In den Städten geschah die Ladung zur Zunftversammlung durch die "Umfrage"; die Zusammenkunft selbst hiess "Morgensprache", welche "gehegt" wurde. Die gehegten Morgensprachen wurden häufig auch gesellig gefeiert, und zwar mit den Familien der Zunftgenossen. Den Zünften stand gegenüber ihren Gliedern teilweise die niedere Gerichtsbarkeit zu. Wollte ein Junge in die Zunft aufgenommen werden, so musste er vor allem seine eheliche und ehrliche Geburt erweisen1). Waren diese und die sonst vorgeschriebenen Bedingungen erfüllt, so wurde der Junge erst zu einer meist vierwöchentlichen Probe und danach erst förmlich als Lehrling angenommen. Innerhalb der ersten 14 Tage musste er dem Ober- oder Zunftmeister vorgestellt werden, dann folgte das förmliche Aufdingen. Die Dauer der Lehrzeit richtete sich nach dem Gewerbe; meistens betrug sie zwei Jahre, so bei den Huf- oder Grobschmieden, bei den Waffenschmieden aber drei Jahre. Wenn ein Vater seinem leiblichen Sohn oder Stiefsohn das Handwerk lehrte, durfte er ihn früher losgeben, wenn er ihn für genügend ausgebildet hielt. -- Das Lehrgeld war verschieden, in den Städten meist höher. Um Überfüllung im Handwerk zu verhindern, war es an vielen Orten gebräuchlich, dass ein Meister, wenn er einen Jungen ausgelernt hatte, ein Jahr warten musste, ehe er wieder einen in die Lehre nahm. Hatte der Junge ausgelernt, so erfolgte die Lossprechung über allerhand Ceremonien. Auch hatte ihm sein Meister den Handwerksgruss beibringen müssen, dessen er sich später bei der Wanderschaft bedienen musste. Der Lehrbrief, ein wichtiges Dokument für den zukünftigen Meister, musste von dem Lehrmeister, dem derzeitigen Obermeister und zwei Beisitzern unterschrieben sein. Diese Lehrbriefe waren, wie auch die mündlichen Zunftverhandlungen, sehr umständlich und enthielten eine Menge unnützen Wortkram2). Gerade bei den Eisenarbeitern erhielten sich lange die alten Gebräuche.
Die Aufnahme des Lehrjungen als Gehilfe geschah nun in folgen- der Weise3): An dem Tage, an dem die Gesellen "Auflage" hatten und vor der Lade versammelt waren, musste sich der Lehrjunge zur Stelle melden. Es wurde sodann ein Stuhl mitten in die Stube ge- setzt und der Altgesell hing ein Handtuch über beide Schultern. Die Enden des Tuches mussten in ein Handbecken fallen, das auf dem
1) Siehe Berlepsch, Chronik der Feuerarbeiter, S. 45, wo ein Beglaubigungs- brief der ehelichen Geburt eines Hufschmiedes aus der Mitte des 17. Jahrhunderts mitgeteilt ist. Vergl. auch Bd. I, S. 882.
2) Siehe Vollkmanns Notarkunst, Pars III, Cap. 36, Nr. 6, sub entr. Lehrbrief von einem Rat gegeben.
3) Siehe Berlepsch, a. a. O., S. 49.
Zünfte der Eisenarbeiter.
In den Städten geschah die Ladung zur Zunftversammlung durch die „Umfrage“; die Zusammenkunft selbst hieſs „Morgensprache“, welche „gehegt“ wurde. Die gehegten Morgensprachen wurden häufig auch gesellig gefeiert, und zwar mit den Familien der Zunftgenossen. Den Zünften stand gegenüber ihren Gliedern teilweise die niedere Gerichtsbarkeit zu. Wollte ein Junge in die Zunft aufgenommen werden, so muſste er vor allem seine eheliche und ehrliche Geburt erweisen1). Waren diese und die sonst vorgeschriebenen Bedingungen erfüllt, so wurde der Junge erst zu einer meist vierwöchentlichen Probe und danach erst förmlich als Lehrling angenommen. Innerhalb der ersten 14 Tage muſste er dem Ober- oder Zunftmeister vorgestellt werden, dann folgte das förmliche Aufdingen. Die Dauer der Lehrzeit richtete sich nach dem Gewerbe; meistens betrug sie zwei Jahre, so bei den Huf- oder Grobschmieden, bei den Waffenschmieden aber drei Jahre. Wenn ein Vater seinem leiblichen Sohn oder Stiefsohn das Handwerk lehrte, durfte er ihn früher losgeben, wenn er ihn für genügend ausgebildet hielt. — Das Lehrgeld war verschieden, in den Städten meist höher. Um Überfüllung im Handwerk zu verhindern, war es an vielen Orten gebräuchlich, daſs ein Meister, wenn er einen Jungen ausgelernt hatte, ein Jahr warten muſste, ehe er wieder einen in die Lehre nahm. Hatte der Junge ausgelernt, so erfolgte die Lossprechung über allerhand Ceremonien. Auch hatte ihm sein Meister den Handwerksgruſs beibringen müssen, dessen er sich später bei der Wanderschaft bedienen muſste. Der Lehrbrief, ein wichtiges Dokument für den zukünftigen Meister, muſste von dem Lehrmeister, dem derzeitigen Obermeister und zwei Beisitzern unterschrieben sein. Diese Lehrbriefe waren, wie auch die mündlichen Zunftverhandlungen, sehr umständlich und enthielten eine Menge unnützen Wortkram2). Gerade bei den Eisenarbeitern erhielten sich lange die alten Gebräuche.
