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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
dass man in das glühend gemachte hintere Ende einen eisernen Keil
trieb. Die Schusswaffen stachen in ihrer mangelhaften Ausführung sehr
ab gegen die prächtigen Arbeiten der Plattner und Klingenschmiede
jener Zeit. Diese gaben sich aber auch nicht mit der Herstellung
der damals noch verachteten Feuerwaffen ab, sondern überliessen die-
selbe dem Grobschmied oder auch dem Schlosser. Am 23. Juni
1387 wollte ein Kleinschmied oder Schlosser zu Merseburg namens
Hoicke ein von ihm geschmiedetes Handrohr probieren und in
seinem Hause beschiessen, weil er aber nicht wohl damit umzu-
gehen wusste, missglückte der Schuss, dass sein Haus in volle
Flammen geriet und fast die ganze Stadt abbrannte 1).

Wie roh solche Büchsen waren, geht auch daraus hervor, dass
der Reiter sein Petrinal gelegentlich zugleich als Morgenstern ver-
wendete. Derartige Doppelwaffen (Fig. 144) nannte man Schiess-
prügel.

Ausser den gestielten Handkanonen gab es aber auch Hand-
feuerwaffen, welche, wie die alten Kanonen (Bd. I, S. 900), eine oder

[Abbildung] Fig. 144.
mehrere bewegliche Lade-
kammern hatten, bei denen
also Lauf und Büchse ge-
trennt waren. Gewöhnlich
gehörten zu jedem solchen
Feuerrohr drei bis vier "eiserne Büchslein". Die geladene Kammer
wurde in das Rohr eingesteckt und durch einen eingeschobenen Keil
oder Riegel festgehalten. Das "Waidloch" (Zündloch) befand sich auch
hier oben. Da der Verschluss sehr ungenügend war, ging ein grosser
Teil der Kraft mit den Gasen verloren und oft waren die Schützen
selbst in Gefahr. Diese Kammerbüchsen, welche 9 bis 10 Pfd. das
Stück wogen, wurden vermutlich zuerst in Augsburg und Regensburg
angefertigt. Beide Arten von Feuerrohre hatten keine Holzschaftung.
Der Fussschütze schob den langen Stiel seiner Waffe unter den
linken Arm und feuerte mit der losen Lunte in der rechten Hand
ab. Vom Zielen war dabei keine Rede. Man schoss aus ziemlicher
Nähe im Bogen und die Wirkung war mehr eine moralische, wes-
halb der Name "Knallbüchse" auch ganz treffend war. Im Zielschuss
waren die Bogen- und Armbrustschützen noch weit überlegen. Seit
der Mitte des 15. Jahrhunderts wurde die Holzfassung, die vereinzelt
auch schon früher vorkam, allgemeiner. Der Eisenstiel wurde durch

1) Petr. Albinus, Meissnische Landchronik, Bd. I, Nr. 23, S. 820.

Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
daſs man in das glühend gemachte hintere Ende einen eisernen Keil
trieb. Die Schuſswaffen stachen in ihrer mangelhaften Ausführung sehr
ab gegen die prächtigen Arbeiten der Plattner und Klingenschmiede
jener Zeit. Diese gaben sich aber auch nicht mit der Herstellung
der damals noch verachteten Feuerwaffen ab, sondern überlieſsen die-
selbe dem Grobschmied oder auch dem Schlosser. Am 23. Juni
1387 wollte ein Kleinschmied oder Schlosser zu Merseburg namens
Hoicke ein von ihm geschmiedetes Handrohr probieren und in
seinem Hause beschieſsen, weil er aber nicht wohl damit umzu-
gehen wuſste, miſsglückte der Schuſs, daſs sein Haus in volle
Flammen geriet und fast die ganze Stadt abbrannte 1).

Wie roh solche Büchsen waren, geht auch daraus hervor, daſs
der Reiter sein Pétrinal gelegentlich zugleich als Morgenstern ver-
wendete. Derartige Doppelwaffen (Fig. 144) nannte man Schieſs-
prügel.

