lille anfertigte, verdient wohl der Vergessenheit ent-<lb/>
rissen zu werden.</p><lb/>
            <p>Besonders im 15. Jahrhundert blühte die Geschützfabrikation in<lb/>
den flandrischen Städten, sie versorgten Burgund und Frankreich mit<lb/>
Artilleriematerial. Die flandrischen Geschützgie&#x017F;ser waren weit berühmt.<lb/>
1440 lie&#x017F;s Karl VII. in Tournay und auf den Märkten von Flandern<lb/>
eine gro&#x017F;se Zahl Geschütze kaufen (bouches à feu) und Ludwig XI.<lb/>
bestellte die Bronzestatue für sein Grab bei einem flämischen Gie&#x017F;ser.</p><lb/>
            <p>1451 wird zu Mons ein Geschützhändler (marchand d&#x2019;artillerie)<lb/>
genannt <note place="foot" n="2)">Etudes sur le passé etc. a. a. O. III, p. 128 und 130.</note>, der für den Preis von 426 Lire 10 Schilling eine Bombarde<lb/>
aus rotpoliertem Eisen (de fer vernie rouge) von einer Länge von<lb/>
17 Fu&#x017F;s, Kammer und Lauf einbegriffen, lieferte.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">58*</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[915/0937] Feuerwaffen. zurückgelassen war, befindet sich eine groſse Feldschlange von Eisen mit Holz umkleidet nebst zwei Büchsen aus Guſs 1).“ Ferner befindet sich im Zeughause von Murten eine guſseiserne Kanone, die aus der Schlacht gegen Karl den Kühnen herrührt, also vor das Jahr 1476 fällt. Aus allen angeführten Thatsachen geht hervor, daſs die Erfindung des Eisengusses bis zum Anfange des 15. Jahrhunderts zurück zu datieren ist. Die ersten bestimmten Angaben rühren aus Flandern her, und da die flandrischen Städte im 15. und 16. Jahrhundert durch ihr Artilleriewesen berühmt waren, Geschütze aller Art anfertigten und Handel damit trieben, so dürfen wir vorläufig, bis zur Sichtung des noch unbekannten Materials, worunter in erster Linie die Stadt- rechnungen jener Periode gehören, Flandern als das Land bezeichnen, von dem die Kunst des Eisengusses ausging und der Name jenes Uhr- machers und Büchsenmeisters Jaques Yolens, der das erste Geschütz [Abbildung Fig. 296.] aus Guſseisen in Lille anfertigte, verdient wohl der Vergessenheit ent- rissen zu werden. Besonders im 15. Jahrhundert blühte die Geschützfabrikation in den flandrischen Städten, sie versorgten Burgund und Frankreich mit Artilleriematerial. Die flandrischen Geschützgieſser waren weit berühmt. 1440 lieſs Karl VII. in Tournay und auf den Märkten von Flandern eine groſse Zahl Geschütze kaufen (bouches à feu) und Ludwig XI. bestellte die Bronzestatue für sein Grab bei einem flämischen Gieſser. 1451 wird zu Mons ein Geschützhändler (marchand d’artillerie) genannt 2), der für den Preis von 426 Lire 10 Schilling eine Bombarde aus rotpoliertem Eisen (de fer vernie rouge) von einer Länge von 17 Fuſs, Kammer und Lauf einbegriffen, lieferte. 1) Y a de ce qui fut laissé par les Anglais: un gros veuglaire de fer fusté de bois ayant deux chambres de fonte (Etudes sur le passé et l’avenir d’artillerie I, 375). 2) Etudes sur le passé etc. a. a. O. III, p. 128 und 130. 58*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/937
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 915. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/937>, abgerufen am 24.11.2024.