fliesst, dabei hart ist und sich doch leicht strecken lässt. Es ist dies hartes, stahlartiges Stückofen- oder Renneisen. Solches Eisen soll glühend in kleine Stücke zerschlagen, mit zerkleinerten, leicht- flüssigen Zuschlägen vermischt, in einem kleinen Herde oder Tiegel aus Lösche von 11/2 Fuss Weite und 1 Fuss Tiefe vor dem Winde niedergeschmolzen werden. Die Form erhält dabei eine so geneigte Lage, dass der Wind die Mitte des Tiegels trifft. Der Prozess wird in der Weise eingeleitet, dass der Tiegel mit Kohle gefüllt und diese noch hochgehäuft über denselben gefüllt werden. Um dieselben zusammen- zuhalten, wird ein Kranz von Bruchsteinen um dieselben herum- gesetzt. Sind die Kohlen durchgebrannt und der Tiegel vorgewärmt, so wird der Wind angelassen und die Mischung von Eisen und Flussstein (ferri et lapidis liquescentis mixturam) oben aufgegeben. Hierdurch entsteht ein flüssiges Bad im Schmelzherde. Ist dies ge- bildet, so werden vier Eisenluppen von je 15 kg Gewicht eingesetzt und in dasselbe eingetaucht. Man lässt sie fünf bis sechs Stunden schmelzen, und wird währenddem mit einer Krücke das flüssige Eisen öfter umgerührt, damit die Poren der Luppen die zartesten Teile aus dem Bade einsaugen. Hierbei erweicht sie sich wie ein Hefenteig. Alsdann zieht sie der Meister mit Hilfe des Vorläufers heraus, schmiedet sie zu Stäben aus, die er noch heiss in das Wasser wirft und sie so ablöscht. Die Stangen werden unter dem Hammer in Stücke zer- brochen und diese nach ihrer Härte und Stahlnatur sortiert. In gleicher Weise verfährt er mit allen vier Luppen. Sind sie alle ver- schmiedet, so giebt er, um den Abgang und das Bad zu erneuern, wieder von der Mischung von Eisen und Flussstein auf und der Prozess beginnt von neuem.
Ganz ähnlich lautet Biringuccios viel ausführlichere Be- schreibung von der Stahlbereitung. Er bringt dieselbe bereits im ersten Buche seiner Pyrotechnia, nachdem er zuvor im sechsten Kapitel von den Eisenerzen gehandelt und hierbei bereits hervor- gehoben hat, dass, obgleich gewisse Erze sich mehr zur Stahlerzeugung eignen als andere, man doch nicht annehmen dürfe, dass das Eisen im Erze bereits verschiedener Natur sei, dass vielmehr der landläufige Ausdruck "Stahlerz" in diesem Sinne ein unsinniger sei. Hierauf fährt er mit dem siebenten Kapitel folgendermassen fort: "Obwohl es scheinen könnte, dass man diesen Gegenstand mehr im neunten Buche suchen sollte, wo ich von der Schmelzung des Eisens reden will und im einzelnen hierüber zu handeln gedenke, so hat es mir doch gut geschienen, weil die Stahlbereitung gewissermassen ein Zweig
Stahlbereitung im 16. Jahrhundert.
flieſst, dabei hart ist und sich doch leicht strecken läſst. Es ist dies hartes, stahlartiges Stückofen- oder Renneisen. Solches Eisen soll glühend in kleine Stücke zerschlagen, mit zerkleinerten, leicht- flüssigen Zuschlägen vermischt, in einem kleinen Herde oder Tiegel aus Lösche von 1½ Fuſs Weite und 1 Fuſs Tiefe vor dem Winde niedergeschmolzen werden. Die Form erhält dabei eine so geneigte Lage, daſs der Wind die Mitte des Tiegels trifft. Der Prozeſs wird in der Weise eingeleitet, daſs der Tiegel mit Kohle gefüllt und diese noch hochgehäuft über denselben gefüllt werden. Um dieselben zusammen- zuhalten, wird ein Kranz von Bruchsteinen um dieselben herum- gesetzt. Sind die Kohlen durchgebrannt und der Tiegel vorgewärmt, so wird der Wind angelassen und die Mischung von Eisen und Fluſsstein (ferri et lapidis liquescentis mixturam) oben aufgegeben. Hierdurch entsteht ein flüssiges Bad im Schmelzherde. Ist dies ge- bildet, so werden vier Eisenluppen von je 15 kg Gewicht eingesetzt und in dasſelbe eingetaucht. Man läſst sie fünf bis sechs Stunden schmelzen, und wird währenddem mit einer Krücke das flüssige Eisen öfter umgerührt, damit die Poren der Luppen die zartesten Teile aus dem Bade einsaugen. Hierbei erweicht sie sich wie ein Hefenteig. Alsdann zieht sie der Meister mit Hilfe des Vorläufers heraus, schmiedet sie zu Stäben aus, die er noch heiſs in das Wasser wirft und sie so ablöscht. Die Stangen werden unter dem Hammer in Stücke zer- brochen und diese nach ihrer Härte und Stahlnatur sortiert. In gleicher Weise verfährt er mit allen vier Luppen. Sind sie alle ver- schmiedet, so giebt er, um den Abgang und das Bad zu erneuern, wieder von der Mischung von Eisen und Fluſsstein auf und der Prozeſs beginnt von neuem.
