und das Solinger Beschauzeichen aufzuschlagen hatten, wählte jede der drei beschlossenen Brüderschaften und das Messerschmiedehand- werk je einen. Der Vogt wurde aus den letzteren von der herzog- lichen Behörde ernannt.
Durch die Vorbehalte der drei beschlossenen Brüderschaften sah sich das Messermacherhandwerk zeitweilig einer sehr unbequemen Konkurrenz ausgesetzt. Ging die Schwertfabrik schlecht, so legten sich deren Arbeiter auf das Messermachen und lieferten dann meistens schlechte Ware, da die Technik immerhin eine andere war. Betraf der Stillstand zugleich auch die Messerfabrik, so wurde die Konkurrenz unerträglich, zumal die Messermacher nicht einmal Ver- geltung üben durften. -- Gefährlicher noch als die unbequeme, un- geregelte Konkurrenz der Schwertbrüder wurde den Messerschmieden die wirtschaftliche und soziale Stellung, welche die Fertigmacher einzunehmen begannen. In den früheren Zeiten, als die Beschaffen- heit der Messer noch eine sehr einfache und die Klinge die Haupt- sache war, konnte es wirkliche Messermacher in der Art geben, dass ein und derselbe Mann Schmied, Reider und Fertigmacher war und nur gegen Lohn schleifen liess. Als nun im 16. Jahrhundert die Arten der Messer mannigfaltiger und komplizierter wurden, ent- wickelte sich auch bei diesem Handwerk eine immer weitergehende Arbeitsteilung und die Anzahl der Hilfsarbeiter nahm zu. Infolge dieser Arbeitsteilung trat nun ein Faktor in die Produktion, welcher dieselbe leitete und die in den zerstreuten Werkstätten erzeugten Fabrikate zu einem Ganzen zusammenfasste -- das war der Fertig- macher. Er kaufte vom Messerschmied die Klingen, vom Erlschmied die Platten zum Belegen mit Heften oder zu den Seitenwänden der Zuschlagmesser, vom Heftemacher die Holzstiele, vom Bändemacher die messingenen, zinnernen oder silbernen Bände, Beschläge und Kappen auf, um sie zu fertigen Messern zusammenzusetzen. Da unter jenen Arbeitern, namentlich unter den Hefte- und Bändemachern, welche ausserhalb der Zunft standen und daher unprivilegierte Arbeiter hiessen, ferner auch unter den Messerschmieden sich viele arme Leute befanden, welche ausser stande waren, den Vorschuss auf den Ankauf des Materials zu leisten, so kauften jene Fertigmacher sämt- liche Materialien in grösseren Mengen ein, lieferten sie den Arbeitern und liessen diese um Lohn die einzelnen Verrichtungen ausführen. In der Messerfabrik beginnt daher schon im 16. Jahrhundert die Entwickelung vom handwerksmässigen zum hausindustriellen Betriebe, die selbständigen Messermacher werden allmählich zu lohnarbeitenden
Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
und das Solinger Beschauzeichen aufzuschlagen hatten, wählte jede der drei beschlossenen Brüderschaften und das Messerschmiedehand- werk je einen. Der Vogt wurde aus den letzteren von der herzog- lichen Behörde ernannt.
