aus drei geschobenen Schienen besteht. Ebenso war die Halsberge (hausse col), welche auf beiden Seiten geöffnet werden konnte, aus drei Schienen zusammengefügt. Nun folgt der eigentliche Harnisch (harnais), aus Brust- (plastron) und Rückenstück (dossiere) bestehend, die im vorliegenden Falle aus je einer Platte ausgetrieben sind. Unter dem Harnisch trug der Ritter zu weiterem Schutze einen ge- steppten Wams (gambeson) und darüber ein Panzerhemd, welches die von dem Harnisch etwa nicht bedeckten Öffnungen schützte. An den Harnisch schloss sich der Schurz (braconniere), aus Schienen ge- schoben, welcher die Lendengegend deckte, an den Vorderschurz (pansiere, braconniere) schlossen sich die ebenfalls geschobenen Schösse (Krebse, tasettes) an, die bis zu den Schenkeln reichten. Auf dem oberen Harnisch über den Schultern sassen die Achselstücke (spal- lieres) mit hohem Rande zum Schutz gegen Lanzenstösse. An die Achselstücke schloss sich das Armzeug (brassards) mit den gewölbten und ebenfalls gekehlten Meuseln (cubitiere) zum Schutze des Ell- bogens. An das Unterarmzeug waren die kunstvoll gefingerten Hand- schuhe (gantelets) angebracht. Auf der rechten Vorderseite war am Harnisch der Rüsthaken (arret) angebracht zum Einlegen der Lanze. Die Schenkel schützten die Dielinge (cuiss), oben aus zwei Schienen geschoben, dann aus einem gekehlten Stücke bis zu dem gewölbten Kniestück (genouilleres). Darauf folgten die Beinschienen (greves), in früherer Zeit aus Halbschienen, ähnlich den Schenkelstücken, in unserm Falle aber schon vollkommene Beinröhren. Die Schuhe (pedieux) sind kunstvoll geschobene "Bärenklauen".
An Stelle der einfachen "Pfeifen" traten später bei reicheren Rüstungen Facetten. Prachtvolle Rüstungen dieser Art befinden sich in der kaiserlichen Waffensammlung zu Wien.
In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts hatte die geschlossene Rüstung immerhin noch ihre Bedeutung für den Krieg gehabt, durch die zunehmende Verwendung und die Verbesserung der Feuerwaffen trat aber der Wert der geschlossenen Rüstungen für den ernsten Kampf mehr und mehr zurück, dagegen behielten sie ihre Bedeutung für den Turnierkampf, vor allem aber als Prunkgewänder der Fürsten. Infolgedessen legte man immer grösseren Wert auf die äussere Aus- schmückung der Rüstung durch Treibarbeit, Tauschierung, Damas- zierung, Vergoldung, Ätzung u. s. w. "Oft wird das ernste Waffen- kleid zu reiner Goldschmiedearbeit", sagt Semper. Diese Art von Prachtrüstungen gingen von Italien, zum Teil auch von Spanien aus, in Deutschland aber fanden sie erst ihre höchste Vollendung.
Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
aus drei geschobenen Schienen besteht. Ebenso war die Halsberge (hausse col), welche auf beiden Seiten geöffnet werden konnte, aus drei Schienen zusammengefügt. Nun folgt der eigentliche Harnisch (harnais), aus Brust- (plastron) und Rückenstück (dossière) bestehend, die im vorliegenden Falle aus je einer Platte ausgetrieben sind. Unter dem Harnisch trug der Ritter zu weiterem Schutze einen ge- steppten Wams (gambeson) und darüber ein Panzerhemd, welches die von dem Harnisch etwa nicht bedeckten Öffnungen schützte. An den Harnisch schloſs sich der Schurz (braconnière), aus Schienen ge- schoben, welcher die Lendengegend deckte, an den Vorderschurz (pansière, braconnière) schlossen sich die ebenfalls geschobenen Schöſse (Krebse, tasettes) an, die bis zu den Schenkeln reichten. Auf dem oberen Harnisch über den Schultern saſsen die Achselstücke (spal- lières) mit hohem Rande zum Schutz gegen Lanzenstöſse. An die Achselstücke schloſs sich das Armzeug (brassards) mit den gewölbten und ebenfalls gekehlten Meuseln (cubitière) zum Schutze des Ell- bogens. An das Unterarmzeug waren die kunstvoll gefingerten Hand- schuhe (gantelets) angebracht. Auf der rechten Vorderseite war am Harnisch der Rüsthaken (arrêt) angebracht zum Einlegen der Lanze. Die Schenkel schützten die Dielinge (cuiss), oben aus zwei Schienen geschoben, dann aus einem gekehlten Stücke bis zu dem gewölbten Kniestück (genouillères). Darauf folgten die Beinschienen (grèves), in früherer Zeit aus Halbschienen, ähnlich den Schenkelstücken, in unserm Falle aber schon vollkommene Beinröhren. Die Schuhe (pedieux) sind kunstvoll geschobene „Bärenklauen“.
