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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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Physik.
darin eine Bewegung, die chemische einen Stoff. -- In einem guten
Schriftchen von Chapuit (Holz-Menage 1757) heisst es: "Das Feuer
(die Wärme) ist ein in schnelle Bewegung gesetzter subtiler Schwefel
(Phlogiston), der aus einer entzündeten Materie von allen Seiten mit
grösster Geschwindigkeit herausfährt und helle leuchtet". -- "Die Er-
fahrung lehrt, dass dieser in Bewegung gesetzte Schwefel nicht nur
die anliegende Luft, sondern auch die in der Nähe befindlichen
Körper in Bewegung setzt, selbige heiss und je nach ihrer Beschaffen-
heit sogar flüssig macht."

Der berühmte schwedische Chemiker Scheele fasst dagegen die
Wärme durchaus als eine Materie auf. In seiner Abhandlung von
der Luft und vom Feuer, 1777, sagt er (§. 96): "Das Eisen besteht
aus einer eigentümlichen mit einer gewissen Menge Phlogiston und
einem gewissen Teile Wärme verbundenen Erde. Die Wärme
aber ist eine feine Säure, die sich mit mehr oder weniger Phlogiston
vereinigen kann, und obgleich nicht alle Säuren die Eigenschaft
haben, das Phlogiston im Übermasse an sich zu ziehen, so besitzen
doch wenigstens sehr viele Säuren diese Eigentümlichkeit und zu
diesen gehört die Wärme ebenfalls". Rinman sagt: "Je genauer man
die Bestandteile des Eisens kennen lernt, desto mehr bestätigt sich
Herrn Scheeles Behauptung, dass die Feuermaterie oder die Wärme
ein wirklicher Bestandteil des Eisens ist, und dass sie durch ihre
feine Säure die mannigfaltigen Veränderungen und Abweichungen in
der Geschmeidigkeit des Eisens hervorbringe. Deshalb muss man
aber auch die Hitze mit zu den wirklichen Substanzen zählen, durch
welche das Eisen in den geschmeidigen Zustand gebracht wird".

Er geht in Verfolgung dieser falschen Theorie soweit, zu be-
haupten: "Die Wärme oder das Feuer für sich allein ist das wirk-
samste Mittel, Roheisen in geschmeidiges Eisen zu verwandeln, so dass
es weder der Luft noch des Wassers bedarf, wie die englische Frisch-
methode und andere Versuche beweisen".

Die Vorstellung, dass die Wärme ein chemischer Stoff sei, erhielt
sich auch noch nach dem Sturze der Phlogistontheorie. Lavoisier
und Fourcroy betrachteten die Wärme als besonderen Stoff. Die
Wärme mache sich nur bemerkbar durch den vorhandenen Wärme-
stoff. Als ein Beweis für die Körperlichkeit der Wärme wurde die
Ausdehnung der Körper bei der Erwärmung, oder wie man es auf-
fasste, durch Zufuhr von Wärmestoff angesehen. Die verschiedenen
Aggregatzustände wurden als Wirkungen der Verbindungen mit
Wärmestoff angesehen. Bei Zutritt von einem gewissen Mass von

Physik.
darin eine Bewegung, die chemische einen Stoff. — In einem guten
Schriftchen von Chapuit (Holz-Menage 1757) heiſst es: „Das Feuer
(die Wärme) ist ein in schnelle Bewegung gesetzter subtiler Schwefel
(Phlogiston), der aus einer entzündeten Materie von allen Seiten mit
gröſster Geschwindigkeit herausfährt und helle leuchtet“. — „Die Er-
fahrung lehrt, daſs dieser in Bewegung gesetzte Schwefel nicht nur
die anliegende Luft, sondern auch die in der Nähe befindlichen
Körper in Bewegung setzt, selbige heiſs und je nach ihrer Beschaffen-
heit sogar flüssig macht.“

Der berühmte schwedische Chemiker Scheele faſst dagegen die
Wärme durchaus als eine Materie auf. In seiner Abhandlung von
der Luft und vom Feuer, 1777, sagt er (§. 96): „Das Eisen besteht
aus einer eigentümlichen mit einer gewissen Menge Phlogiston und
einem gewissen Teile Wärme verbundenen Erde. Die Wärme
aber ist eine feine Säure, die sich mit mehr oder weniger Phlogiston
vereinigen kann, und obgleich nicht alle Säuren die Eigenschaft
haben, das Phlogiston im Übermaſse an sich zu ziehen, so besitzen
doch wenigstens sehr viele Säuren diese Eigentümlichkeit und zu
diesen gehört die Wärme ebenfalls“. Rinman sagt: „Je genauer man
die Bestandteile des Eisens kennen lernt, desto mehr bestätigt sich
Herrn Scheeles Behauptung, daſs die Feuermaterie oder die Wärme
ein wirklicher Bestandteil des Eisens ist, und daſs sie durch ihre
feine Säure die mannigfaltigen Veränderungen und Abweichungen in
der Geschmeidigkeit des Eisens hervorbringe. Deshalb muſs man
aber auch die Hitze mit zu den wirklichen Substanzen zählen, durch
welche das Eisen in den geschmeidigen Zustand gebracht wird“.

