Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite

Russland.
sie aus der Grube kamen, auf die grossen Rösthaufen gestürzt, die
bei den Bergerzen zuweilen über 300000 Pud fassten. Rasenerze
röstete man in Haufen von 30000 bis 50000 Pud. Man fand in den
Haufen nach dem Rösten meist eine Menge totgeröstetes, d. h. in Renn-
stöcke zusammengeschmolzenes Erz, welches, da es die Schmelzung
verdarb, ausgehalten werden musste. Das geröstete Erz wurde gewöhn-
lich erst auf der Hütte mit Handhämmern zerkleinert. Ein Gattieren
der Erze fand in der Regel nicht statt; als Zuschlag war gebrannter,
zu Mehl zerfallener Kalk am gebräuchlichsten, von dem gewöhn-
lich 6 bis 8 Proz. zugeschlagen wurden. Die Aufgabe oder Schicht
bestand aus 1 bis 11/4 Korb Kohlen, 20 bis 30, an einigen Orten
bis 40 Pud Erz und 3 bis 4 Pud Fluss. Bei gutem Gang wurden
davon 20 bis 30 durchgesetzt. Man rechnete, dass das Erz 10 bis
15 Stunden Zeit gebrauchte, bis es von der Gicht (Schür) bis vor die
Form kam.

Bei jedem Hochofen, bei dem nur Roheisen erblasen wurde, waren
12 Mann, die sich Tag und Nacht abwechselten. -- Die Schlacken
wurden abgezogen und mit Wasser begossen. Das Eisen wurde drei-
bis viermal am Tage abgestochen, und je nach der Grösse lieferte ein
Ofen 200 bis 700 Pud, also bis 111/2 Tonnen Roheisen. Die grossen
russischen Öfen hatten bei weitem die grösste Produktion, welche bei
Holzkohlenöfen damals erreicht wurde. Den Ofengang beurteilte man
nur nach der Beschaffenheit des Eisens. Das Roheisen war meist
körnig-grau und musste rein und flüssig im Herde stehen. Ein Hoch-
ofen ging, wenn nicht Mangel an Wasser oder Materialien eintrat,
8 bis 12 Monate, ausnahmsweise 11/2 bis 2 Jahre. Im Durchschnitt
betrug die Produktion eines mittleren sibirischen Hochofens 100000 Pud
im Jahre. Der Kohlenverbrauch betrug zu Nischne-Tagilsk 1 5/7 Pfd.
Kohlen auf 1 Pfd. Roheisen; unter sehr günstigen Bedingungen sank
er bis 12/15, dagegen betrug er in dem 37 Fuss hohen Ofen von
Kuschinsk 25/9.

Wie man mit Vorliebe zwei Hochöfen zusammenbaute, so baute
man auch meistens zwei Frischherde unter einem Schornstein oder
Esskobel zusammen. Der Herd hatte einen Sandstein als Bodenstein.
Statt des Sinterblechs waren zwei etwa 41/2 cm voneinander ab-
stehende Gusseisenblöcke eingesetzt. Der Herd war viereckig, die
eiserne oder kupferne Form mit rundem Rüssel. Die Bälge bei den
Frischherden waren von Holz, mit dem Kopf 5 Arschinen (3,55 m)
lang; die der Reck- und Schmiedefeuer waren von Leder. Die
Luppen- oder Krizhämmer waren 18 bis 24 Pud (300 bis 400 kg)

Ruſsland.
sie aus der Grube kamen, auf die groſsen Rösthaufen gestürzt, die
bei den Bergerzen zuweilen über 300000 Pud faſsten. Rasenerze
röstete man in Haufen von 30000 bis 50000 Pud. Man fand in den
Haufen nach dem Rösten meist eine Menge totgeröstetes, d. h. in Renn-
stöcke zusammengeschmolzenes Erz, welches, da es die Schmelzung
verdarb, ausgehalten werden muſste. Das geröstete Erz wurde gewöhn-
lich erst auf der Hütte mit Handhämmern zerkleinert. Ein Gattieren
der Erze fand in der Regel nicht statt; als Zuschlag war gebrannter,
zu Mehl zerfallener Kalk am gebräuchlichsten, von dem gewöhn-
lich 6 bis 8 Proz. zugeschlagen wurden. Die Aufgabe oder Schicht
bestand aus 1 bis 1¼ Korb Kohlen, 20 bis 30, an einigen Orten
bis 40 Pud Erz und 3 bis 4 Pud Fluſs. Bei gutem Gang wurden
davon 20 bis 30 durchgesetzt. Man rechnete, daſs das Erz 10 bis
15 Stunden Zeit gebrauchte, bis es von der Gicht (Schür) bis vor die
Form kam.

