Tische stand. -- Nun stand der, so das "Feuer aufblasen will" (meist der jüngste Geselle) auf und sprach: "Mit Gunst, dass ich mag auf- stehen, mit Gunst, dass ich mag zuschicken Alles, was man zum Feuer- aufblasen bedarf u. s. w. ...; ich frage zum ersten-, andern- und drittenmal, was gebt ihr mir für Schuld?" Darauf antworteten die Gesellen: "Die Gesellen geben dir einen ganzen Haufen voll Schuld: dass du hinkst, dass du stinkst. Kannst du nun einen finden, der ärger hinkt und stinkt als du, so stehe auf und hänge ihm den Schandfleck an, den du anhast." -- Der Geselle, der das Feuer auf- geblasen, suchte in der Reihe herum, um einen zu finden, der ärger daran sei als er. Mittlerweile hat man den Lehrbuden hereingeholt, der zum Gesellen gemacht werden sollte. Wenn nun jener diesen erblickte, so ging er auf ihn zu, zog ihn beim Ärmel heran, hing ihm das Tuch um, setzte ihn auf den Stuhl und sagte: "Dieser hinkt und stinkt besser als ich." -- Darauf sagte der Altgeselle zum Lehrbub: "Weilen du willst ein Geselle werden, so wollen wir um dich treten; lies dir drei Paten aus, so dich zum Gesellen machen können." -- Dies erfolgt. Alsdann wird das Feuer wieder ausgekühlt. Der Pate, der das Amt übernommen, "um ein Fuder Krebse, um einen polnischen Ochsen, um ein Mass Wein und ein gemästet Schwein", hält alsdann die "Vorsage", in welcher dem Lehrjungen gute Regeln für seine Wanderschaft und Gesellenleben gegeben werden und zwar in ernst- scherzhaften Reden und Versen: Er soll nicht in der Woche auf die Wanderschaft gehen, sondern am Sonntag Mittag, wenn er gut ge- gessen hat und gebetet. Dann soll er seinen Meister und seiner Meisterin danken, wie sich's gebührt. -- "Mein Pate, wenn du heut oder morgen einmal wandern willst, so lauf nicht allein zum Thor hinaus, sondern mache dir erst einen guten Namen bei der Bursch, spendier erst eine Kanne Bier oder Wein, hast auch Macht, die Kunst- pfeifer und andere Gesellen mehr mit hinaus zu nehmen, die dir das Geleite geben, und wenn du aussen vors Thor kommst, so nimm drei Federn in deine rechte Hand und blase sie von dir1): die eine wird fliegen zur Rechten, die andere zur Linken, die dritte wird fliegen gerad hinaus. Welcher willst du nachwandern?" -- Nun folgt eine lange Scherzrede über die drei Wege, die vor ihm liegen. Er soll immer dem geraden Wege folgen. Dann schildert der Pate, was ihm auf seiner Wanderschaft all begegen wird und ermahnt in
1) Alter deutscher Gebrauch beim Auswandern. Vergl. Grimms deutsche Rechtsaltertümer, S. 83.
Beck, Geschichte des Eisens. 36
Zünfte der Eisenarbeiter.
Tische stand. — Nun stand der, so das „Feuer aufblasen will“ (meist der jüngste Geselle) auf und sprach: „Mit Gunst, daſs ich mag auf- stehen, mit Gunst, daſs ich mag zuschicken Alles, was man zum Feuer- aufblasen bedarf u. s. w. …; ich frage zum ersten-, andern- und drittenmal, was gebt ihr mir für Schuld?“ Darauf antworteten die Gesellen: „Die Gesellen geben dir einen ganzen Haufen voll Schuld: daſs du hinkst, daſs du stinkst. Kannst du nun einen finden, der ärger hinkt und stinkt als du, so stehe auf und hänge ihm den Schandfleck an, den du anhast.“ — Der Geselle, der das Feuer auf- geblasen, suchte in der Reihe herum, um einen zu finden, der ärger daran sei als er. Mittlerweile hat man den Lehrbuden hereingeholt, der zum Gesellen gemacht werden sollte. Wenn nun jener diesen erblickte, so ging er auf ihn zu, zog ihn beim Ärmel heran, hing ihm das Tuch um, setzte ihn auf den Stuhl und sagte: „Dieser hinkt und stinkt besser als ich.“ — Darauf sagte der Altgeselle zum Lehrbub: „Weilen du willst ein Geselle werden, so wollen wir um dich treten; lies dir drei Paten aus, so dich zum Gesellen machen können.