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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Die Eisengiesserei im 16. Jahrhundert.
Kanonen nicht die Sicherheit boten, wie die Bronzegeschütze, indem
sie bei starker Pulverladung leicht zerplatzten. Man goss deshalb in
der Regel nur kleine Positionsgeschütze aus Eisen, besonders Böller,
wie sie auf Stadttürmen, Wällen und Burgen aufgestellt wurden, mehr,
um Signale zu geben, als zur Verteidigung (siehe Bd. I, S. 912). Die Art
der Einformung war aber ganz die von Biringuccio beschriebene.

Alle alten Gesahütze sind über einen Kern gegossen. Das Aus-
bohren der Seele aus dem Vollen ist eine spätere Erfindung. Da-
gegen wurden die Seelen der grösseren Geschütze nachgebohrt, und
auch hierüber giebt der italienische Schriftsteller eine genaue Be-
schreibung (S. 239), auf welche wir später zurückkommen werden.

Der Guss der Metallgeschütze erfolgte aus Flammöfen, in
denen man das Kupfer und Zinn, aus denen das Kanonenmetall be-
reitet wurde, einschmolz. Was er über diese Flammöfen, die oft
schon sehr grosse Dimensionen annahmen, mitteilt, haben wir bereits
in dem Kapitel von den Öfen angeführt.

Ebenso ausführlich, wie den Geschützguss, behandelt Biringuccio
den Glockenguss. Doch wollen wir diesen, da er der Eisengiesserei
ferner liegt und um nicht zu weitläufig zu werden, übergehen. Von
grösster Wichtigkeit für uns ist aber das, was Biringuccio
(Lib. VII, Kap. IX) über den Guss eiserner Kugeln mitteilt.

Wir haben den Wortlaut dieses für die Eisengiesserei so wich-
tigen Kapitels bereits im ersten Bande (S. 945) mitgeteilt. Birin-
guccio
erklärt den Guss eiserner Kugeln für eine neue Erfindung
der Deutschen, die in Italien erst durch den Kriegszug Karls VIII.
von Frankreich gegen Neapel im Jahre 1495 bekannt geworden sei.
Seit der Zeit war sie aber zu allgemeiner Anwendung gekommen.

In etwas schwerfälliger, aber doch verständlicher Weise be-
schreibt Biringuccio das Verfahren, welches nicht darin bestand,
jede Kugel, die man giessen wollte, für sich einzuformen, sondern
sich eine metallene Kugelform, in welcher man dann beliebige Mengen
Kugeln giessen konnte, herzustellen. Zu diesem Zwecke muss man
sich zunächst ein Modell der Kugel in richtiger Grösse aus Holz oder
Lehm herstellen. Dazu macht man sich ein Formbrett mit einer Ver-
senkung, in welche gerade die eine Hälfte der Kugel hineinpasst.
Die andere Hälfte formt man dann über dem Modell und auf dem
Formbrette mit Hilfe eines Rahmens oder Formkastens mit Gips oder
feinem Lehm ab, indem man gleichzeitig den Einguss und die Wind-
pfeife mit einformt. Die so hergestellte Form giesst man nicht voll
Metall, sondern benutzt sie selbst wieder als Modell, indem man sie

Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
Kanonen nicht die Sicherheit boten, wie die Bronzegeschütze, indem
sie bei starker Pulverladung leicht zerplatzten. Man goſs deshalb in
der Regel nur kleine Positionsgeschütze aus Eisen, besonders Böller,
wie sie auf Stadttürmen, Wällen und Burgen aufgestellt wurden, mehr,
um Signale zu geben, als zur Verteidigung (siehe Bd. I, S. 912). Die Art
der Einformung war aber ganz die von Biringuccio beschriebene.

Alle alten Gesahütze sind über einen Kern gegossen. Das Aus-
bohren der Seele aus dem Vollen ist eine spätere Erfindung. Da-
gegen wurden die Seelen der gröſseren Geschütze nachgebohrt, und
auch hierüber giebt der italienische Schriftsteller eine genaue Be-
schreibung (S. 239), auf welche wir später zurückkommen werden.

Der Guſs der Metallgeschütze erfolgte aus Flammöfen, in
denen man das Kupfer und Zinn, aus denen das Kanonenmetall be-
reitet wurde, einschmolz. Was er über diese Flammöfen, die oft
schon sehr groſse Dimensionen annahmen, mitteilt, haben wir bereits
in dem Kapitel von den Öfen angeführt.

Ebenso ausführlich, wie den Geschützguſs, behandelt Biringuccio
den Glockenguſs. Doch wollen wir diesen, da er der Eisengieſserei
ferner liegt und um nicht zu weitläufig zu werden, übergehen. Von
gröſster Wichtigkeit für uns ist aber das, was Biringuccio
(Lib. VII, Kap. IX) über den Guſs eiserner Kugeln mitteilt.

