Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite
England.

Alle diese Öfen wurden mit Holzkohlen betrieben. Obgleich in der
Periode mindestens zwei Hochöfen mit Koksbetrieb in Coalbrookdale im
Gange waren, stieg die Jahresproduktion bis zum Jahre 1750 doch nur auf
22000 Tons 1), was sich leicht daraus erklärt, dass die Kokshochöfen,
solange man sie mit den alten Blasebälgen betrieb, keine höhere
Tagesproduktion hatten als die Holzkohlenhochöfen, etwa 1 Tonne
den Tag. -- England musste damals 4/5 seines Eisenbedarfs aus dem
Auslande beziehen. Der Bedarf an Eisen und die Fabrikation von
Eisen- und Stahlwaren war sehr gestiegen, aber nur selten wurde
einmal ein neues Hochofenwerk gegründet, wie beispielsweise das
1735 von Cookson erbaute bei Chester-le-Street. Dieser erste Hoch-
ofen der eisenreichen Grafschaft Durham war 10,50 m hoch und
lieferte 25 Tonnen Roheisen wöchentlich, eine für jene Zeit sehr
beträchtliche Produktion. 1740 wurde ein Hochofen für Koksbetrieb
zu Pontypool in Monmouthshire errichtet. Birmingham verarbeitete
hauptsächlich das Eisen von Staffordshire und den Stahl, welchen
Sheffield und Newcastle lieferten.

1727 geschieht des grossen Wachstums der Stadt Birmingham,
oder richtiger des Dorfes Birmingham, denn wie Manchester blieb es
noch ein solches, trotz seiner Bevölkerungszunahme, Erwähnung.
Wie Anderson sagt, verdankte Birmingham sein ungeheures Wachs-
tum durchaus der Eisen- und Metallwarenfabrikation, wodurch es
50000 Menschen beschäftigte resp. ernährte. Ein Hauptnahrungszweig
war die Gewehrfabrikation geworden, welche unter Wilhelm III.
hier entstanden war.

Die Regierung und das Parlament suchten die Eisenindustrie nach
Möglichkeit zu fördern. 1722 wurde unter dem Ministerium Walpole
eine Parlamentsakte erlassen, welche der Ausfuhr der englischen Manu-
fakturwarenindustrie grosse Handelserleichterungen durch Aufhebung
von Zoll und Accise und Gewährung von Prämien und Zollrückvergütungen
gewährte. Durch die Notwendigkeit, alles Qualitätseisen im Auslande
kaufen zu müssen, wurden dem Lande grosse Summen Geldes entzogen.
Hiergegen wurden mancherlei Vorschläge gemacht. 1737 wurde in
Broschüren und Zeitungen agitiert, dass England seinen Bedarf an Eisen
und Hanf, den zwei wichtigsten Artikeln für das Land und die Flotte,
aus seinen Kolonieen in Nordamerika beziehen sollte. Infolgedessen
kam eine Petition der Kaufleute an das Parlament zu stande, in wel-
cher vorgebracht wurde, dass England 1. jährlich über 20000 Tons

1) Nach Karsten I, S. 64. Smiles giebt sogar nur 18000 Tons an.
England.

Alle diese Öfen wurden mit Holzkohlen betrieben. Obgleich in der
Periode mindestens zwei Hochöfen mit Koksbetrieb in Coalbrookdale im
Gange waren, stieg die Jahresproduktion bis zum Jahre 1750 doch nur auf
22000 Tons 1), was sich leicht daraus erklärt, daſs die Kokshochöfen,
solange man sie mit den alten Blasebälgen betrieb, keine höhere
Tagesproduktion hatten als die Holzkohlenhochöfen, etwa 1 Tonne
den Tag. — England muſste damals ⅘ seines Eisenbedarfs aus dem
Auslande beziehen. Der Bedarf an Eisen und die Fabrikation von
Eisen- und Stahlwaren war sehr gestiegen, aber nur selten wurde
einmal ein neues Hochofenwerk gegründet, wie beispielsweise das
1735 von Cookson erbaute bei Chester-le-Street. Dieser erste Hoch-
ofen der eisenreichen Grafschaft Durham war 10,50 m hoch und
lieferte 25 Tonnen Roheisen wöchentlich, eine für jene Zeit sehr
beträchtliche Produktion. 1740 wurde ein Hochofen für Koksbetrieb
zu Pontypool in Monmouthshire errichtet. Birmingham verarbeitete
hauptsächlich das Eisen von Staffordshire und den Stahl, welchen
Sheffield und Newcastle lieferten.

