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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Steiermark im 17. Jahrhundert.
hatten, waren unzufrieden mit dem Geschäft, wie mit der kaiserlichen
Regierung. Der Bankrott drohte von neuem, so dass der Kaiser ge-
zwungen war, im Jahre 1669 abermals eine Hofkommission nach
Steiermark zu entsenden. Diese wusste keine anderen Vorschläge zu
machen, als eine noch kompliziertere Oberverwaltung einzuführen.
Sie erliess ein "Additionale" zu der Kapitulation von 1665, wodurch
die ganze Hauptgewerkschaft der Administration des "Oberkammer-
grafenamtes" unterstellt wurde. Diese hohe Behörde leistete aber noch
weniger und opferte die Interessen der Beteiligten vollständig denen
des Staates. 29 Jahre hindurch bekamen die Gewerken gar nichts,
später nur höchst armselige Dividenden. Dafür wurde eine cassa
pauperum errichtet, aus welcher den verarmten Gewerken zeitweise
ein Almosen verabreicht wurde. Aber es wurde als schimpflich ange-
sehen, aus dieser Kasse Geld für den Betrieb zu entnehmen, obgleich
[Abbildung] Fig. 229.
sie doch aus der Tasche der Gewerken und für dieselben gegründet
war. Die grössten Gewerken waren dadurch in der übelsten Lage.
Der Widmungszwang bestand dabei ungeändert fort. Dieser Zustand
dauerte bis zur Zeit Josephs II.

Von den Kammergrafen im 17. Jahrhundert nennen wir Ludwig
Anreiter von Zirnfeld
, welcher im Jahre 1686, während der Be-
lagerung von Wien durch die Türken, das Bergvolk zum Aufgebot
organisierte und die Verteidigung der steirischen Berge gegen die
auch in Steiermark hineinstreifenden Türken leitete.

Nach wie vor bestanden in Vordernberg 14 Radwerke und es
ist von Interesse, aus den Original-Pflockbüchern vom Jahre 1666
zu ersehen, dass die Radwerkszeichen schon damals fast die-
selben waren, wie hundert Jahre später. Fig. 229 stellt diese wohl
in die ältesten Zeiten zurückreichenden Eisenzeichen oder Schutz-
marken dar.


Beck, Geschichte des Eisens. 66

Steiermark im 17. Jahrhundert.
hatten, waren unzufrieden mit dem Geschäft, wie mit der kaiserlichen
Regierung. Der Bankrott drohte von neuem, so daſs der Kaiser ge-
zwungen war, im Jahre 1669 abermals eine Hofkommission nach
Steiermark zu entsenden. Diese wuſste keine anderen Vorschläge zu
machen, als eine noch kompliziertere Oberverwaltung einzuführen.
Sie erlieſs ein „Additionale“ zu der Kapitulation von 1665, wodurch
die ganze Hauptgewerkschaft der Administration des „Oberkammer-
grafenamtes“ unterstellt wurde. Diese hohe Behörde leistete aber noch
weniger und opferte die Interessen der Beteiligten vollständig denen
des Staates. 29 Jahre hindurch bekamen die Gewerken gar nichts,
später nur höchst armselige Dividenden. Dafür wurde eine cassa
pauperum errichtet, aus welcher den verarmten Gewerken zeitweise
ein Almosen verabreicht wurde. Aber es wurde als schimpflich ange-
sehen, aus dieser Kasse Geld für den Betrieb zu entnehmen, obgleich
[Abbildung] Fig. 229.
sie doch aus der Tasche der Gewerken und für dieselben gegründet
war. Die gröſsten Gewerken waren dadurch in der übelsten Lage.
Der Widmungszwang bestand dabei ungeändert fort. Dieser Zustand
dauerte bis zur Zeit Josephs II.

Von den Kammergrafen im 17. Jahrhundert nennen wir Ludwig
Anreiter von Zirnfeld
, welcher im Jahre 1686, während der Be-
lagerung von Wien durch die Türken, das Bergvolk zum Aufgebot
organisierte und die Verteidigung der steirischen Berge gegen die
auch in Steiermark hineinstreifenden Türken leitete.

Nach wie vor bestanden in Vordernberg 14 Radwerke und es
ist von Interesse, aus den Original-Pflockbüchern vom Jahre 1666
zu ersehen, daſs die Radwerkszeichen schon damals fast die-
selben waren, wie hundert Jahre später. Fig. 229 stellt diese wohl
in die ältesten Zeiten zurückreichenden Eisenzeichen oder Schutz-
marken dar.


Beck, Geschichte des Eisens. 66
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[1041/1063] Steiermark im 17. Jahrhundert. hatten, waren unzufrieden mit dem Geschäft, wie mit der kaiserlichen Regierung. Der Bankrott drohte von neuem, so daſs der Kaiser ge- zwungen war, im Jahre 1669 abermals eine Hofkommission nach Steiermark zu entsenden. Diese wuſste keine anderen Vorschläge zu machen, als eine noch kompliziertere Oberverwaltung einzuführen. Sie erlieſs ein „Additionale“ zu der Kapitulation von 1665, wodurch die ganze Hauptgewerkschaft der Administration des „Oberkammer- grafenamtes“ unterstellt wurde. Diese hohe Behörde leistete aber noch weniger und opferte die Interessen der Beteiligten vollständig denen des Staates. 29 Jahre hindurch bekamen die Gewerken gar nichts, später nur höchst armselige Dividenden. Dafür wurde eine cassa pauperum errichtet, aus welcher den verarmten Gewerken zeitweise ein Almosen verabreicht wurde. Aber es wurde als schimpflich ange- sehen, aus dieser Kasse Geld für den Betrieb zu entnehmen, obgleich [Abbildung Fig. 229.] sie doch aus der Tasche der Gewerken und für dieselben gegründet war. Die gröſsten Gewerken waren dadurch in der übelsten Lage. Der Widmungszwang bestand dabei ungeändert fort. Dieser Zustand dauerte bis zur Zeit Josephs II. Von den Kammergrafen im 17. Jahrhundert nennen wir Ludwig Anreiter von Zirnfeld, welcher im Jahre 1686, während der Be- lagerung von Wien durch die Türken, das Bergvolk zum Aufgebot organisierte und die Verteidigung der steirischen Berge gegen die auch in Steiermark hineinstreifenden Türken leitete. Nach wie vor bestanden in Vordernberg 14 Radwerke und es ist von Interesse, aus den Original-Pflockbüchern vom Jahre 1666 zu ersehen, daſs die Radwerkszeichen schon damals fast die- selben waren, wie hundert Jahre später. Fig. 229 stellt diese wohl in die ältesten Zeiten zurückreichenden Eisenzeichen oder Schutz- marken dar. Beck, Geschichte des Eisens. 66

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 1041. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/1063>, abgerufen am 22.11.2024.