Geschützmündung. Die mit so unwiderstehlicher Kraft geschleuderte Kugel flog in die Mauer, und tausende von Trümmerstücken derselben flogen in die Höhe. Wohin diese Geschütze aufgerichtet wurden, da verbreiteten sie Tod und Verderben. Zuweilen wurde durch den An- schlag der Kugel ein Teil oder die Hälfte der Mauer zerstört, zuweilen in grösserem oder geringerem Masse ein Turm, oder die kleine Mauer zwischen zwei Türmen beschädigt, oder die Zinnen abgebrochen. Nichts konnte diesen Kugeln widerstehen, selbst nicht die stärksten Mauern; es gab keine noch so feste und massive Deckung, welche vor der Wir- kung dieser Kanone hätte schützen können."
"Eine in gleichem Masse wirkende ähnliche Maschine ist unwahr- scheinlich und undenkbar. Die Fürsten und Heerführer der Vorzeit besassen nichts Ähnliches und kannten auch darüber nichts. Wären solche Kanonen in ihrem Besitze gewesen, so hätte ihnen weder eine Festung noch eine Stadt widerstehen können, weil es mit diesen Ge- schützen möglich ist, viel stärkere Mauern als die damals vorhandenen niederzulegen. Dann würde es zur Bewältigung der Festung nicht nötig gewesen sein, Trancheen und Circumvallationslinien auszuführen, unterirdische Galerieen zu graben und Minen zu legen, weil statt alle dessen das einfache Niederschiessen und Zertrümmern der Mauern zum Ziele geführt haben würde. Aber dies war nicht ausführbar, weil man damals keine Kanonen besass. Dieselben traten erst als Folge der neuen deutschen oder keltischen Erfindung auf, welche erst 150 Jahre vordem oder zu derselben Zeit bekannt wurde. Es bestand diese geistreiche und glückliche Erfindung in der Entdeckung eines eigentümlichen, aus den brennbaren und leicht entzündlichen Elementen: Salpeter, Schwefel, Kohle und Kraut bestehenden Pülverchens. Bei ihrer Verbrennung bildet diese Mischung trockene, glühende Gase, welche, in einen engen und festen Bronzekörper eingeschlossen, sich aus diesem einen Ausweg suchen, dabei die Kugel auf ihrem Wege vorfinden und deshalb, durch die Wirkung ihrer inneren Spannung, diese zuweilen so heftig fortschleudern, dass selbst das Geschütz zu Bruch geht. Alle jenen die Kanonen betreffenden Mitteilungen haben wir aus den uns von Artilleristen zu Teil gewordenen Belehrungen geschöpft, d. h. von Leuten erhalten, welche sich mit diesem Handwerk beschäftigen."
Geschützguſs.
Geschützmündung. Die mit so unwiderstehlicher Kraft geschleuderte Kugel flog in die Mauer, und tausende von Trümmerstücken derselben flogen in die Höhe. Wohin diese Geschütze aufgerichtet wurden, da verbreiteten sie Tod und Verderben. Zuweilen wurde durch den An- schlag der Kugel ein Teil oder die Hälfte der Mauer zerstört, zuweilen in gröſserem oder geringerem Maſse ein Turm, oder die kleine Mauer zwischen zwei Türmen beschädigt, oder die Zinnen abgebrochen. Nichts konnte diesen Kugeln widerstehen, selbst nicht die stärksten Mauern; es gab keine noch so feste und massive Deckung, welche vor der Wir- kung dieser Kanone hätte schützen können.“
„Eine in gleichem Maſse wirkende ähnliche Maschine ist unwahr- scheinlich und undenkbar. Die Fürsten und Heerführer der Vorzeit besaſsen nichts Ähnliches und kannten auch darüber nichts. Wären solche Kanonen in ihrem Besitze gewesen, so hätte ihnen weder eine Festung noch eine Stadt widerstehen können, weil es mit diesen Ge- schützen möglich ist, viel stärkere Mauern als die damals vorhandenen niederzulegen. Dann würde es zur Bewältigung der Festung nicht nötig gewesen sein, Trancheen und Circumvallationslinien auszuführen, unterirdische Galerieen zu graben und Minen zu legen, weil statt alle dessen das einfache Niederschieſsen und Zertrümmern der Mauern zum Ziele geführt haben würde. Aber dies war nicht ausführbar, weil