Auſser den gestielten Handkanonen gab es aber auch Hand-
feuerwaffen, welche, wie die alten Kanonen (Bd. I, S. 900), eine oder

[Abbildung] Fig. 144.
mehrere bewegliche Lade-
kammern hatten, bei denen
also Lauf und Büchse ge-
trennt waren. Gewöhnlich
gehörten zu jedem solchen
Feuerrohr drei bis vier „eiserne Büchslein“. Die geladene Kammer
wurde in das Rohr eingesteckt und durch einen eingeschobenen Keil
oder Riegel festgehalten. Das „Waidloch“ (Zündloch) befand sich auch
hier oben. Da der Verschluſs sehr ungenügend war, ging ein groſser
Teil der Kraft mit den Gasen verloren und oft waren die Schützen
selbst in Gefahr. Diese Kammerbüchsen, welche 9 bis 10 Pfd. das
Stück wogen, wurden vermutlich zuerst in Augsburg und Regensburg
angefertigt. Beide Arten von Feuerrohre hatten keine Holzschaftung.
Der Fuſsschütze schob den langen Stiel seiner Waffe unter den
linken Arm und feuerte mit der losen Lunte in der rechten Hand
ab. Vom Zielen war dabei keine Rede. Man schoſs aus ziemlicher
Nähe im Bogen und die Wirkung war mehr eine moralische, wes-
halb der Name „Knallbüchse“ auch ganz treffend war. Im Zielschuſs
waren die Bogen- und Armbrustschützen noch weit überlegen. Seit
der Mitte des 15. Jahrhunderts wurde die Holzfassung, die vereinzelt
auch schon früher vorkam, allgemeiner. Der Eisenstiel wurde durch

1) Petr. Albinus, Meiſsnische Landchronik, Bd. I, Nr. 23, S. 820.
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[429/0449] Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert. daſs man in das glühend gemachte hintere Ende einen eisernen Keil trieb. Die Schuſswaffen stachen in ihrer mangelhaften Ausführung sehr ab gegen die prächtigen Arbeiten der Plattner und Klingenschmiede jener Zeit. Diese gaben sich aber auch nicht mit der Herstellung der damals noch verachteten Feuerwaffen ab, sondern überlieſsen die- selbe dem Grobschmied oder auch dem Schlosser. Am 23. Juni 1387 wollte ein Kleinschmied oder Schlosser zu Merseburg namens Hoicke ein von ihm geschmiedetes Handrohr probieren und in seinem Hause beschieſsen, weil er aber nicht wohl damit umzu- gehen wuſste, miſsglückte der Schuſs, daſs sein Haus in volle Flammen geriet und fast die ganze Stadt abbrannte 1). Wie roh solche Büchsen waren, geht auch daraus hervor, daſs der Reiter sein Pétrinal gelegentlich zugleich als Morgenstern ver- wendete. Derartige Doppelwaffen (Fig. 144) nannte man Schieſs- prügel. Auſser den gestielten Handkanonen gab es aber auch Hand- feuerwaffen, welche, wie die alten Kanonen (Bd. I, S. 900), eine oder [Abbildung Fig. 144.] mehrere bewegliche Lade- kammern hatten, bei denen also Lauf und Büchse ge- trennt waren. Gewöhnlich gehörten zu jedem solchen Feuerrohr drei bis vier „eiserne Büchslein“. Die geladene Kammer wurde in das Rohr eingesteckt und durch einen eingeschobenen Keil oder Riegel festgehalten. Das „Waidloch“ (Zündloch) befand sich auch hier oben. Da der Verschluſs sehr ungenügend war, ging ein groſser Teil der Kraft mit den Gasen verloren und oft waren die Schützen selbst in Gefahr. Diese Kammerbüchsen, welche 9 bis 10 Pfd. das Stück wogen, wurden vermutlich zuerst in Augsburg und Regensburg angefertigt. Beide Arten von Feuerrohre hatten keine Holzschaftung. Der Fuſsschütze schob den langen Stiel seiner Waffe unter den linken Arm und feuerte mit der losen Lunte in der rechten Hand ab. Vom Zielen war dabei keine Rede. Man schoſs aus ziemlicher Nähe im Bogen und die Wirkung war mehr eine moralische, wes- halb der Name „Knallbüchse“ auch ganz treffend war. Im Zielschuſs waren die Bogen- und Armbrustschützen noch weit überlegen. Seit der Mitte des 15. Jahrhunderts wurde die Holzfassung, die vereinzelt auch schon früher vorkam, allgemeiner. Der Eisenstiel wurde durch 1) Petr. Albinus, Meiſsnische Landchronik, Bd. I, Nr. 23, S. 820.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 429. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/449>, abgerufen am 22.11.2024.