An Stelle der einfachen „Pfeifen“ traten später bei reicheren Rüstungen Facetten. Prachtvolle Rüstungen dieser Art befinden sich in der kaiserlichen Waffensammlung zu Wien.
In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts hatte die geschlossene Rüstung immerhin noch ihre Bedeutung für den Krieg gehabt, durch die zunehmende Verwendung und die Verbesserung der Feuerwaffen trat aber der Wert der geschlossenen Rüstungen für den ernsten Kampf mehr und mehr zurück, dagegen behielten sie ihre Bedeutung für den Turnierkampf, vor allem aber als Prunkgewänder der Fürsten. Infolgedessen legte man immer gröſseren Wert auf die äuſsere Aus- schmückung der Rüstung durch Treibarbeit, Tauschierung, Damas- zierung, Vergoldung, Ätzung u. s. w. „Oft wird das ernste Waffen- kleid zu reiner Goldschmiedearbeit“, sagt Semper. Diese Art von Prachtrüstungen gingen von Italien, zum Teil auch von Spanien aus, in Deutschland aber fanden sie erst ihre höchste Vollendung.
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[354/0374]
Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
aus drei geschobenen Schienen besteht. Ebenso war die Halsberge
(hausse col), welche auf beiden Seiten geöffnet werden konnte, aus
drei Schienen zusammengefügt. Nun folgt der eigentliche Harnisch
(harnais), aus Brust- (plastron) und Rückenstück (dossière) bestehend,
die im vorliegenden Falle aus je einer Platte ausgetrieben sind.
Unter dem Harnisch trug der Ritter zu weiterem Schutze einen ge-
steppten Wams (gambeson) und darüber ein Panzerhemd, welches die
von dem Harnisch etwa nicht bedeckten Öffnungen schützte. An den
Harnisch schloſs sich der Schurz (braconnière), aus Schienen ge-
schoben, welcher die Lendengegend deckte, an den Vorderschurz
(pansière, braconnière) schlossen sich die ebenfalls geschobenen Schöſse
(Krebse, tasettes) an, die bis zu den Schenkeln reichten. Auf dem
oberen Harnisch über den Schultern saſsen die Achselstücke (spal-
lières) mit hohem Rande zum Schutz gegen Lanzenstöſse. An die
Achselstücke schloſs sich das Armzeug (brassards) mit den gewölbten
und ebenfalls gekehlten Meuseln (cubitière) zum Schutze des Ell-
bogens. An das Unterarmzeug waren die kunstvoll gefingerten Hand-
schuhe (gantelets) angebracht. Auf der rechten Vorderseite war am
Harnisch der Rüsthaken (arrêt) angebracht zum Einlegen der Lanze.
Die Schenkel schützten die Dielinge (cuiss), oben aus zwei Schienen
geschoben, dann aus einem gekehlten Stücke bis zu dem gewölbten
Kniestück (genouillères). Darauf folgten die Beinschienen (grèves),
in früherer Zeit aus Halbschienen, ähnlich den Schenkelstücken, in
unserm Falle aber schon vollkommene Beinröhren. Die Schuhe
(pedieux) sind kunstvoll geschobene „Bärenklauen“.
An Stelle der einfachen „Pfeifen“ traten später bei reicheren
Rüstungen Facetten. Prachtvolle Rüstungen dieser Art befinden sich
in der kaiserlichen Waffensammlung zu Wien.
In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts hatte die geschlossene
Rüstung immerhin noch ihre Bedeutung für den Krieg gehabt, durch
die zunehmende Verwendung und die Verbesserung der Feuerwaffen
trat aber der Wert der geschlossenen Rüstungen für den ernsten
Kampf mehr und mehr zurück, dagegen behielten sie ihre Bedeutung
für den Turnierkampf, vor allem aber als Prunkgewänder der Fürsten.
Infolgedessen legte man immer gröſseren Wert auf die äuſsere Aus-
schmückung der Rüstung durch Treibarbeit, Tauschierung, Damas-
zierung, Vergoldung, Ätzung u. s. w. „Oft wird das ernste Waffen-
kleid zu reiner Goldschmiedearbeit“, sagt Semper. Diese Art von
Prachtrüstungen gingen von Italien, zum Teil auch von Spanien aus,
in Deutschland aber fanden sie erst ihre höchste Vollendung.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/374>, abgerufen am 21.11.2024.
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