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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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Direkte Schmiedeeisengewinnung.
überhaupt nur jedesmal zwei bis drei Tage. In einer Woche erzeugt
man 60 bis 70 Ctr. Eisen. Aus dieser Beschreibung scheint hervor-
zugehen, dass man in diesen Öfen abwechselnd Gusseisen und Schmiede-
eisen erzeugte, ähnlich wie bei den Blauöfen im Schmalkaldischen.

Eine andere eigentümliche Schmelzmethode, welche in der Gegend
von Rom betrieben wurde, beschreibt Boccone 1):

Das Erz bestand aus einer roten Erde. Alle sechs Stunden stach
man ab. Bei der ersten Schmelzung erhielt man Klumpen von 200
bis 300 Pfund. Das geschmolzene Metall sah dem weissen Markasit
(Wasserkies) ähnlich, war spröde und nicht zu verwenden. Es wurde
in kleine Stücke zerschlagen, und nachdem alles Eisen erster Schmelzung
aus dem Ofen gelaufen war, von neuem in demselben Ofen nieder-
geschmolzen. Nach acht Stunden öffnet man den Ofen zum Abstich.
Das umgeschmolzene Eisen hat die Markasitfarbe nicht mehr, sondern
bildet Stücke von rohem, höckerigem, ungleichförmigem Eisen, welches
altem Eisen ähnlich sah. -- Dies war wohl kein Gusseisen, sondern
eine Rohluppe, wie das Stück in Stücköfen, welche hier also erst bei
einer zweiten Schmelzung entstand.

Ausser diesen direkten Gewinnungsmethoden, welche sich aus den
ersten und ältesten Versuchen der Eisenbereitung historisch entwickelt
haben, beschreibt Swedenborg ein ganz neues Verfahren dieser Art 2),
welches in England versuchsweise unternommen worden war, nämlich
das Ausschmelzen von Eisenerzen im Flammofen mit Koks 3).
Im Jahre 1729 wurden drei engl. Meilen von Whitehaven diese Ver-
suche begonnen. Man mischte gepochtes Erz von Cumberland mit
gemahlener Steinkohle. Zunächst wurden 8 Mass oder 172 Pfund
gepochtes Erz auf dem Herd eines Flamm- oder Reverberierofens
(in furnum anemium, seu quem reverberii vocant) aufgetragen und
acht bis zehn Minuten lang gebrannt und geröstet, wobei 8 Mass
rohes Erz 61/2 Mass oder 143 Pfund Röstgut gaben. Diesem gerösteten
Erz wurde dann 1/2 Mass ungeröstetes zugemischt, so dass die Masse
154 Pfund wog, welche in einer Mühle feingemahlen wurde. Dieses
Erzpulver vermischte man alsdann mit 5 Mass oder 35 Pfund Stein-
kohle, setzte dann 1 Mass Töpferthon zu, feuchtete die Masse mit
2 Mass (2 cyathorum vel sitularum aquae) Wasser an und mischte

1) In den Museo di fisica et di experienze etc. Siehe Courtivron und
Bouchu in v. Justis Schauplatz der Künste und Handwerke, III, S. 35.
2) Tentamen novum Angliae venam ferri fundendi in caminis reverberii per
carbones lapideos sive fossiles. Swedenborgius, loc. cit. p. 160.
3) Per carbones adustos fossiles.

Direkte Schmiedeeisengewinnung.
überhaupt nur jedesmal zwei bis drei Tage. In einer Woche erzeugt
man 60 bis 70 Ctr. Eisen. Aus dieser Beschreibung scheint hervor-
zugehen, daſs man in diesen Öfen abwechselnd Guſseisen und Schmiede-
eisen erzeugte, ähnlich wie bei den Blauöfen im Schmalkaldischen.

Eine andere eigentümliche Schmelzmethode, welche in der Gegend
von Rom betrieben wurde, beschreibt Boccone 1):

Das Erz bestand aus einer roten Erde. Alle sechs Stunden stach
man ab. Bei der ersten Schmelzung erhielt man Klumpen von 200
bis 300 Pfund. Das geschmolzene Metall sah dem weiſsen Markasit
(Wasserkies) ähnlich, war spröde und nicht zu verwenden. Es wurde
in kleine Stücke zerschlagen, und nachdem alles Eisen erster Schmelzung
aus dem Ofen gelaufen war, von neuem in demselben Ofen nieder-
geschmolzen. Nach acht Stunden öffnet man den Ofen zum Abstich.
Das umgeschmolzene Eisen hat die Markasitfarbe nicht mehr, sondern
bildet Stücke von rohem, höckerigem, ungleichförmigem Eisen, welches
altem Eisen ähnlich sah. — Dies war wohl kein Guſseisen, sondern
eine Rohluppe, wie das Stück in Stücköfen, welche hier also erst bei
einer zweiten Schmelzung entstand.

