haben. Mit demselben Bitumen kochen die, denen das Holz fehlt, ihre Speisen, heizen damit die warmen Stuben, in denen sie im Winter ihr Leben verbringen, und brennen damit Kalk, den bösen Geruch aber vertreiben sie meistens mit Salz, das sie in das Feuer werfen. Die Bauern streichen damit (mit dem daraus gewonnenen Teer) die Weinstöcke an, damit dadurch die Würmer, welche die jungen Triebe abnagen, getötet werden. Derselben heilsamen Wirkung wegen bestreichen sie sich zuweilen die Augenlider und Haare damit. Als Medizin aber wirkt es austrocknend und abführend. Aus dem harten, glänzenden aber macht man menschliche Figuren: kleine Kugeln, an denen man die Gebete abzählt (am Rosenkranze), Edel- steine für Ringe und Knöpfe für die Geldtäschchen. Dieses wird in unsrer Zeit "Gagat" genannt.
Im allgemeinen war aber die Verwendung der Steinkohlen zu Anfang des 16. Jahrhunderts noch eine sehr geringe und auf die Gegenden, wo Steinkohle auf Tagebau gewonnen werden konnte, beschränkte. Doch beginnt in dieser Periode die Steinkohle Export- artikel zu werden. Zunächst in England, wo sich die Ausfuhr von Newcastle aus nicht auf den Handel mit London beschränkte, sondern Steinkohlen auch nach Schottland, ja sogar bereits nach Holland, Hamburg und Dänemark verladen wurden. Lüttich handelte mit Steinkohlen. Auch auf dem Rheine fing man an, Steinkohlen zu ver- schiffen. 1545 ging ein Schiff mit Eisen von einem badischen Hütten- werke nach der Grafschaft Berg und brachte als Rückfracht Stein- kohlen zurück, die wie Holz verzollt wurden 1).
War die Bedeutung der Steinkohle für die Metallurgie im 16. Jahr- hundert nur eine sehr geringe, so war die des Torfes fast gleich null. Die Verwendung des Torfes für den Hausbrand war freilich in Deutschland längst gebräuchlich. Friesland und Holland sind die klassischen Länder dafür. Schon Plinius erzählt von den alten Bewohnern Frieslands, den Chauken 2), dass sie eine lehmige Erde mit den Händen zusammenballten, an der Sonne oder mehr noch durch den Wind trocknen liessen und damit sowohl ihre Speisen kochten als ihre Behausungen erwärmten. Die frühesten Nachrichten über Torfgräbereien stammen aus dem 12. Jahrhundert 3). Ein Abt Ludolf erlaubte im Jahre 1113 einem Nonnenkloster in der Nähe von Utrecht, auf einem Teile seiner Torfmoore (vena vom altfrie-
1) Siehe Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheines XII, 386 etc.
2) Siehe Plinius, Hist. nat. XVI, 1.
3) Siehe Beckmann, Beiträge zur Geschichte der Erfindungen IV, 395.
Holzverkohlung, Steinkohlen und Torf.
haben. Mit demselben Bitumen kochen die, denen das Holz fehlt, ihre Speisen, heizen damit die warmen Stuben, in denen sie im Winter ihr Leben verbringen, und brennen damit Kalk, den bösen Geruch aber vertreiben sie meistens mit Salz, das sie in das Feuer werfen. Die Bauern streichen damit (mit dem daraus gewonnenen Teer) die Weinstöcke an, damit dadurch die Würmer, welche die jungen Triebe abnagen, getötet werden. Derselben heilsamen Wirkung wegen bestreichen sie sich zuweilen die Augenlider und Haare damit. Als Medizin aber wirkt es austrocknend und abführend. Aus dem harten, glänzenden aber macht man menschliche Figuren: kleine Kugeln, an denen man die Gebete abzählt (am Rosenkranze), Edel- steine für Ringe und Knöpfe für die Geldtäschchen. Dieses wird in unsrer Zeit „Gagat“ genannt.