1727 geschieht des groſsen Wachstums der Stadt Birmingham,
oder richtiger des Dorfes Birmingham, denn wie Manchester blieb es
noch ein solches, trotz seiner Bevölkerungszunahme, Erwähnung.
Wie Anderson sagt, verdankte Birmingham sein ungeheures Wachs-
tum durchaus der Eisen- und Metallwarenfabrikation, wodurch es
50000 Menschen beschäftigte resp. ernährte. Ein Hauptnahrungszweig
war die Gewehrfabrikation geworden, welche unter Wilhelm III.
hier entstanden war.

Die Regierung und das Parlament suchten die Eisenindustrie nach
Möglichkeit zu fördern. 1722 wurde unter dem Ministerium Walpole
eine Parlamentsakte erlassen, welche der Ausfuhr der englischen Manu-
fakturwarenindustrie groſse Handelserleichterungen durch Aufhebung
von Zoll und Accise und Gewährung von Prämien und Zollrückvergütungen
gewährte. Durch die Notwendigkeit, alles Qualitätseisen im Auslande
kaufen zu müssen, wurden dem Lande groſse Summen Geldes entzogen.
Hiergegen wurden mancherlei Vorschläge gemacht. 1737 wurde in
Broschüren und Zeitungen agitiert, daſs England seinen Bedarf an Eisen
und Hanf, den zwei wichtigsten Artikeln für das Land und die Flotte,
aus seinen Kolonieen in Nordamerika beziehen sollte. Infolgedessen
kam eine Petition der Kaufleute an das Parlament zu stande, in wel-
cher vorgebracht wurde, daſs England 1. jährlich über 20000 Tons