Die Aufnahme des Lehrjungen als Gehilfe geschah nun in folgen- der Weise3): An dem Tage, an dem die Gesellen „Auflage“ hatten und vor der Lade versammelt waren, muſste sich der Lehrjunge zur Stelle melden. Es wurde sodann ein Stuhl mitten in die Stube ge- setzt und der Altgesell hing ein Handtuch über beide Schultern. Die Enden des Tuches muſsten in ein Handbecken fallen, das auf dem
1) Siehe Berlepsch, Chronik der Feuerarbeiter, S. 45, wo ein Beglaubigungs- brief der ehelichen Geburt eines Hufschmiedes aus der Mitte des 17. Jahrhunderts mitgeteilt ist. Vergl. auch Bd. I, S. 882.
2) Siehe Vollkmanns Notarkunst, Pars III, Cap. 36, Nr. 6, sub entr. Lehrbrief von einem Rat gegeben.
3) Siehe Berlepsch, a. a. O., S. 49.
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die „Umfrage“; die Zusammenkunft selbst hieſs „Morgensprache“,
welche „gehegt“ wurde. Die gehegten Morgensprachen wurden häufig
auch gesellig gefeiert, und zwar mit den Familien der Zunftgenossen.
Den Zünften stand gegenüber ihren Gliedern teilweise die niedere
Gerichtsbarkeit zu. Wollte ein Junge in die Zunft aufgenommen
werden, so muſste er vor allem seine eheliche und ehrliche Geburt
erweisen 1). Waren diese und die sonst vorgeschriebenen Bedingungen
erfüllt, so wurde der Junge erst zu einer meist vierwöchentlichen
Probe und danach erst förmlich als Lehrling angenommen. Innerhalb
der ersten 14 Tage muſste er dem Ober- oder Zunftmeister vorgestellt
werden, dann folgte das förmliche Aufdingen. Die Dauer der Lehrzeit
richtete sich nach dem Gewerbe; meistens betrug sie zwei Jahre, so
bei den Huf- oder Grobschmieden, bei den Waffenschmieden aber
drei Jahre. Wenn ein Vater seinem leiblichen Sohn oder Stiefsohn
das Handwerk lehrte, durfte er ihn früher losgeben, wenn er ihn für
genügend ausgebildet hielt. — Das Lehrgeld war verschieden, in den
Städten meist höher. Um Überfüllung im Handwerk zu verhindern,
war es an vielen Orten gebräuchlich, daſs ein Meister, wenn er einen
Jungen ausgelernt hatte, ein Jahr warten muſste, ehe er wieder einen
in die Lehre nahm. Hatte der Junge ausgelernt, so erfolgte die
Lossprechung über allerhand Ceremonien. Auch hatte ihm sein
Meister den Handwerksgruſs beibringen müssen, dessen er sich später
bei der Wanderschaft bedienen muſste. Der Lehrbrief, ein wichtiges
Dokument für den zukünftigen Meister, muſste von dem Lehrmeister,
dem derzeitigen Obermeister und zwei Beisitzern unterschrieben sein.
Diese Lehrbriefe waren, wie auch die mündlichen Zunftverhandlungen,
sehr umständlich und enthielten eine Menge unnützen Wortkram 2).
Gerade bei den Eisenarbeitern erhielten sich lange die alten Gebräuche.
Die Aufnahme des Lehrjungen als Gehilfe geschah nun in folgen-
der Weise 3): An dem Tage, an dem die Gesellen „Auflage“ hatten
und vor der Lade versammelt waren, muſste sich der Lehrjunge zur
Stelle melden. Es wurde sodann ein Stuhl mitten in die Stube ge-
setzt und der Altgesell hing ein Handtuch über beide Schultern. Die
Enden des Tuches muſsten in ein Handbecken fallen, das auf dem
1) Siehe Berlepsch, Chronik der Feuerarbeiter, S. 45, wo ein Beglaubigungs-
brief der ehelichen Geburt eines Hufschmiedes aus der Mitte des 17. Jahrhunderts
mitgeteilt ist. Vergl. auch Bd. I, S. 882.
2) Siehe Vollkmanns Notarkunst, Pars III, Cap. 36, Nr. 6, sub entr.
Lehrbrief von einem Rat gegeben.
3) Siehe Berlepsch, a. a. O., S. 49.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 560. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/580>, abgerufen am 22.11.2024.
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