Im allgemeinen war aber die Verwendung der Steinkohlen zu Anfang des 16. Jahrhunderts noch eine sehr geringe und auf die Gegenden, wo Steinkohle auf Tagebau gewonnen werden konnte, beschränkte. Doch beginnt in dieser Periode die Steinkohle Export- artikel zu werden. Zunächst in England, wo sich die Ausfuhr von Newcastle aus nicht auf den Handel mit London beschränkte, sondern Steinkohlen auch nach Schottland, ja sogar bereits nach Holland, Hamburg und Dänemark verladen wurden. Lüttich handelte mit Steinkohlen. Auch auf dem Rheine fing man an, Steinkohlen zu ver- schiffen. 1545 ging ein Schiff mit Eisen von einem badischen Hütten- werke nach der Grafschaft Berg und brachte als Rückfracht Stein- kohlen zurück, die wie Holz verzollt wurden 1).
War die Bedeutung der Steinkohle für die Metallurgie im 16. Jahr- hundert nur eine sehr geringe, so war die des Torfes fast gleich null. Die Verwendung des Torfes für den Hausbrand war freilich in Deutschland längst gebräuchlich. Friesland und Holland sind die klassischen Länder dafür. Schon Plinius erzählt von den alten Bewohnern Frieslands, den Chauken 2), daſs sie eine lehmige Erde mit den Händen zusammenballten, an der Sonne oder mehr noch durch den Wind trocknen lieſsen und damit sowohl ihre Speisen kochten als ihre Behausungen erwärmten. Die frühesten Nachrichten über Torfgräbereien stammen aus dem 12. Jahrhundert 3). Ein Abt Ludolf erlaubte im Jahre 1113 einem Nonnenkloster in der Nähe von Utrecht, auf einem Teile seiner Torfmoore (vena vom altfrie-
1) Siehe Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheines XII, 386 etc.
2) Siehe Plinius, Hist. nat. XVI, 1.
3) Siehe Beckmann, Beiträge zur Geschichte der Erfindungen IV, 395.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0125"n="105"/><fwplace="top"type="header">Holzverkohlung, Steinkohlen und Torf.</fw><lb/>
haben. Mit demselben Bitumen kochen die, denen das Holz fehlt,<lb/>
ihre Speisen, heizen damit die warmen Stuben, in denen sie im<lb/>
Winter ihr Leben verbringen, und brennen damit Kalk, den bösen<lb/>
Geruch aber vertreiben sie meistens mit Salz, das sie in das Feuer<lb/>
werfen. Die Bauern streichen damit (mit dem daraus gewonnenen<lb/>
Teer) die Weinstöcke an, damit dadurch die Würmer, welche die<lb/>
jungen Triebe abnagen, getötet werden. Derselben heilsamen Wirkung<lb/>
wegen bestreichen sie sich zuweilen die Augenlider und Haare damit.<lb/>
Als Medizin aber wirkt es austrocknend und abführend. Aus dem<lb/>
harten, glänzenden aber macht man menschliche Figuren: kleine<lb/>
Kugeln, an denen man die Gebete abzählt (am Rosenkranze), Edel-<lb/>
steine für Ringe und Knöpfe für die Geldtäschchen. Dieses wird in<lb/>
unsrer Zeit „Gagat“ genannt.</p><lb/><p>Im allgemeinen war aber die Verwendung der Steinkohlen zu<lb/>
Anfang des 16. Jahrhunderts noch eine sehr geringe und auf die<lb/>
Gegenden, wo Steinkohle auf Tagebau gewonnen werden konnte,<lb/>
beschränkte. Doch beginnt in dieser Periode die Steinkohle Export-<lb/>
artikel zu werden. Zunächst in England, wo sich die Ausfuhr von<lb/>
Newcastle aus nicht auf den Handel mit London beschränkte, sondern<lb/>
Steinkohlen auch nach Schottland, ja sogar bereits nach Holland,<lb/>
Hamburg und Dänemark verladen wurden. Lüttich handelte mit<lb/>
Steinkohlen. Auch auf dem Rheine fing man an, Steinkohlen zu ver-<lb/>
schiffen. 1545 ging ein Schiff mit Eisen von einem badischen Hütten-<lb/>
werke nach der Grafschaft Berg und brachte als Rückfracht Stein-<lb/>
kohlen zurück, die wie Holz verzollt wurden <noteplace="foot"n="1)">Siehe Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheines XII, 386 etc.</note>.</p><lb/><p>War die Bedeutung der Steinkohle für die Metallurgie im 16. Jahr-<lb/>
hundert nur eine sehr geringe, so war die des <hirendition="#g">Torfes</hi> fast gleich<lb/>
null. Die Verwendung des Torfes für den Hausbrand war freilich in<lb/>
Deutschland längst gebräuchlich. Friesland und Holland sind die<lb/>
klassischen Länder dafür. Schon <hirendition="#g">Plinius</hi> erzählt von den alten<lb/>
Bewohnern Frieslands, den Chauken <noteplace="foot"n="2)">Siehe<lb/><hirendition="#g">Plinius</hi>, Hist. nat. XVI, 1.</note>, daſs sie eine lehmige Erde<lb/>
mit den Händen zusammenballten, an der Sonne oder mehr noch<lb/>
durch den Wind trocknen lieſsen und damit sowohl ihre Speisen<lb/>
kochten als ihre Behausungen erwärmten. Die frühesten Nachrichten<lb/>
über Torfgräbereien stammen aus dem 12. Jahrhundert <noteplace="foot"n="3)">Siehe <hirendition="#g">Beckmann</hi>, Beiträge zur Geschichte<lb/>
der Erfindungen IV, 395.</note>. Ein Abt<lb/>
Ludolf erlaubte im Jahre 1113 einem Nonnenkloster in der Nähe<lb/>
von Utrecht, auf einem Teile seiner Torfmoore (vena vom altfrie-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[105/0125]
Holzverkohlung, Steinkohlen und Torf.