Bei jedem Hochofen, bei dem nur Roheisen erblasen wurde, waren
12 Mann, die sich Tag und Nacht abwechselten. — Die Schlacken
wurden abgezogen und mit Wasser begossen. Das Eisen wurde drei-
bis viermal am Tage abgestochen, und je nach der Gröſse lieferte ein
Ofen 200 bis 700 Pud, also bis 11½ Tonnen Roheisen. Die groſsen
russischen Öfen hatten bei weitem die gröſste Produktion, welche bei
Holzkohlenöfen damals erreicht wurde. Den Ofengang beurteilte man
nur nach der Beschaffenheit des Eisens. Das Roheisen war meist
körnig-grau und muſste rein und flüssig im Herde stehen. Ein Hoch-
ofen ging, wenn nicht Mangel an Wasser oder Materialien eintrat,
8 bis 12 Monate, ausnahmsweise 1½ bis 2 Jahre. Im Durchschnitt
betrug die Produktion eines mittleren sibirischen Hochofens 100000 Pud
im Jahre. Der Kohlenverbrauch betrug zu Nischne-Tagilsk 1 5/7 Pfd.
Kohlen auf 1 Pfd. Roheisen; unter sehr günstigen Bedingungen sank
er bis 12/15, dagegen betrug er in dem 37 Fuſs hohen Ofen von
Kuschinsk 25/9.

Wie man mit Vorliebe zwei Hochöfen zusammenbaute, so baute
man auch meistens zwei Frischherde unter einem Schornstein oder
Eſskobel zusammen. Der Herd hatte einen Sandstein als Bodenstein.
Statt des Sinterblechs waren zwei etwa 4½ cm voneinander ab-
stehende Guſseisenblöcke eingesetzt. Der Herd war viereckig, die
eiserne oder kupferne Form mit rundem Rüssel. Die Bälge bei den
Frischherden waren von Holz, mit dem Kopf 5 Arschinen (3,55 m)
lang; die der Reck- und Schmiedefeuer waren von Leder. Die
Luppen- oder Krizhämmer waren 18 bis 24 Pud (300 bis 400 kg)