Auſser diesen direkten Gewinnungsmethoden, welche sich aus den
ersten und ältesten Versuchen der Eisenbereitung historisch entwickelt
haben, beschreibt Swedenborg ein ganz neues Verfahren dieser Art 2),
welches in England versuchsweise unternommen worden war, nämlich
das Ausschmelzen von Eisenerzen im Flammofen mit Koks 3).
Im Jahre 1729 wurden drei engl. Meilen von Whitehaven diese Ver-
suche begonnen. Man mischte gepochtes Erz von Cumberland mit
gemahlener Steinkohle. Zunächst wurden 8 Maſs oder 172 Pfund
gepochtes Erz auf dem Herd eines Flamm- oder Reverberierofens
(in furnum anemium, seu quem reverberii vocant) aufgetragen und
acht bis zehn Minuten lang gebrannt und geröstet, wobei 8 Maſs
rohes Erz 6½ Maſs oder 143 Pfund Röstgut gaben. Diesem gerösteten
Erz wurde dann ½ Maſs ungeröstetes zugemischt, so daſs die Masse
154 Pfund wog, welche in einer Mühle feingemahlen wurde. Dieses
Erzpulver vermischte man alsdann mit 5 Maſs oder 35 Pfund Stein-
kohle, setzte dann 1 Maſs Töpferthon zu, feuchtete die Masse mit
2 Maſs (2 cyathorum vel sitularum aquae) Wasser an und mischte

1) In den Museo di fisica et di experienze etc. Siehe Courtivron und
Bouchu in v. Justis Schauplatz der Künste und Handwerke, III, S. 35.
2) Tentamen novum Angliae venam ferri fundendi in caminis reverberii per
carbones lapideos sive fossiles. Swedenborgius, loc. cit. p. 160.
3) Per carbones adustos fossiles.
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[130/0144] Direkte Schmiedeeisengewinnung. überhaupt nur jedesmal zwei bis drei Tage. In einer Woche erzeugt man 60 bis 70 Ctr. Eisen. Aus dieser Beschreibung scheint hervor- zugehen, daſs man in diesen Öfen abwechselnd Guſseisen und Schmiede- eisen erzeugte, ähnlich wie bei den Blauöfen im Schmalkaldischen. Eine andere eigentümliche Schmelzmethode, welche in der Gegend von Rom betrieben wurde, beschreibt Boccone 1): Das Erz bestand aus einer roten Erde. Alle sechs Stunden stach man ab. Bei der ersten Schmelzung erhielt man Klumpen von 200 bis 300 Pfund. Das geschmolzene Metall sah dem weiſsen Markasit (Wasserkies) ähnlich, war spröde und nicht zu verwenden. Es wurde in kleine Stücke zerschlagen, und nachdem alles Eisen erster Schmelzung aus dem Ofen gelaufen war, von neuem in demselben Ofen nieder- geschmolzen. Nach acht Stunden öffnet man den Ofen zum Abstich. Das umgeschmolzene Eisen hat die Markasitfarbe nicht mehr, sondern bildet Stücke von rohem, höckerigem, ungleichförmigem Eisen, welches altem Eisen ähnlich sah. — Dies war wohl kein Guſseisen, sondern eine Rohluppe, wie das Stück in Stücköfen, welche hier also erst bei einer zweiten Schmelzung entstand. Auſser diesen direkten Gewinnungsmethoden, welche sich aus den ersten und ältesten Versuchen der Eisenbereitung historisch entwickelt haben, beschreibt Swedenborg ein ganz neues Verfahren dieser Art 2), welches in England versuchsweise unternommen worden war, nämlich das Ausschmelzen von Eisenerzen im Flammofen mit Koks 3). Im Jahre 1729 wurden drei engl. Meilen von Whitehaven diese Ver- suche begonnen. Man mischte gepochtes Erz von Cumberland mit gemahlener Steinkohle. Zunächst wurden 8 Maſs oder 172 Pfund gepochtes Erz auf dem Herd eines Flamm- oder Reverberierofens (in furnum anemium, seu quem reverberii vocant) aufgetragen und acht bis zehn Minuten lang gebrannt und geröstet, wobei 8 Maſs rohes Erz 6½ Maſs oder 143 Pfund Röstgut gaben. Diesem gerösteten Erz wurde dann ½ Maſs ungeröstetes zugemischt, so daſs die Masse 154 Pfund wog, welche in einer Mühle feingemahlen wurde. Dieses Erzpulver vermischte man alsdann mit 5 Maſs oder 35 Pfund Stein- kohle, setzte dann 1 Maſs Töpferthon zu, feuchtete die Masse mit 2 Maſs (2 cyathorum vel sitularum aquae) Wasser an und mischte 1) In den Museo di fisica et di experienze etc. Siehe Courtivron und Bouchu in v. Justis Schauplatz der Künste und Handwerke, III, S. 35. 2) Tentamen novum Angliae venam ferri fundendi in caminis reverberii per carbones lapideos sive fossiles. Swedenborgius, loc. cit. p. 160. 3) Per carbones adustos fossiles.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/144>, abgerufen am 24.11.2024.