der im obigen Kapitel behandelten Eisenbereitung ist, es nicht zu weit davon zu trennen, auf dass es nicht wie eine andere Sache er- schiene.
Aus diesem Grunde habe ich davon schreiben wollen, dass der Stahl nichts anderes sei, als dasselbe Eisen, nur mittels besonderer Kunst zubereitet und durch vieles Auskochen im Feuer (decottion del fuoco) zu einer vollkommenen Mischung gebracht und zu Eigen- schaften, die es zuvor nicht besass, sowie durch die Hinzufügung ge- eigneter Stoffe seine von Natur trockene Beschaffenheit fettig und von einer gewissen Feuchtigkeit und hierdurch mehr weiss und dicht wird, so dass es seine frühere Natur gleichsam zu verlassen scheint, indem durch das viele Feuer seine Poren erst erweitert und erweicht werden, dann aber durch die Gewalt der Kälte des Wassers nach vertriebener Hitze sich zusammenziehen und so erst verwandelt es sich in eine harte Materie und durch die Härte wird er spröde. Man kann dies von jedem Eisenerz machen, sowie man auch von jedem fertigen Eisen Stahl machen kann. Wohl ist es wahr, dass aus dem einen ein besserer gemacht werden kann, als aus dem andern, wie auch mehr aus einer Art von Kohlen als aus der andern und wie er auch besser oder schlechter ausfallen wird, je nach dem Verständnis der Meister.
Das beste Eisen, ihn gut zu machen, ist das, welches keinerlei Verderbnis durch andere Metalle in sich hat, welches mehr zum Schmelzen geneigt ist und mehr Härte besitzt als ein anderes. Mit solchem Eisen bringt man geriebenen Marmor oder andere Flusssteine, um es zu schmelzen, zusammen, welche die Kraft haben, seine Eisen- natur aufzuheben und seine Porosität zusammenzuziehen, dass es da- durch dicht und feinkörnig (frei von Blättern) werde. Also nehmen die Meister, wenn sie solche Arbeit vornehmen wollen, von dem (Roh-) Eisen, welches durch den Schmelzofen gegangen oder auf andere Weise bereitet ist, diejenige Quantität, welche sie in Stahl verwandeln wollen, und brechen es in kleine Stücke. Dann machen sie an der Esse vor dem Windloche einen runden Tiegel, der eine halbe Elle im Durchmesser hat und zu einem Dritteil aus Thon und zu zwei Dritteilen aus Kohlen, welche mit einem Hammer zerklopft und gut gemischt sind, gemacht ist. Diese Masse wird mit so viel Wasser, als er, wenn man ihn in der Faust zusammendrückt, zurückhält, an- gefeuchtet. Wenn man diesen Tiegel so gemacht hat, ähnlich einer Urne (ceneraccio statt cenerario = Aschenkrug, Totenurne), aber mit mehr Tiefe, so bringt man die Windöffnung in der Mitte so an, dass
Stahlbereitung im 16. Jahrhundert.
der im obigen Kapitel behandelten Eisenbereitung ist, es nicht zu weit davon zu trennen, auf daſs es nicht wie eine andere Sache er- schiene.
Aus diesem Grunde habe ich davon schreiben wollen, daſs der Stahl nichts anderes sei, als dasſelbe Eisen, nur mittels besonderer Kunst zubereitet und durch vieles Auskochen im Feuer (decottion del fuoco) zu einer vollkommenen Mischung gebracht und zu Eigen- schaften, die es zuvor nicht besaſs, sowie durch die Hinzufügung ge- eigneter Stoffe seine von Natur trockene Beschaffenheit fettig und von einer gewissen Feuchtigkeit und hierdurch mehr weiſs und dicht wird, so daſs es seine frühere Natur gleichsam zu verlassen scheint, indem durch das viele Feuer seine Poren erst erweitert und erweicht werden, dann aber durch die Gewalt der Kälte des Wassers nach vertriebener Hitze sich zusammenziehen und so erst verwandelt es sich in eine harte Materie und durch die Härte wird er spröde. Man kann dies von jedem Eisenerz machen, sowie man auch von jedem fertigen Eisen Stahl machen kann. Wohl ist es wahr, daſs aus dem einen ein besserer gemacht werden kann, als aus dem andern, wie auch mehr aus einer Art von Kohlen als aus der andern und wie er auch besser oder schlechter ausfallen wird, je nach dem Verständnis der Meister.
