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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Die Stahlfabrikation im 17. Jahrhundert.
nicht mehr erweicht, obgleich einige anderer Ansicht sind. Hat man
ihn zu heiss gelöscht und er erweist sich als nicht gut, so wird nie
mehr etwas aus ihm, hat man ihn aber zu kalt gelöscht und
er erweist sich nicht gut, so kann man ihn ein zweitesmal besser
machen.

Manche sind der Meinung, dass, um Federn aus deutschem
Stahl
zu härten, das beste und natürlichste Wasser, der Tau im
Monat Mai, den man am Morgen bei Sonnenaufgang an höhergelegenen
Plätzen vom Korn oder anderen Gräsern sammelt, ist; denn er ist
weniger erdig, feiner und wirksamer, indem alle Planeten zu dieser
Zeit die grösste Kraft besitzen; und dass er noch wirkungsvoller ist,
wenn zur Zeit, wo man ihn sammelt, der Wind vom Norden weht,
indem die Kälte dieses Windes ihn durchdringender macht, so dass
der Stahl, den man darin löscht, fester wird und besser seine Wir-
kung thut.

Von diesem Wasser nimmt man das sechs-, sieben-, acht- oder
neunfache von dem Gewicht des Stahls. Man thut es in das Gefäss,
in welchem man den Stahl, den man langsam bis zur Kirschröte er-
hitzt hat, ablöscht, und man taucht ihn dabei so tief ein, dass, bis
er kalt geworden ist, weder Wind noch Luft hinzutreten können.
Alsdann putzt und reinigt man ihn mit Sand oder Lösche, so dass
er weiss wird und alle Schuppen davon entfernt werden. Sobald die
Feder so gehärtet und gereinigt ist, bringt man sie auf das Feuer und
lässt sie vorsichtig an, bis gelbe, rothe, violette, wasserblaue und schwarz-
graue Anlauffarben erscheinen. Sobald diese Farbe sich zeigt, nimmt
man das Feuer oben weg und fährt mit einem Holz darüber, wie ich
es bei dem Stahl von Piemont erwähnt habe. Wenn dieses Holz oder
Späne anbrennen, so nimmt man ein frisches Hammels-, Ziegen-
oder Ochsenhorn und streicht damit über die Feder hin; oder
auch wohl Öl, Inschlitt oder anderes Fett und bringt es dann wieder
ein wenig auf das Feuer. Wenn man Öl oder Fett nimmt, so lässt
man dies flammen und brennt es auf der Feder ab und sieht zu,
ob das Holz, mit dem man es reibt, anbrennt; wenn dies erreicht ist,
so hat man nichts weiter zu thun, als die Feder kalt werden zu lassen.
Man kann wohl auch die Federn in dem Wasser der Schmiede oder
eines Flusses oder auch in Quell- und Brunnenwasser ablöschen. Wenn
man es aber in Quell- oder Brunnenwasser, welches zu kalt wäre, ab-
löscht, so muss man dieses erst in ein Gefäss thun, worin man es
mit einem Stock oder mit der Hand schlagen kann, um es weich zu
machen; denn wenn man dies nicht thut, so springen die Federn

Die Stahlfabrikation im 17. Jahrhundert.
nicht mehr erweicht, obgleich einige anderer Ansicht sind. Hat man
ihn zu heiſs gelöscht und er erweist sich als nicht gut, so wird nie
mehr etwas aus ihm, hat man ihn aber zu kalt gelöscht und
er erweist sich nicht gut, so kann man ihn ein zweitesmal besser
machen.

Manche sind der Meinung, daſs, um Federn aus deutschem
Stahl
zu härten, das beste und natürlichste Wasser, der Tau im
Monat Mai, den man am Morgen bei Sonnenaufgang an höhergelegenen
Plätzen vom Korn oder anderen Gräsern sammelt, ist; denn er ist
weniger erdig, feiner und wirksamer, indem alle Planeten zu dieser
Zeit die gröſste Kraft besitzen; und daſs er noch wirkungsvoller ist,
wenn zur Zeit, wo man ihn sammelt, der Wind vom Norden weht,
indem die Kälte dieses Windes ihn durchdringender macht, so daſs
der Stahl, den man darin löscht, fester wird und besser seine Wir-
kung thut.

