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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Alchemie.
des klassischen Altertums noch nicht. Wahrscheinlich bildete sich
diese Idee zuerst bei den Alexandrinern aus, von denen sie den Erben
ihrer Gelehrsamkeit, den Arabern, übermittelt wurden, welche dieselbe
weiter verfolgter.

Die ganze Lehre der Metallverwandlung, auf welcher die
tollen Träumereien der Alchemisten begründet waren, beruht auf
einer Täuschung. Sie entsprang zumeist aus der Beobachtung, dass
wenn man Eisen in Kupfervitriollösung taucht, dieses sich gegen einen
Teil des Kupfers der Lösung austauscht. Die Alten sahen darin nichts
anderes, als eine Verwandlung des Eisens in Kupfer, des unedlern
Metalles in ein edleres. Zu einer weitern Täuschung in dieser Richtung
führte die Beobachtung, dass wenn man Kupfer mit Cadmia, dem Zink-
oxyd, welches die Alten nur für eine Erde ansahen, schmolz, dieses in
Messing überging, in dem die Alten einen geläuterten Zustand des
Kupfers betrachteten. Ebenso sahen sie in dem Abtreiben des Silbers
aus silberhaltigem Bleiglanz eine Metallveredelung. Am meisten aber
betrog sie das Verhalten des Amalgams, aus dem durch blosse unsicht-
bare Verflüchtigung des Quecksilbers Gold oder Silber zurückblieben.

Mehr noch als von diesen Thatsachen wurden die Alchemisten von
falschen Theorieen in der Irre umhergeführt. In ihrem Bestreben,
Gold zu machen, und den Stein der Weisen, das grosse Magisterium
zu finden, wurden sie immer weiter von praktischen Zielen abgelenkt
und so haben die mühevollen Bestrebungen und Arbeiten der Alche-
misten des Mittelalters auf die Eisenhüttenkunde gar keinen Einfluss
ausgeübt.

Des Aristoteles' Lehre von den vier Elementen bildete auch die
Grundlage der alchemistischen Anschauung, aber man unterschied
neben den von Aristoteles angegebenen Grundeigenschaften der
Elemente, den qualitates primae, noch andere Eigenschaften, wie
z. B. Dichtigkeit, Härte u. s. w., die man als qualitates secundae be-
zeichnete.

Geber (Abu Musa Dschaffar al Sofi, im 8. Jahrhundert), "der
König der Philosophen", war der erste, welcher selbständige, metalli-
sche Elemente annahm. Er lehrte, alle Metalle beständen in
ihrem wesentlichen Teile aus Schwefel und Quecksilber. Die
Verschiedenheit der Metalle beruhe auf der Verschiedenheit der
Mischung und der Reinheit dieser beiden "Prinzipien".

Geber gab folgende allgemeine Definition für den Begriff eines
Metalles: "Metallum est corpus mixibile, fussibile et sub malleo ex
omni dimensione extensibile." Zu seiner Zeit unterschied man nur

Alchemie.
des klassischen Altertums noch nicht. Wahrscheinlich bildete sich
diese Idee zuerst bei den Alexandrinern aus, von denen sie den Erben
ihrer Gelehrsamkeit, den Arabern, übermittelt wurden, welche dieselbe
weiter verfolgter.

Die ganze Lehre der Metallverwandlung, auf welcher die
tollen Träumereien der Alchemisten begründet waren, beruht auf
einer Täuschung. Sie entsprang zumeist aus der Beobachtung, daſs
wenn man Eisen in Kupfervitriollösung taucht, dieses sich gegen einen
Teil des Kupfers der Lösung austauscht. Die Alten sahen darin nichts
anderes, als eine Verwandlung des Eisens in Kupfer, des unedlern
Metalles in ein edleres. Zu einer weitern Täuschung in dieser Richtung
führte die Beobachtung, daſs wenn man Kupfer mit Cadmia, dem Zink-
oxyd, welches die Alten nur für eine Erde ansahen, schmolz, dieses in
Messing überging, in dem die Alten einen geläuterten Zustand des
Kupfers betrachteten. Ebenso sahen sie in dem Abtreiben des Silbers
aus silberhaltigem Bleiglanz eine Metallveredelung. Am meisten aber
betrog sie das Verhalten des Amalgams, aus dem durch bloſse unsicht-
bare Verflüchtigung des Quecksilbers Gold oder Silber zurückblieben.