1) Nach Karsten I, S. 64. Smiles giebt sogar nur 18000 Tons an.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f1084" n="1070"/>
            <fw place="top" type="header">England.</fw><lb/>
            <p>Alle diese Öfen wurden mit Holzkohlen betrieben. Obgleich in der<lb/>
Periode mindestens zwei Hochöfen mit Koksbetrieb in Coalbrookdale im<lb/>
Gange waren, stieg die Jahresproduktion bis zum Jahre 1750 doch nur auf<lb/>
22000 Tons <note place="foot" n="1)">Nach <hi rendition="#g">Karsten</hi> I, S. 64. <hi rendition="#g">Smiles</hi> giebt sogar nur 18000 Tons an.</note>, was sich leicht daraus erklärt, da&#x017F;s die Kokshochöfen,<lb/>
solange man sie mit den alten Blasebälgen betrieb, keine höhere<lb/>
Tagesproduktion hatten als die Holzkohlenhochöfen, etwa 1 Tonne<lb/>
den Tag. &#x2014; England mu&#x017F;ste damals &#x2158; seines Eisenbedarfs aus dem<lb/>
Auslande beziehen. Der Bedarf an Eisen und die Fabrikation von<lb/>
Eisen- und Stahlwaren war sehr gestiegen, aber nur selten wurde<lb/>
einmal ein neues Hochofenwerk gegründet, wie beispielsweise das<lb/>
1735 von <hi rendition="#g">Cookson</hi> erbaute bei Chester-le-Street. Dieser erste Hoch-<lb/>
ofen der eisenreichen Grafschaft Durham war 10,50 m hoch und<lb/>
lieferte 25 Tonnen Roheisen wöchentlich, eine für jene Zeit sehr<lb/>
beträchtliche Produktion. 1740 wurde ein Hochofen für Koksbetrieb<lb/>
zu Pontypool in Monmouthshire errichtet. Birmingham verarbeitete<lb/>
hauptsächlich das Eisen von Staffordshire und den Stahl, welchen<lb/>
Sheffield und Newcastle lieferten.</p><lb/>
            <p>1727 geschieht des gro&#x017F;sen Wachstums der Stadt Birmingham,<lb/>
oder richtiger des Dorfes Birmingham, denn wie Manchester blieb es<lb/>
noch ein solches, trotz seiner Bevölkerungszunahme, Erwähnung.<lb/>
Wie <hi rendition="#g">Anderson</hi> sagt, verdankte Birmingham sein ungeheures Wachs-<lb/>
tum durchaus der Eisen- und Metallwarenfabrikation, wodurch es<lb/>
50000 Menschen beschäftigte resp. ernährte. Ein Hauptnahrungszweig<lb/>
war die Gewehrfabrikation geworden, welche unter <hi rendition="#g">Wilhelm</hi> III.<lb/>
hier entstanden war.</p><lb/>
            <p>Die Regierung und das Parlament suchten die Eisenindustrie nach<lb/>
Möglichkeit zu fördern. 1722 wurde unter dem Ministerium <hi rendition="#g">Walpole</hi><lb/>
eine Parlamentsakte erlassen, welche der Ausfuhr der englischen Manu-<lb/>
fakturwarenindustrie gro&#x017F;se Handelserleichterungen durch Aufhebung<lb/>
von Zoll und Accise und Gewährung von Prämien und Zollrückvergütungen<lb/>
gewährte. Durch die Notwendigkeit, alles Qualitätseisen im Auslande<lb/>
kaufen zu müssen, wurden dem Lande gro&#x017F;se Summen Geldes entzogen.<lb/>
Hiergegen wurden mancherlei Vorschläge gemacht. 1737 wurde in<lb/>
Broschüren und Zeitungen agitiert, da&#x017F;s England seinen Bedarf an Eisen<lb/>
und Hanf, den zwei wichtigsten Artikeln für das Land und die Flotte,<lb/>
aus seinen Kolonieen in Nordamerika beziehen sollte. Infolgedessen<lb/>
kam eine Petition der Kaufleute an das Parlament zu stande, in wel-<lb/>
cher vorgebracht wurde, da&#x017F;s England 1. jährlich über 20000 Tons<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1070/1084] England. Alle diese Öfen wurden mit Holzkohlen betrieben. Obgleich in der Periode mindestens zwei Hochöfen mit Koksbetrieb in Coalbrookdale im Gange waren, stieg die Jahresproduktion bis zum Jahre 1750 doch nur auf 22000 Tons 1), was sich leicht daraus erklärt, daſs die Kokshochöfen, solange man sie mit den alten Blasebälgen betrieb, keine höhere Tagesproduktion hatten als die Holzkohlenhochöfen, etwa 1 Tonne den Tag. — England muſste damals ⅘ seines Eisenbedarfs aus dem Auslande beziehen. Der Bedarf an Eisen und die Fabrikation von Eisen- und Stahlwaren war sehr gestiegen, aber nur selten wurde einmal ein neues Hochofenwerk gegründet, wie beispielsweise das 1735 von Cookson erbaute bei Chester-le-Street. Dieser erste Hoch- ofen der eisenreichen Grafschaft Durham war 10,50 m hoch und lieferte 25 Tonnen Roheisen wöchentlich, eine für jene Zeit sehr beträchtliche Produktion. 1740 wurde ein Hochofen für Koksbetrieb zu Pontypool in Monmouthshire errichtet. Birmingham verarbeitete hauptsächlich das Eisen von Staffordshire und den Stahl, welchen Sheffield und Newcastle lieferten. 1727 geschieht des groſsen Wachstums der Stadt Birmingham, oder richtiger des Dorfes Birmingham, denn wie Manchester blieb es noch ein solches, trotz seiner Bevölkerungszunahme, Erwähnung. Wie Anderson sagt, verdankte Birmingham sein ungeheures Wachs- tum durchaus der Eisen- und Metallwarenfabrikation, wodurch es 50000 Menschen beschäftigte resp. ernährte. Ein Hauptnahrungszweig war die Gewehrfabrikation geworden, welche unter Wilhelm III. hier entstanden war. Die Regierung und das Parlament suchten die Eisenindustrie nach Möglichkeit zu fördern. 1722 wurde unter dem Ministerium Walpole eine Parlamentsakte erlassen, welche der Ausfuhr der englischen Manu- fakturwarenindustrie groſse Handelserleichterungen durch Aufhebung von Zoll und Accise und Gewährung von Prämien und Zollrückvergütungen gewährte. Durch die Notwendigkeit, alles Qualitätseisen im Auslande kaufen zu müssen, wurden dem Lande groſse Summen Geldes entzogen. Hiergegen wurden mancherlei Vorschläge gemacht. 1737 wurde in Broschüren und Zeitungen agitiert, daſs England seinen Bedarf an Eisen und Hanf, den zwei wichtigsten Artikeln für das Land und die Flotte, aus seinen Kolonieen in Nordamerika beziehen sollte. Infolgedessen kam eine Petition der Kaufleute an das Parlament zu stande, in wel- cher vorgebracht wurde, daſs England 1. jährlich über 20000 Tons 1) Nach Karsten I, S. 64. Smiles giebt sogar nur 18000 Tons an.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/1084
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 1070. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/1084>, abgerufen am 20.05.2024.