haben. Mit demselben Bitumen kochen die, denen das Holz fehlt,
ihre Speisen, heizen damit die warmen Stuben, in denen sie im
Winter ihr Leben verbringen, und brennen damit Kalk, den bösen
Geruch aber vertreiben sie meistens mit Salz, das sie in das Feuer
werfen. Die Bauern streichen damit (mit dem daraus gewonnenen
Teer) die Weinstöcke an, damit dadurch die Würmer, welche die
jungen Triebe abnagen, getötet werden. Derselben heilsamen Wirkung
wegen bestreichen sie sich zuweilen die Augenlider und Haare damit.
Als Medizin aber wirkt es austrocknend und abführend. Aus dem
harten, glänzenden aber macht man menschliche Figuren: kleine
Kugeln, an denen man die Gebete abzählt (am Rosenkranze), Edel-
steine für Ringe und Knöpfe für die Geldtäschchen. Dieses wird in
unsrer Zeit „Gagat“ genannt.
Im allgemeinen war aber die Verwendung der Steinkohlen zu
Anfang des 16. Jahrhunderts noch eine sehr geringe und auf die
Gegenden, wo Steinkohle auf Tagebau gewonnen werden konnte,
beschränkte. Doch beginnt in dieser Periode die Steinkohle Export-
artikel zu werden. Zunächst in England, wo sich die Ausfuhr von
Newcastle aus nicht auf den Handel mit London beschränkte, sondern
Steinkohlen auch nach Schottland, ja sogar bereits nach Holland,
Hamburg und Dänemark verladen wurden. Lüttich handelte mit
Steinkohlen. Auch auf dem Rheine fing man an, Steinkohlen zu ver-
schiffen. 1545 ging ein Schiff mit Eisen von einem badischen Hütten-
werke nach der Grafschaft Berg und brachte als Rückfracht Stein-
kohlen zurück, die wie Holz verzollt wurden 1).
War die Bedeutung der Steinkohle für die Metallurgie im 16. Jahr-
hundert nur eine sehr geringe, so war die des Torfes fast gleich
null. Die Verwendung des Torfes für den Hausbrand war freilich in
Deutschland längst gebräuchlich. Friesland und Holland sind die
klassischen Länder dafür. Schon Plinius erzählt von den alten
Bewohnern Frieslands, den Chauken 2), daſs sie eine lehmige Erde
mit den Händen zusammenballten, an der Sonne oder mehr noch
durch den Wind trocknen lieſsen und damit sowohl ihre Speisen
kochten als ihre Behausungen erwärmten. Die frühesten Nachrichten
über Torfgräbereien stammen aus dem 12. Jahrhundert 3). Ein Abt
Ludolf erlaubte im Jahre 1113 einem Nonnenkloster in der Nähe
von Utrecht, auf einem Teile seiner Torfmoore (vena vom altfrie-
1) Siehe Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheines XII, 386 etc.
2) Siehe
Plinius, Hist. nat. XVI, 1.
3) Siehe Beckmann, Beiträge zur Geschichte
der Erfindungen IV, 395.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/125>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.