Durch die Vorbehalte der drei beschlossenen Brüderschaften sah sich das Messermacherhandwerk zeitweilig einer sehr unbequemen Konkurrenz ausgesetzt. Ging die Schwertfabrik schlecht, so legten sich deren Arbeiter auf das Messermachen und lieferten dann meistens schlechte Ware, da die Technik immerhin eine andere war. Betraf der Stillstand zugleich auch die Messerfabrik, so wurde die Konkurrenz unerträglich, zumal die Messermacher nicht einmal Ver- geltung üben durften. — Gefährlicher noch als die unbequeme, un- geregelte Konkurrenz der Schwertbrüder wurde den Messerschmieden die wirtschaftliche und soziale Stellung, welche die Fertigmacher einzunehmen begannen. In den früheren Zeiten, als die Beschaffen- heit der Messer noch eine sehr einfache und die Klinge die Haupt- sache war, konnte es wirkliche Messermacher in der Art geben, daſs ein und derselbe Mann Schmied, Reider und Fertigmacher war und nur gegen Lohn schleifen lieſs. Als nun im 16. Jahrhundert die Arten der Messer mannigfaltiger und komplizierter wurden, ent- wickelte sich auch bei diesem Handwerk eine immer weitergehende Arbeitsteilung und die Anzahl der Hilfsarbeiter nahm zu. Infolge dieser Arbeitsteilung trat nun ein Faktor in die Produktion, welcher dieselbe leitete und die in den zerstreuten Werkstätten erzeugten Fabrikate zu einem Ganzen zusammenfaſste — das war der Fertig- macher. Er kaufte vom Messerschmied die Klingen, vom Erlschmied die Platten zum Belegen mit Heften oder zu den Seitenwänden der Zuschlagmesser, vom Heftemacher die Holzstiele, vom Bändemacher die messingenen, zinnernen oder silbernen Bände, Beschläge und Kappen auf, um sie zu fertigen Messern zusammenzusetzen. Da unter jenen Arbeitern, namentlich unter den Hefte- und Bändemachern, welche auſserhalb der Zunft standen und daher unprivilegierte Arbeiter hieſsen, ferner auch unter den Messerschmieden sich viele arme Leute befanden, welche auſser stande waren, den Vorschuſs auf den Ankauf des Materials zu leisten, so kauften jene Fertigmacher sämt- liche Materialien in gröſseren Mengen ein, lieferten sie den Arbeitern und lieſsen diese um Lohn die einzelnen Verrichtungen ausführen. In der Messerfabrik beginnt daher schon im 16. Jahrhundert die Entwickelung vom handwerksmäſsigen zum hausindustriellen Betriebe, die selbständigen Messermacher werden allmählich zu lohnarbeitenden
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Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
und das Solinger Beschauzeichen aufzuschlagen hatten, wählte jede
der drei beschlossenen Brüderschaften und das Messerschmiedehand-
werk je einen. Der Vogt wurde aus den letzteren von der herzog-
lichen Behörde ernannt.
Durch die Vorbehalte der drei beschlossenen Brüderschaften sah
sich das Messermacherhandwerk zeitweilig einer sehr unbequemen
Konkurrenz ausgesetzt. Ging die Schwertfabrik schlecht, so legten
sich deren Arbeiter auf das Messermachen und lieferten dann
meistens schlechte Ware, da die Technik immerhin eine andere war.
Betraf der Stillstand zugleich auch die Messerfabrik, so wurde die
Konkurrenz unerträglich, zumal die Messermacher nicht einmal Ver-
geltung üben durften. — Gefährlicher noch als die unbequeme, un-
geregelte Konkurrenz der Schwertbrüder wurde den Messerschmieden
die wirtschaftliche und soziale Stellung, welche die Fertigmacher
einzunehmen begannen. In den früheren Zeiten, als die Beschaffen-
heit der Messer noch eine sehr einfache und die Klinge die Haupt-
sache war, konnte es wirkliche Messermacher in der Art geben, daſs
ein und derselbe Mann Schmied, Reider und Fertigmacher war und
nur gegen Lohn schleifen lieſs. Als nun im 16. Jahrhundert die
Arten der Messer mannigfaltiger und komplizierter wurden, ent-
wickelte sich auch bei diesem Handwerk eine immer weitergehende
Arbeitsteilung und die Anzahl der Hilfsarbeiter nahm zu. Infolge
dieser Arbeitsteilung trat nun ein Faktor in die Produktion, welcher
dieselbe leitete und die in den zerstreuten Werkstätten erzeugten
Fabrikate zu einem Ganzen zusammenfaſste — das war der Fertig-
macher. Er kaufte vom Messerschmied die Klingen, vom Erlschmied
die Platten zum Belegen mit Heften oder zu den Seitenwänden der
Zuschlagmesser, vom Heftemacher die Holzstiele, vom Bändemacher
die messingenen, zinnernen oder silbernen Bände, Beschläge und
Kappen auf, um sie zu fertigen Messern zusammenzusetzen. Da unter
jenen Arbeitern, namentlich unter den Hefte- und Bändemachern,
welche auſserhalb der Zunft standen und daher unprivilegierte Arbeiter
hieſsen, ferner auch unter den Messerschmieden sich viele arme
Leute befanden, welche auſser stande waren, den Vorschuſs auf den
Ankauf des Materials zu leisten, so kauften jene Fertigmacher sämt-
liche Materialien in gröſseren Mengen ein, lieferten sie den Arbeitern
und lieſsen diese um Lohn die einzelnen Verrichtungen ausführen.
In der Messerfabrik beginnt daher schon im 16. Jahrhundert die
Entwickelung vom handwerksmäſsigen zum hausindustriellen Betriebe,
die selbständigen Messermacher werden allmählich zu lohnarbeitenden
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/434>, abgerufen am 22.11.2024.
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