Von diesem Wasser nimmt man das sechs-, sieben-, acht- oder
neunfache von dem Gewicht des Stahls. Man thut es in das Gefäſs,
in welchem man den Stahl, den man langsam bis zur Kirschröte er-
hitzt hat, ablöscht, und man taucht ihn dabei so tief ein, daſs, bis
er kalt geworden ist, weder Wind noch Luft hinzutreten können.
Alsdann putzt und reinigt man ihn mit Sand oder Lösche, so daſs
er weiſs wird und alle Schuppen davon entfernt werden. Sobald die
Feder so gehärtet und gereinigt ist, bringt man sie auf das Feuer und
läſst sie vorsichtig an, bis gelbe, rothe, violette, wasserblaue und schwarz-
graue Anlauffarben erscheinen. Sobald diese Farbe sich zeigt, nimmt
man das Feuer oben weg und fährt mit einem Holz darüber, wie ich
es bei dem Stahl von Piemont erwähnt habe. Wenn dieses Holz oder
Späne anbrennen, so nimmt man ein frisches Hammels-, Ziegen-
oder Ochsenhorn und streicht damit über die Feder hin; oder
auch wohl Öl, Inschlitt oder anderes Fett und bringt es dann wieder
ein wenig auf das Feuer. Wenn man Öl oder Fett nimmt, so läſst
man dies flammen und brennt es auf der Feder ab und sieht zu,
ob das Holz, mit dem man es reibt, anbrennt; wenn dies erreicht ist,
so hat man nichts weiter zu thun, als die Feder kalt werden zu lassen.
Man kann wohl auch die Federn in dem Wasser der Schmiede oder
eines Flusses oder auch in Quell- und Brunnenwasser ablöschen. Wenn
man es aber in Quell- oder Brunnenwasser, welches zu kalt wäre, ab-
löscht, so muſs man dieses erst in ein Gefäſs thun, worin man es
mit einem Stock oder mit der Hand schlagen kann, um es weich zu
machen; denn wenn man dies nicht thut, so springen die Federn

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[1017/1039] Die Stahlfabrikation im 17. Jahrhundert. nicht mehr erweicht, obgleich einige anderer Ansicht sind. Hat man ihn zu heiſs gelöscht und er erweist sich als nicht gut, so wird nie mehr etwas aus ihm, hat man ihn aber zu kalt gelöscht und er erweist sich nicht gut, so kann man ihn ein zweitesmal besser machen. Manche sind der Meinung, daſs, um Federn aus deutschem Stahl zu härten, das beste und natürlichste Wasser, der Tau im Monat Mai, den man am Morgen bei Sonnenaufgang an höhergelegenen Plätzen vom Korn oder anderen Gräsern sammelt, ist; denn er ist weniger erdig, feiner und wirksamer, indem alle Planeten zu dieser Zeit die gröſste Kraft besitzen; und daſs er noch wirkungsvoller ist, wenn zur Zeit, wo man ihn sammelt, der Wind vom Norden weht, indem die Kälte dieses Windes ihn durchdringender macht, so daſs der Stahl, den man darin löscht, fester wird und besser seine Wir- kung thut. Von diesem Wasser nimmt man das sechs-, sieben-, acht- oder neunfache von dem Gewicht des Stahls. Man thut es in das Gefäſs, in welchem man den Stahl, den man langsam bis zur Kirschröte er- hitzt hat, ablöscht, und man taucht ihn dabei so tief ein, daſs, bis er kalt geworden ist, weder Wind noch Luft hinzutreten können. Alsdann putzt und reinigt man ihn mit Sand oder Lösche, so daſs er weiſs wird und alle Schuppen davon entfernt werden. Sobald die Feder so gehärtet und gereinigt ist, bringt man sie auf das Feuer und läſst sie vorsichtig an, bis gelbe, rothe, violette, wasserblaue und schwarz- graue Anlauffarben erscheinen. Sobald diese Farbe sich zeigt, nimmt man das Feuer oben weg und fährt mit einem Holz darüber, wie ich es bei dem Stahl von Piemont erwähnt habe. Wenn dieses Holz oder Späne anbrennen, so nimmt man ein frisches Hammels-, Ziegen- oder Ochsenhorn und streicht damit über die Feder hin; oder auch wohl Öl, Inschlitt oder anderes Fett und bringt es dann wieder ein wenig auf das Feuer. Wenn man Öl oder Fett nimmt, so läſst man dies flammen und brennt es auf der Feder ab und sieht zu, ob das Holz, mit dem man es reibt, anbrennt; wenn dies erreicht ist, so hat man nichts weiter zu thun, als die Feder kalt werden zu lassen. Man kann wohl auch die Federn in dem Wasser der Schmiede oder eines Flusses oder auch in Quell- und Brunnenwasser ablöschen. Wenn man es aber in Quell- oder Brunnenwasser, welches zu kalt wäre, ab- löscht, so muſs man dieses erst in ein Gefäſs thun, worin man es mit einem Stock oder mit der Hand schlagen kann, um es weich zu machen; denn wenn man dies nicht thut, so springen die Federn

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 1017. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/1039>, abgerufen am 03.07.2024.