Mehr noch als von diesen Thatsachen wurden die Alchemisten von
falschen Theorieen in der Irre umhergeführt. In ihrem Bestreben,
Gold zu machen, und den Stein der Weisen, das groſse Magisterium
zu finden, wurden sie immer weiter von praktischen Zielen abgelenkt
und so haben die mühevollen Bestrebungen und Arbeiten der Alche-
misten des Mittelalters auf die Eisenhüttenkunde gar keinen Einfluſs
ausgeübt.

Des Aristoteles’ Lehre von den vier Elementen bildete auch die
Grundlage der alchemistischen Anschauung, aber man unterschied
neben den von Aristoteles angegebenen Grundeigenschaften der
Elemente, den qualitates primae, noch andere Eigenschaften, wie
z. B. Dichtigkeit, Härte u. s. w., die man als qualitates secundae be-
zeichnete.

Geber (Abu Musa Dschaffar al Sofi, im 8. Jahrhundert), „der
König der Philosophen“, war der erste, welcher selbständige, metalli-
sche Elemente annahm. Er lehrte, alle Metalle beständen in
ihrem wesentlichen Teile aus Schwefel und Quecksilber. Die
Verschiedenheit der Metalle beruhe auf der Verschiedenheit der
Mischung und der Reinheit dieser beiden „Prinzipien“.

Geber gab folgende allgemeine Definition für den Begriff eines
Metalles: „Metallum est corpus mixibile, fussibile et sub malleo ex
omni dimensione extensibile.“ Zu seiner Zeit unterschied man nur

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[970/0992] Alchemie. des klassischen Altertums noch nicht. Wahrscheinlich bildete sich diese Idee zuerst bei den Alexandrinern aus, von denen sie den Erben ihrer Gelehrsamkeit, den Arabern, übermittelt wurden, welche dieselbe weiter verfolgter. Die ganze Lehre der Metallverwandlung, auf welcher die tollen Träumereien der Alchemisten begründet waren, beruht auf einer Täuschung. Sie entsprang zumeist aus der Beobachtung, daſs wenn man Eisen in Kupfervitriollösung taucht, dieses sich gegen einen Teil des Kupfers der Lösung austauscht. Die Alten sahen darin nichts anderes, als eine Verwandlung des Eisens in Kupfer, des unedlern Metalles in ein edleres. Zu einer weitern Täuschung in dieser Richtung führte die Beobachtung, daſs wenn man Kupfer mit Cadmia, dem Zink- oxyd, welches die Alten nur für eine Erde ansahen, schmolz, dieses in Messing überging, in dem die Alten einen geläuterten Zustand des Kupfers betrachteten. Ebenso sahen sie in dem Abtreiben des Silbers aus silberhaltigem Bleiglanz eine Metallveredelung. Am meisten aber betrog sie das Verhalten des Amalgams, aus dem durch bloſse unsicht- bare Verflüchtigung des Quecksilbers Gold oder Silber zurückblieben. Mehr noch als von diesen Thatsachen wurden die Alchemisten von falschen Theorieen in der Irre umhergeführt. In ihrem Bestreben, Gold zu machen, und den Stein der Weisen, das groſse Magisterium zu finden, wurden sie immer weiter von praktischen Zielen abgelenkt und so haben die mühevollen Bestrebungen und Arbeiten der Alche- misten des Mittelalters auf die Eisenhüttenkunde gar keinen Einfluſs ausgeübt. Des Aristoteles’ Lehre von den vier Elementen bildete auch die Grundlage der alchemistischen Anschauung, aber man unterschied neben den von Aristoteles angegebenen Grundeigenschaften der Elemente, den qualitates primae, noch andere Eigenschaften, wie z. B. Dichtigkeit, Härte u. s. w., die man als qualitates secundae be- zeichnete. Geber (Abu Musa Dschaffar al Sofi, im 8. Jahrhundert), „der König der Philosophen“, war der erste, welcher selbständige, metalli- sche Elemente annahm. Er lehrte, alle Metalle beständen in ihrem wesentlichen Teile aus Schwefel und Quecksilber. Die Verschiedenheit der Metalle beruhe auf der Verschiedenheit der Mischung und der Reinheit dieser beiden „Prinzipien“. Geber gab folgende allgemeine Definition für den Begriff eines Metalles: „Metallum est corpus mixibile, fussibile et sub malleo ex omni dimensione extensibile.“ Zu seiner Zeit unterschied man nur

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 970. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/992>, abgerufen am 22.11.2024.