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f1156" n="1142"/><fw place="top" type="header">Ru&#x017F;sland.</fw><lb/>
sie aus der Grube kamen, auf die gro&#x017F;sen Rösthaufen gestürzt, die<lb/>
bei den Bergerzen zuweilen über 300000 Pud fa&#x017F;sten. Rasenerze<lb/>
röstete man in Haufen von 30000 bis 50000 Pud. Man fand in den<lb/>
Haufen nach dem Rösten meist eine Menge totgeröstetes, d. h. in Renn-<lb/>
stöcke zusammengeschmolzenes Erz, welches, da es die Schmelzung<lb/>
verdarb, ausgehalten werden mu&#x017F;ste. Das geröstete Erz wurde gewöhn-<lb/>
lich erst auf der Hütte mit Handhämmern zerkleinert. Ein Gattieren<lb/>
der Erze fand in der Regel nicht statt; als Zuschlag war gebrannter,<lb/>
zu Mehl zerfallener Kalk am gebräuchlichsten, von dem gewöhn-<lb/>
lich 6 bis 8 Proz. zugeschlagen wurden. Die Aufgabe oder Schicht<lb/>
bestand aus 1 bis 1¼ Korb Kohlen, 20 bis 30, an einigen Orten<lb/>
bis 40 Pud Erz und 3 bis 4 Pud Flu&#x017F;s. Bei gutem Gang wurden<lb/>
davon 20 bis 30 durchgesetzt. Man rechnete, da&#x017F;s das Erz 10 bis<lb/>
15 Stunden Zeit gebrauchte, bis es von der Gicht (Schür) bis vor die<lb/>
Form kam.</p><lb/>
            <p>Bei jedem Hochofen, bei dem nur Roheisen erblasen wurde, waren<lb/>
12 Mann, die sich Tag und Nacht abwechselten. &#x2014; Die Schlacken<lb/>
wurden abgezogen und mit Wasser begossen. Das Eisen wurde drei-<lb/>
bis viermal am Tage abgestochen, und je nach der Grö&#x017F;se lieferte ein<lb/>
Ofen 200 bis 700 Pud, also bis 11½ Tonnen Roheisen. Die gro&#x017F;sen<lb/>
russischen Öfen hatten bei weitem die grö&#x017F;ste Produktion, welche bei<lb/>
Holzkohlenöfen damals erreicht wurde. Den Ofengang beurteilte man<lb/>
nur nach der Beschaffenheit des Eisens. Das Roheisen war meist<lb/>
körnig-grau und mu&#x017F;ste rein und flüssig im Herde stehen. Ein Hoch-<lb/>
ofen ging, wenn nicht Mangel an Wasser oder Materialien eintrat,<lb/>
8 bis 12 Monate, ausnahmsweise 1½ bis 2 Jahre. Im Durchschnitt<lb/>
betrug die Produktion eines mittleren sibirischen Hochofens 100000 Pud<lb/>
im Jahre. Der Kohlenverbrauch betrug zu Nischne-Tagilsk 1 5/7 Pfd.<lb/>
Kohlen auf 1 Pfd. Roheisen; unter sehr günstigen Bedingungen sank<lb/>
er bis 12/15, dagegen betrug er in dem 37 Fu&#x017F;s hohen Ofen von<lb/>
Kuschinsk 25/9.</p><lb/>
            <p>Wie man mit Vorliebe zwei Hochöfen zusammenbaute, so baute<lb/>
man auch meistens zwei Frischherde unter einem Schornstein oder<lb/>
E&#x017F;skobel zusammen. Der Herd hatte einen Sandstein als Bodenstein.<lb/>
Statt des Sinterblechs waren zwei etwa 4½ cm voneinander ab-<lb/>
stehende Gu&#x017F;seisenblöcke eingesetzt. Der Herd war viereckig, die<lb/>
eiserne oder kupferne Form mit rundem Rüssel. Die Bälge bei den<lb/>
Frischherden waren von Holz, mit dem Kopf 5 Arschinen (3,55 m)<lb/>
lang; die der Reck- und Schmiedefeuer waren von Leder. Die<lb/>
Luppen- oder Krizhämmer waren 18 bis 24 Pud (300 bis 400 kg)<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1142/1156] Ruſsland. sie aus der Grube kamen, auf die groſsen Rösthaufen gestürzt, die bei den Bergerzen zuweilen über 300000 Pud faſsten. Rasenerze röstete man in Haufen von 30000 bis 50000 Pud. Man fand in den Haufen nach dem Rösten meist eine Menge totgeröstetes, d. h. in Renn- stöcke zusammengeschmolzenes Erz, welches, da es die Schmelzung verdarb, ausgehalten werden muſste. Das geröstete Erz wurde gewöhn- lich erst auf der Hütte mit Handhämmern zerkleinert. Ein Gattieren der Erze fand in der Regel nicht statt; als Zuschlag war gebrannter, zu Mehl zerfallener Kalk am gebräuchlichsten, von dem gewöhn- lich 6 bis 8 Proz. zugeschlagen wurden. Die Aufgabe oder Schicht bestand aus 1 bis 1¼ Korb Kohlen, 20 bis 30, an einigen Orten bis 40 Pud Erz und 3 bis 4 Pud Fluſs. Bei gutem Gang wurden davon 20 bis 30 durchgesetzt. Man rechnete, daſs das Erz 10 bis 15 Stunden Zeit gebrauchte, bis es von der Gicht (Schür) bis vor die Form kam. Bei jedem Hochofen, bei dem nur Roheisen erblasen wurde, waren 12 Mann, die sich Tag und Nacht abwechselten. — Die Schlacken wurden abgezogen und mit Wasser begossen. Das Eisen wurde drei- bis viermal am Tage abgestochen, und je nach der Gröſse lieferte ein Ofen 200 bis 700 Pud, also bis 11½ Tonnen Roheisen. Die groſsen russischen Öfen hatten bei weitem die gröſste Produktion, welche bei Holzkohlenöfen damals erreicht wurde. Den Ofengang beurteilte man nur nach der Beschaffenheit des Eisens. Das Roheisen war meist körnig-grau und muſste rein und flüssig im Herde stehen. Ein Hoch- ofen ging, wenn nicht Mangel an Wasser oder Materialien eintrat, 8 bis 12 Monate, ausnahmsweise 1½ bis 2 Jahre. Im Durchschnitt betrug die Produktion eines mittleren sibirischen Hochofens 100000 Pud im Jahre. Der Kohlenverbrauch betrug zu Nischne-Tagilsk 1 5/7 Pfd. Kohlen auf 1 Pfd. Roheisen; unter sehr günstigen Bedingungen sank er bis 12/15, dagegen betrug er in dem 37 Fuſs hohen Ofen von Kuschinsk 25/9. Wie man mit Vorliebe zwei Hochöfen zusammenbaute, so baute man auch meistens zwei Frischherde unter einem Schornstein oder Eſskobel zusammen. Der Herd hatte einen Sandstein als Bodenstein. Statt des Sinterblechs waren zwei etwa 4½ cm voneinander ab- stehende Guſseisenblöcke eingesetzt. Der Herd war viereckig, die eiserne oder kupferne Form mit rundem Rüssel. Die Bälge bei den Frischherden waren von Holz, mit dem Kopf 5 Arschinen (3,55 m) lang; die der Reck- und Schmiedefeuer waren von Leder. Die Luppen- oder Krizhämmer waren 18 bis 24 Pud (300 bis 400 kg)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/1156
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 1142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/1156>, abgerufen am 24.11.2024.