man damals keine Kanonen besaſs. Dieselben traten erst als Folge der neuen deutschen oder keltischen Erfindung auf, welche erst 150 Jahre vordem oder zu derselben Zeit bekannt wurde. Es bestand diese geistreiche und glückliche Erfindung in der Entdeckung eines eigentümlichen, aus den brennbaren und leicht entzündlichen Elementen: Salpeter, Schwefel, Kohle und Kraut bestehenden Pülverchens. Bei ihrer Verbrennung bildet diese Mischung trockene, glühende Gase, welche, in einen engen und festen Bronzekörper eingeschlossen, sich aus diesem einen Ausweg suchen, dabei die Kugel auf ihrem Wege vorfinden und deshalb, durch die Wirkung ihrer inneren Spannung, diese zuweilen so heftig fortschleudern, daſs selbst das Geschütz zu Bruch geht. Alle jenen die Kanonen betreffenden Mitteilungen haben wir aus den uns von Artilleristen zu Teil gewordenen Belehrungen geschöpft, d. h. von Leuten erhalten, welche sich mit diesem Handwerk beschäftigen.“
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0964"n="942"/><fwplace="top"type="header">Geschützguſs.</fw><lb/>
Geschützmündung. Die mit so unwiderstehlicher Kraft geschleuderte<lb/>
Kugel flog in die Mauer, und tausende von Trümmerstücken derselben<lb/>
flogen in die Höhe. Wohin diese Geschütze aufgerichtet wurden, da<lb/>
verbreiteten sie Tod und Verderben. Zuweilen wurde durch den An-<lb/>
schlag der Kugel ein Teil oder die Hälfte der Mauer zerstört, zuweilen<lb/>
in gröſserem oder geringerem Maſse ein Turm, oder die kleine Mauer<lb/>
zwischen zwei Türmen beschädigt, oder die Zinnen abgebrochen. Nichts<lb/>
konnte diesen Kugeln widerstehen, selbst nicht die stärksten Mauern;<lb/>
es gab keine noch so feste und massive Deckung, welche vor der Wir-<lb/>
kung dieser Kanone hätte schützen können.“</p><lb/><p>„Eine in gleichem Maſse wirkende ähnliche Maschine ist unwahr-<lb/>
scheinlich und undenkbar. Die Fürsten und Heerführer der Vorzeit<lb/>
besaſsen nichts Ähnliches und kannten auch darüber nichts. Wären<lb/>
solche Kanonen in ihrem Besitze gewesen, so hätte ihnen weder eine<lb/>
Festung noch eine Stadt widerstehen können, weil es mit diesen Ge-<lb/>
schützen möglich ist, viel stärkere Mauern als die damals vorhandenen<lb/>
niederzulegen. Dann würde es zur Bewältigung der Festung nicht<lb/>
nötig gewesen sein, Trancheen und Circumvallationslinien auszuführen,<lb/>
unterirdische Galerieen zu graben und Minen zu legen, weil statt<lb/>
alle dessen das einfache Niederschieſsen und Zertrümmern der Mauern<lb/>
zum Ziele geführt haben würde. Aber dies war nicht ausführbar, weil<lb/>
man damals keine Kanonen besaſs. Dieselben traten erst als Folge<lb/>
der neuen <hirendition="#g">deutschen</hi> oder keltischen Erfindung auf, welche erst<lb/>
150 Jahre vordem oder zu derselben Zeit bekannt wurde. Es bestand<lb/>
diese geistreiche und glückliche Erfindung in der Entdeckung eines<lb/>
eigentümlichen, aus den brennbaren und leicht entzündlichen Elementen:<lb/>
Salpeter, Schwefel, Kohle und Kraut bestehenden Pülverchens. Bei<lb/>
ihrer Verbrennung bildet diese Mischung trockene, glühende Gase,<lb/>
welche, in einen engen und festen Bronzekörper eingeschlossen, sich<lb/>
aus diesem einen Ausweg suchen, dabei die Kugel auf ihrem Wege<lb/>
vorfinden und deshalb, durch die Wirkung ihrer inneren Spannung,<lb/>
diese zuweilen so heftig fortschleudern, daſs selbst das Geschütz zu<lb/>
Bruch geht. Alle jenen die Kanonen betreffenden Mitteilungen haben<lb/>
wir aus den uns von Artilleristen zu Teil gewordenen Belehrungen<lb/>
geschöpft, d. h. von Leuten erhalten, welche sich mit diesem Handwerk<lb/>
beschäftigen.“</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></div></div></div></body></text></TEI>
[942/0964]
Geschützguſs.
