Eine ganz ähnliche Vorrichtung beschreibt Dr. Plott in seiner Geschichte von Staffordshire (1674). In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts machte Jack of Hilton ein kleines hohles Bild- werk von Erz, um jeden Neujahrstag damit das Feuer anzublasen, während der Lord von Essington eine Gans dreimal um dasselbe trieb, ehe sie gebraten und von dem Lord von Hilton oder seinem Stellvertreter verzehrt wurde. Plott ist der Ansicht, dass sowohl die Vorrichtung wie der Gebrauch noch aus der Zeit der Sachsen stamme.
Uns scheint das Ganze eine Spielerei gewesen zu sein, die eine gewisse Verwandtschaft mit der Dampfkanone Leonardos hatte. Dennoch haben wir auch dieses Spielwerk hier nicht übergangen, weil es zu den Vorläufern der wichtigsten aller Kraftmaschinen gehört.
Chemie.
Waren die Fortschritte der Mechanik, namentlich durch die bessere und mannigfachere Ausnutzung der Wasserkraft, von grosser Bedeutung für die Entwickelung der Eisenindustrie im 16. Jahr- hundert, so hat dagegen die chemische Wissenschaft hierzu nur wenig beigetragen.
Die Chemie ist, wie bekannt, erst sehr spät eine Hilfswissenschaft der Technik geworden. Wenn in jener Zeit sich auch der Gesichts- kreis aller Wissenschaften erweiterte, so blieb doch gerade die Chemie gebannt unter dem Wahne einer falschen Lehre und eines falschen Zweckes. Die falsche Lehre war die von der Transmutation der Metalle, der falsche Zweck war die Kunst, Gold zu machen. Wohl durchschauten die praktischen Geister, wie die eines Leonardo da Vinci und eines Georg Agricola, die Nichtigkeit und Unwahrheit dieser Lehren, aber das treibende Element in der Chemie blieb des- halb doch das Streben nach mühelos zu erwerbendem Reichtum, das immer wieder seinen Ausdruck fand in Geheimmitteln, aus wert- losen Stoffen Gold zu machen und das den überlieferten Namen der Wissenschaft "Alchemie" gleichbedeutend machte mit dieser schwindel- haften Kunst. Einen praktischen Boden erhielt sich die Metallurgie in der Probierkunst, in dem chemisch-metallurgischen Verfahren, die
Chemie.
Eine ganz ähnliche Vorrichtung beschreibt Dr. Plott in seiner Geschichte von Staffordshire (1674). In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts machte Jack of Hilton ein kleines hohles Bild- werk von Erz, um jeden Neujahrstag damit das Feuer anzublasen, während der Lord von Essington eine Gans dreimal um dasſelbe trieb, ehe sie gebraten und von dem Lord von Hilton oder seinem Stellvertreter verzehrt wurde. Plott ist der Ansicht, daſs sowohl die Vorrichtung wie der Gebrauch noch aus der Zeit der Sachsen stamme.
Uns scheint das Ganze eine Spielerei gewesen zu sein, die eine gewisse Verwandtschaft mit der Dampfkanone Leonardos hatte. Dennoch haben wir auch dieses Spielwerk hier nicht übergangen, weil es zu den Vorläufern der wichtigsten aller Kraftmaschinen gehört.
Chemie.
Waren die Fortschritte der Mechanik, namentlich durch die bessere und mannigfachere Ausnutzung der Wasserkraft, von groſser Bedeutung für die Entwickelung der Eisenindustrie im 16. Jahr- hundert, so hat dagegen die chemische Wissenschaft hierzu nur wenig beigetragen.
Die Chemie ist, wie bekannt, erst sehr spät eine Hilfswissenschaft der Technik geworden. Wenn in jener Zeit sich auch der Gesichts- kreis aller Wissenschaften erweiterte, so blieb doch gerade die Chemie gebannt unter dem Wahne einer falschen Lehre und eines falschen Zweckes. Die falsche Lehre war die von der Transmutation der Metalle, der falsche Zweck war die Kunst, Gold zu machen. Wohl durchschauten die praktischen Geister, wie die eines Leonardo da Vinci und eines Georg Agricola, die Nichtigkeit und Unwahrheit dieser Lehren, aber das treibende Element in der Chemie blieb des- halb doch das Streben nach mühelos zu erwerbendem Reichtum, das immer wieder seinen Ausdruck fand in Geheimmitteln, aus wert- losen Stoffen Gold zu machen und das den überlieferten Namen der Wissenschaft „Alchemie“ gleichbedeutend machte mit dieser schwindel- haften Kunst. Einen praktischen Boden erhielt sich die Metallurgie in der Probierkunst, in dem chemisch-metallurgischen Verfahren, die
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Chemie.
Eine ganz ähnliche Vorrichtung beschreibt Dr. Plott in seiner
Geschichte von Staffordshire (1674). In der zweiten Hälfte des
16. Jahrhunderts machte Jack of Hilton ein kleines hohles Bild-
werk von Erz, um jeden Neujahrstag damit das Feuer anzublasen,
während der Lord von Essington eine Gans dreimal um dasſelbe
trieb, ehe sie gebraten und von dem Lord von Hilton oder seinem
Stellvertreter verzehrt wurde. Plott ist der Ansicht, daſs sowohl
die Vorrichtung wie der Gebrauch noch aus der Zeit der Sachsen
stamme.
Uns scheint das Ganze eine Spielerei gewesen zu sein, die eine
gewisse Verwandtschaft mit der Dampfkanone Leonardos hatte.
Dennoch haben wir auch dieses Spielwerk hier nicht übergangen, weil
es zu den Vorläufern der wichtigsten aller Kraftmaschinen gehört.
Chemie.
Waren die Fortschritte der Mechanik, namentlich durch die
bessere und mannigfachere Ausnutzung der Wasserkraft, von groſser
Bedeutung für die Entwickelung der Eisenindustrie im 16. Jahr-
hundert, so hat dagegen die chemische Wissenschaft hierzu nur wenig
beigetragen.
Die Chemie ist, wie bekannt, erst sehr spät eine Hilfswissenschaft
der Technik geworden. Wenn in jener Zeit sich auch der Gesichts-
kreis aller Wissenschaften erweiterte, so blieb doch gerade die Chemie
gebannt unter dem Wahne einer falschen Lehre und eines falschen
Zweckes. Die falsche Lehre war die von der Transmutation der
Metalle, der falsche Zweck war die Kunst, Gold zu machen. Wohl
durchschauten die praktischen Geister, wie die eines Leonardo da
Vinci und eines Georg Agricola, die Nichtigkeit und Unwahrheit
dieser Lehren, aber das treibende Element in der Chemie blieb des-
halb doch das Streben nach mühelos zu erwerbendem Reichtum,
das immer wieder seinen Ausdruck fand in Geheimmitteln, aus wert-
losen Stoffen Gold zu machen und das den überlieferten Namen der
Wissenschaft „Alchemie“ gleichbedeutend machte mit dieser schwindel-
haften Kunst. Einen praktischen Boden erhielt sich die Metallurgie in
der Probierkunst, in dem chemisch-metallurgischen Verfahren, die
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 538. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/558>, abgerufen am 22.11.2024.
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