“ — Dies erfolgt. Alsdann wird das Feuer wieder ausgekühlt. Der Pate, der das Amt übernommen, „um ein Fuder Krebse, um einen polnischen Ochsen, um ein Maſs Wein und ein gemästet Schwein“, hält alsdann die „Vorsage“, in welcher dem Lehrjungen gute Regeln für seine Wanderschaft und Gesellenleben gegeben werden und zwar in ernst- scherzhaften Reden und Versen: Er soll nicht in der Woche auf die Wanderschaft gehen, sondern am Sonntag Mittag, wenn er gut ge- gessen hat und gebetet. Dann soll er seinen Meister und seiner Meisterin danken, wie sich’s gebührt. — „Mein Pate, wenn du heut oder morgen einmal wandern willst, so lauf nicht allein zum Thor hinaus, sondern mache dir erst einen guten Namen bei der Bursch, spendier erst eine Kanne Bier oder Wein, hast auch Macht, die Kunst- pfeifer und andere Gesellen mehr mit hinaus zu nehmen, die dir das Geleite geben, und wenn du auſsen vors Thor kommst, so nimm drei Federn in deine rechte Hand und blase sie von dir1): die eine wird fliegen zur Rechten, die andere zur Linken, die dritte wird fliegen gerad hinaus. Welcher willst du nachwandern?“ — Nun folgt eine lange Scherzrede über die drei Wege, die vor ihm liegen. Er soll immer dem geraden Wege folgen. Dann schildert der Pate, was ihm auf seiner Wanderschaft all begegen wird und ermahnt in
1) Alter deutscher Gebrauch beim Auswandern. Vergl. Grimms deutsche Rechtsaltertümer, S. 83.
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Zünfte der Eisenarbeiter.
Tische stand. — Nun stand der, so das „Feuer aufblasen will“ (meist
der jüngste Geselle) auf und sprach: „Mit Gunst, daſs ich mag auf-
stehen, mit Gunst, daſs ich mag zuschicken Alles, was man zum Feuer-
aufblasen bedarf u. s. w. …; ich frage zum ersten-, andern- und
drittenmal, was gebt ihr mir für Schuld?“ Darauf antworteten die
Gesellen: „Die Gesellen geben dir einen ganzen Haufen voll Schuld:
daſs du hinkst, daſs du stinkst. Kannst du nun einen finden, der
ärger hinkt und stinkt als du, so stehe auf und hänge ihm den
Schandfleck an, den du anhast.“ — Der Geselle, der das Feuer auf-
geblasen, suchte in der Reihe herum, um einen zu finden, der ärger
daran sei als er. Mittlerweile hat man den Lehrbuden hereingeholt,
der zum Gesellen gemacht werden sollte. Wenn nun jener diesen
erblickte, so ging er auf ihn zu, zog ihn beim Ärmel heran, hing ihm
das Tuch um, setzte ihn auf den Stuhl und sagte: „Dieser hinkt und
stinkt besser als ich.“ — Darauf sagte der Altgeselle zum Lehrbub:
„Weilen du willst ein Geselle werden, so wollen wir um dich treten;
lies dir drei Paten aus, so dich zum Gesellen machen können.“ —
Dies erfolgt. Alsdann wird das Feuer wieder ausgekühlt. Der Pate,
der das Amt übernommen, „um ein Fuder Krebse, um einen polnischen
Ochsen, um ein Maſs Wein und ein gemästet Schwein“, hält alsdann
die „Vorsage“, in welcher dem Lehrjungen gute Regeln für seine
Wanderschaft und Gesellenleben gegeben werden und zwar in ernst-
scherzhaften Reden und Versen: Er soll nicht in der Woche auf die
Wanderschaft gehen, sondern am Sonntag Mittag, wenn er gut ge-
gessen hat und gebetet. Dann soll er seinen Meister und seiner
Meisterin danken, wie sich’s gebührt. — „Mein Pate, wenn du heut
oder morgen einmal wandern willst, so lauf nicht allein zum Thor
hinaus, sondern mache dir erst einen guten Namen bei der Bursch,
spendier erst eine Kanne Bier oder Wein, hast auch Macht, die Kunst-
pfeifer und andere Gesellen mehr mit hinaus zu nehmen, die dir das
Geleite geben, und wenn du auſsen vors Thor kommst, so nimm
drei Federn in deine rechte Hand und blase sie von dir 1): die eine
wird fliegen zur Rechten, die andere zur Linken, die dritte wird
fliegen gerad hinaus. Welcher willst du nachwandern?“ — Nun folgt
eine lange Scherzrede über die drei Wege, die vor ihm liegen. Er
soll immer dem geraden Wege folgen. Dann schildert der Pate,
was ihm auf seiner Wanderschaft all begegen wird und ermahnt in
1) Alter deutscher Gebrauch beim Auswandern. Vergl. Grimms deutsche
Rechtsaltertümer, S. 83.
Beck, Geschichte des Eisens. 36
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 561. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/581>, abgerufen am 22.11.2024.
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