Ganz ähnlich lautet Biringuccios viel ausführlichere Be- schreibung von der Stahlbereitung. Er bringt dieselbe bereits im ersten Buche seiner Pyrotechnia, nachdem er zuvor im sechsten Kapitel von den Eisenerzen gehandelt und hierbei bereits hervor- gehoben hat, daſs, obgleich gewisse Erze sich mehr zur Stahlerzeugung eignen als andere, man doch nicht annehmen dürfe, daſs das Eisen im Erze bereits verschiedener Natur sei, daſs vielmehr der landläufige Ausdruck „Stahlerz“ in diesem Sinne ein unsinniger sei. Hierauf fährt er mit dem siebenten Kapitel folgendermaſsen fort: „Obwohl es scheinen könnte, daſs man diesen Gegenstand mehr im neunten Buche suchen sollte, wo ich von der Schmelzung des Eisens reden will und im einzelnen hierüber zu handeln gedenke, so hat es mir doch gut geschienen, weil die Stahlbereitung gewissermaſsen ein Zweig
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Stahlbereitung im 16. Jahrhundert.
flieſst, dabei hart ist und sich doch leicht strecken läſst. Es ist dies
hartes, stahlartiges Stückofen- oder Renneisen. Solches Eisen soll
glühend in kleine Stücke zerschlagen, mit zerkleinerten, leicht-
flüssigen Zuschlägen vermischt, in einem kleinen Herde oder Tiegel
aus Lösche von 1½ Fuſs Weite und 1 Fuſs Tiefe vor dem Winde
niedergeschmolzen werden. Die Form erhält dabei eine so geneigte
Lage, daſs der Wind die Mitte des Tiegels trifft. Der Prozeſs wird in
der Weise eingeleitet, daſs der Tiegel mit Kohle gefüllt und diese noch
hochgehäuft über denselben gefüllt werden. Um dieselben zusammen-
zuhalten, wird ein Kranz von Bruchsteinen um dieselben herum-
gesetzt. Sind die Kohlen durchgebrannt und der Tiegel vorgewärmt,
so wird der Wind angelassen und die Mischung von Eisen und
Fluſsstein (ferri et lapidis liquescentis mixturam) oben aufgegeben.
Hierdurch entsteht ein flüssiges Bad im Schmelzherde. Ist dies ge-
bildet, so werden vier Eisenluppen von je 15 kg Gewicht eingesetzt
und in dasſelbe eingetaucht. Man läſst sie fünf bis sechs Stunden
schmelzen, und wird währenddem mit einer Krücke das flüssige Eisen
öfter umgerührt, damit die Poren der Luppen die zartesten Teile aus
dem Bade einsaugen. Hierbei erweicht sie sich wie ein Hefenteig.
Alsdann zieht sie der Meister mit Hilfe des Vorläufers heraus, schmiedet
sie zu Stäben aus, die er noch heiſs in das Wasser wirft und sie so
ablöscht. Die Stangen werden unter dem Hammer in Stücke zer-
brochen und diese nach ihrer Härte und Stahlnatur sortiert. In
gleicher Weise verfährt er mit allen vier Luppen. Sind sie alle ver-
schmiedet, so giebt er, um den Abgang und das Bad zu erneuern,
wieder von der Mischung von Eisen und Fluſsstein auf und der Prozeſs
beginnt von neuem.
Ganz ähnlich lautet Biringuccios viel ausführlichere Be-
schreibung von der Stahlbereitung. Er bringt dieselbe bereits im
ersten Buche seiner Pyrotechnia, nachdem er zuvor im sechsten
Kapitel von den Eisenerzen gehandelt und hierbei bereits hervor-
gehoben hat, daſs, obgleich gewisse Erze sich mehr zur Stahlerzeugung
eignen als andere, man doch nicht annehmen dürfe, daſs das Eisen
im Erze bereits verschiedener Natur sei, daſs vielmehr der landläufige
Ausdruck „Stahlerz“ in diesem Sinne ein unsinniger sei. Hierauf
fährt er mit dem siebenten Kapitel folgendermaſsen fort: „Obwohl
es scheinen könnte, daſs man diesen Gegenstand mehr im neunten
Buche suchen sollte, wo ich von der Schmelzung des Eisens reden
will und im einzelnen hierüber zu handeln gedenke, so hat es mir
doch gut geschienen, weil die Stahlbereitung gewissermaſsen ein Zweig
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/268>, abgerufen am 22.11.2024.
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