Das beste Eisen, ihn gut zu machen, ist das, welches keinerlei Verderbnis durch andere Metalle in sich hat, welches mehr zum Schmelzen geneigt ist und mehr Härte besitzt als ein anderes. Mit solchem Eisen bringt man geriebenen Marmor oder andere Fluſssteine, um es zu schmelzen, zusammen, welche die Kraft haben, seine Eisen- natur aufzuheben und seine Porosität zusammenzuziehen, daſs es da- durch dicht und feinkörnig (frei von Blättern) werde. Also nehmen die Meister, wenn sie solche Arbeit vornehmen wollen, von dem (Roh-) Eisen, welches durch den Schmelzofen gegangen oder auf andere Weise bereitet ist, diejenige Quantität, welche sie in Stahl verwandeln wollen, und brechen es in kleine Stücke. Dann machen sie an der Esse vor dem Windloche einen runden Tiegel, der eine halbe Elle im Durchmesser hat und zu einem Dritteil aus Thon und zu zwei Dritteilen aus Kohlen, welche mit einem Hammer zerklopft und gut gemischt sind, gemacht ist. Diese Masse wird mit so viel Wasser, als er, wenn man ihn in der Faust zusammendrückt, zurückhält, an- gefeuchtet. Wenn man diesen Tiegel so gemacht hat, ähnlich einer Urne (ceneraccio statt cenerario = Aschenkrug, Totenurne), aber mit mehr Tiefe, so bringt man die Windöffnung in der Mitte so an, daſs
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Stahlbereitung im 16. Jahrhundert.
der im obigen Kapitel behandelten Eisenbereitung ist, es nicht zu
weit davon zu trennen, auf daſs es nicht wie eine andere Sache er-
schiene.
Aus diesem Grunde habe ich davon schreiben wollen, daſs der
Stahl nichts anderes sei, als dasſelbe Eisen, nur mittels besonderer
Kunst zubereitet und durch vieles Auskochen im Feuer (decottion
del fuoco) zu einer vollkommenen Mischung gebracht und zu Eigen-
schaften, die es zuvor nicht besaſs, sowie durch die Hinzufügung ge-
eigneter Stoffe seine von Natur trockene Beschaffenheit fettig und
von einer gewissen Feuchtigkeit und hierdurch mehr weiſs und dicht
wird, so daſs es seine frühere Natur gleichsam zu verlassen scheint,
indem durch das viele Feuer seine Poren erst erweitert und erweicht
werden, dann aber durch die Gewalt der Kälte des Wassers nach
vertriebener Hitze sich zusammenziehen und so erst verwandelt es
sich in eine harte Materie und durch die Härte wird er spröde.
Man kann dies von jedem Eisenerz machen, sowie man
auch von jedem fertigen Eisen Stahl machen kann. Wohl
ist es wahr, daſs aus dem einen ein besserer gemacht werden kann,
als aus dem andern, wie auch mehr aus einer Art von Kohlen als
aus der andern und wie er auch besser oder schlechter ausfallen
wird, je nach dem Verständnis der Meister.
Das beste Eisen, ihn gut zu machen, ist das, welches keinerlei
Verderbnis durch andere Metalle in sich hat, welches mehr zum
Schmelzen geneigt ist und mehr Härte besitzt als ein anderes. Mit
solchem Eisen bringt man geriebenen Marmor oder andere Fluſssteine,
um es zu schmelzen, zusammen, welche die Kraft haben, seine Eisen-
natur aufzuheben und seine Porosität zusammenzuziehen, daſs es da-
durch dicht und feinkörnig (frei von Blättern) werde. Also nehmen
die Meister, wenn sie solche Arbeit vornehmen wollen, von dem (Roh-)
Eisen, welches durch den Schmelzofen gegangen oder auf andere
Weise bereitet ist, diejenige Quantität, welche sie in Stahl verwandeln
wollen, und brechen es in kleine Stücke. Dann machen sie an der
Esse vor dem Windloche einen runden Tiegel, der eine halbe Elle
im Durchmesser hat und zu einem Dritteil aus Thon und zu zwei
Dritteilen aus Kohlen, welche mit einem Hammer zerklopft und gut
gemischt sind, gemacht ist. Diese Masse wird mit so viel Wasser,
als er, wenn man ihn in der Faust zusammendrückt, zurückhält, an-
gefeuchtet. Wenn man diesen Tiegel so gemacht hat, ähnlich einer
Urne (ceneraccio statt cenerario = Aschenkrug, Totenurne), aber mit
mehr Tiefe, so bringt man die Windöffnung in der Mitte so an, daſs
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/269>, abgerufen am 21.11.2024.
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