Er geht in Verfolgung dieser falschen Theorie soweit, zu be-
haupten: „Die Wärme oder das Feuer für sich allein ist das wirk-
samste Mittel, Roheisen in geschmeidiges Eisen zu verwandeln, so daſs
es weder der Luft noch des Wassers bedarf, wie die englische Frisch-
methode und andere Versuche beweisen“.

Die Vorstellung, daſs die Wärme ein chemischer Stoff sei, erhielt
sich auch noch nach dem Sturze der Phlogistontheorie. Lavoisier
und Fourcroy betrachteten die Wärme als besonderen Stoff. Die
Wärme mache sich nur bemerkbar durch den vorhandenen Wärme-
stoff. Als ein Beweis für die Körperlichkeit der Wärme wurde die
Ausdehnung der Körper bei der Erwärmung, oder wie man es auf-
faſste, durch Zufuhr von Wärmestoff angesehen. Die verschiedenen
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[89/0103] Physik. darin eine Bewegung, die chemische einen Stoff. — In einem guten Schriftchen von Chapuit (Holz-Menage 1757) heiſst es: „Das Feuer (die Wärme) ist ein in schnelle Bewegung gesetzter subtiler Schwefel (Phlogiston), der aus einer entzündeten Materie von allen Seiten mit gröſster Geschwindigkeit herausfährt und helle leuchtet“. — „Die Er- fahrung lehrt, daſs dieser in Bewegung gesetzte Schwefel nicht nur die anliegende Luft, sondern auch die in der Nähe befindlichen Körper in Bewegung setzt, selbige heiſs und je nach ihrer Beschaffen- heit sogar flüssig macht.“ Der berühmte schwedische Chemiker Scheele faſst dagegen die Wärme durchaus als eine Materie auf. In seiner Abhandlung von der Luft und vom Feuer, 1777, sagt er (§. 96): „Das Eisen besteht aus einer eigentümlichen mit einer gewissen Menge Phlogiston und einem gewissen Teile Wärme verbundenen Erde. Die Wärme aber ist eine feine Säure, die sich mit mehr oder weniger Phlogiston vereinigen kann, und obgleich nicht alle Säuren die Eigenschaft haben, das Phlogiston im Übermaſse an sich zu ziehen, so besitzen doch wenigstens sehr viele Säuren diese Eigentümlichkeit und zu diesen gehört die Wärme ebenfalls“. Rinman sagt: „Je genauer man die Bestandteile des Eisens kennen lernt, desto mehr bestätigt sich Herrn Scheeles Behauptung, daſs die Feuermaterie oder die Wärme ein wirklicher Bestandteil des Eisens ist, und daſs sie durch ihre feine Säure die mannigfaltigen Veränderungen und Abweichungen in der Geschmeidigkeit des Eisens hervorbringe. Deshalb muſs man aber auch die Hitze mit zu den wirklichen Substanzen zählen, durch welche das Eisen in den geschmeidigen Zustand gebracht wird“. Er geht in Verfolgung dieser falschen Theorie soweit, zu be- haupten: „Die Wärme oder das Feuer für sich allein ist das wirk- samste Mittel, Roheisen in geschmeidiges Eisen zu verwandeln, so daſs es weder der Luft noch des Wassers bedarf, wie die englische Frisch- methode und andere Versuche beweisen“. Die Vorstellung, daſs die Wärme ein chemischer Stoff sei, erhielt sich auch noch nach dem Sturze der Phlogistontheorie. Lavoisier und Fourcroy betrachteten die Wärme als besonderen Stoff. Die Wärme mache sich nur bemerkbar durch den vorhandenen Wärme- stoff. Als ein Beweis für die Körperlichkeit der Wärme wurde die Ausdehnung der Körper bei der Erwärmung, oder wie man es auf- faſste, durch Zufuhr von Wärmestoff angesehen. Die verschiedenen Aggregatzustände wurden als Wirkungen der Verbindungen mit Wärmestoff angesehen. Bei Zutritt von einem gewissen Maſs von

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/103>, abgerufen am 10.05.2024.