Wir haben den Wortlaut dieses für die Eisengieſserei so wich-
tigen Kapitels bereits im ersten Bande (S. 945) mitgeteilt. Birin-
guccio
erklärt den Guſs eiserner Kugeln für eine neue Erfindung
der Deutschen, die in Italien erst durch den Kriegszug Karls VIII.
von Frankreich gegen Neapel im Jahre 1495 bekannt geworden sei.
Seit der Zeit war sie aber zu allgemeiner Anwendung gekommen.

In etwas schwerfälliger, aber doch verständlicher Weise be-
schreibt Biringuccio das Verfahren, welches nicht darin bestand,
jede Kugel, die man gieſsen wollte, für sich einzuformen, sondern
sich eine metallene Kugelform, in welcher man dann beliebige Mengen
Kugeln gieſsen konnte, herzustellen. Zu diesem Zwecke muſs man
sich zunächst ein Modell der Kugel in richtiger Gröſse aus Holz oder
Lehm herstellen. Dazu macht man sich ein Formbrett mit einer Ver-
senkung, in welche gerade die eine Hälfte der Kugel hineinpaſst.
Die andere Hälfte formt man dann über dem Modell und auf dem
Formbrette mit Hilfe eines Rahmens oder Formkastens mit Gips oder
feinem Lehm ab, indem man gleichzeitig den Einguſs und die Wind-
pfeife mit einformt. Die so hergestellte Form gieſst man nicht voll
Metall, sondern benutzt sie selbst wieder als Modell, indem man sie

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[286/0306] Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert. Kanonen nicht die Sicherheit boten, wie die Bronzegeschütze, indem sie bei starker Pulverladung leicht zerplatzten. Man goſs deshalb in der Regel nur kleine Positionsgeschütze aus Eisen, besonders Böller, wie sie auf Stadttürmen, Wällen und Burgen aufgestellt wurden, mehr, um Signale zu geben, als zur Verteidigung (siehe Bd. I, S. 912). Die Art der Einformung war aber ganz die von Biringuccio beschriebene. Alle alten Gesahütze sind über einen Kern gegossen. Das Aus- bohren der Seele aus dem Vollen ist eine spätere Erfindung. Da- gegen wurden die Seelen der gröſseren Geschütze nachgebohrt, und auch hierüber giebt der italienische Schriftsteller eine genaue Be- schreibung (S. 239), auf welche wir später zurückkommen werden. Der Guſs der Metallgeschütze erfolgte aus Flammöfen, in denen man das Kupfer und Zinn, aus denen das Kanonenmetall be- reitet wurde, einschmolz. Was er über diese Flammöfen, die oft schon sehr groſse Dimensionen annahmen, mitteilt, haben wir bereits in dem Kapitel von den Öfen angeführt. Ebenso ausführlich, wie den Geschützguſs, behandelt Biringuccio den Glockenguſs. Doch wollen wir diesen, da er der Eisengieſserei ferner liegt und um nicht zu weitläufig zu werden, übergehen. Von gröſster Wichtigkeit für uns ist aber das, was Biringuccio (Lib. VII, Kap. IX) über den Guſs eiserner Kugeln mitteilt. Wir haben den Wortlaut dieses für die Eisengieſserei so wich- tigen Kapitels bereits im ersten Bande (S. 945) mitgeteilt. Birin- guccio erklärt den Guſs eiserner Kugeln für eine neue Erfindung der Deutschen, die in Italien erst durch den Kriegszug Karls VIII. von Frankreich gegen Neapel im Jahre 1495 bekannt geworden sei. Seit der Zeit war sie aber zu allgemeiner Anwendung gekommen. In etwas schwerfälliger, aber doch verständlicher Weise be- schreibt Biringuccio das Verfahren, welches nicht darin bestand, jede Kugel, die man gieſsen wollte, für sich einzuformen, sondern sich eine metallene Kugelform, in welcher man dann beliebige Mengen Kugeln gieſsen konnte, herzustellen. Zu diesem Zwecke muſs man sich zunächst ein Modell der Kugel in richtiger Gröſse aus Holz oder Lehm herstellen. Dazu macht man sich ein Formbrett mit einer Ver- senkung, in welche gerade die eine Hälfte der Kugel hineinpaſst. Die andere Hälfte formt man dann über dem Modell und auf dem Formbrette mit Hilfe eines Rahmens oder Formkastens mit Gips oder feinem Lehm ab, indem man gleichzeitig den Einguſs und die Wind- pfeife mit einformt. Die so hergestellte Form gieſst man nicht voll Metall, sondern benutzt sie selbst wieder als Modell, indem man sie

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/306>, abgerufen am 23.11.2024.