Geschützmündung. Die mit so unwiderstehlicher Kraft geschleuderte
Kugel flog in die Mauer, und tausende von Trümmerstücken derselben
flogen in die Höhe. Wohin diese Geschütze aufgerichtet wurden, da
verbreiteten sie Tod und Verderben. Zuweilen wurde durch den An-
schlag der Kugel ein Teil oder die Hälfte der Mauer zerstört, zuweilen
in gröſserem oder geringerem Maſse ein Turm, oder die kleine Mauer
zwischen zwei Türmen beschädigt, oder die Zinnen abgebrochen. Nichts
konnte diesen Kugeln widerstehen, selbst nicht die stärksten Mauern;
es gab keine noch so feste und massive Deckung, welche vor der Wir-
kung dieser Kanone hätte schützen können.“
„Eine in gleichem Maſse wirkende ähnliche Maschine ist unwahr-
scheinlich und undenkbar. Die Fürsten und Heerführer der Vorzeit
besaſsen nichts Ähnliches und kannten auch darüber nichts. Wären
solche Kanonen in ihrem Besitze gewesen, so hätte ihnen weder eine
Festung noch eine Stadt widerstehen können, weil es mit diesen Ge-
schützen möglich ist, viel stärkere Mauern als die damals vorhandenen
niederzulegen. Dann würde es zur Bewältigung der Festung nicht
nötig gewesen sein, Trancheen und Circumvallationslinien auszuführen,
unterirdische Galerieen zu graben und Minen zu legen, weil statt
alle dessen das einfache Niederschieſsen und Zertrümmern der Mauern
zum Ziele geführt haben würde. Aber dies war nicht ausführbar, weil
man damals keine Kanonen besaſs. Dieselben traten erst als Folge
der neuen deutschen oder keltischen Erfindung auf, welche erst
150 Jahre vordem oder zu derselben Zeit bekannt wurde. Es bestand
diese geistreiche und glückliche Erfindung in der Entdeckung eines
eigentümlichen, aus den brennbaren und leicht entzündlichen Elementen:
Salpeter, Schwefel, Kohle und Kraut bestehenden Pülverchens. Bei
ihrer Verbrennung bildet diese Mischung trockene, glühende Gase,
welche, in einen engen und festen Bronzekörper eingeschlossen, sich
aus diesem einen Ausweg suchen, dabei die Kugel auf ihrem Wege
vorfinden und deshalb, durch die Wirkung ihrer inneren Spannung,
diese zuweilen so heftig fortschleudern, daſs selbst das Geschütz zu
Bruch geht. Alle jenen die Kanonen betreffenden Mitteilungen haben
wir aus den uns von Artilleristen zu Teil gewordenen Belehrungen
geschöpft, d. h. von Leuten erhalten, welche sich mit diesem Handwerk
beschäftigen.“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 942. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/964>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.