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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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Eisen- und Stahlfrischen.
Sicheln u. s. w. machten, mit welchen sie durch ganz Schweden
hausierten. Man beförderte die Stahlbildung dadurch, dass man das
Eisen über dem Fokus rasch einschmolz und es längere Zeit in Glut
erhielt, dann die Kohlen wegzog und es erkalten liess.

In Südfrankreich wurde bei Alwar (Allevard) in der Dauphine
Stahl aus dem Roheisen, dessen Darstellung wir oben beschrieben
haben, gefrischt. Der Stahlfrischherd (l'affinerie) war tiefer als die
gewöhnlichen Frischfeuer. Er war von Eisenzacken zusammengesetzt.
Das eingeschmolzene Roheisen wurde nicht umgerührt, sondern in
Ruhe gelassen, bis der Herd voll war. Sobald dies geschehen, wurde
der Wind abgestellt und die Masse kalt werden gelassen 1). Die
obere Kruste, hauptsächlich aus Schlacken bestehend, wurde entfernt
und die Luppe unter dem Hammer in Stangen geschmiedet. Diese
wurden in einem zweiten Ausheizherd (Chaufferie) erhitzt, doch nicht
so sehr, wie zuvor. Man warf auch Sand auf, um die Hitze zu mässigen.
Man schmiedete die Stangen zu dünneren Stäben aus, die noch glühend
in kaltes Wasser geworfen wurden.

Eine genauere Beschreibung der französischen Stahlfrischfeuer
hat Reaumur in seiner berühmten Abhandlung über die Cement-
stahlfabrikation (S. 245) mitgeteilt.

"Zum Stahlfrischen kann man weisses Roheisen nehmen, doch zieht
man gewöhnlich hellgraues (mediocrement grise) vor, d. h. ein weniger
reines. Nicht als ob man mehr von den erdigen und Schlackenstoffen
im Stahl als im Eisen haben wollte, sondern weil man kein so
starkes Feuer beim Stahlfrischen anwenden darf, und weil sich bei
schwachem Feuer die Unreinigkeiten leichter von dem grauen Roh-
eisen abscheiden lassen.

Die Methoden, die man beim Stahlfrischen anwendet, sind nicht
so gleichmässig, wie die beim Eisenfrischen; im allgemeinen lässt sich
sagen, dass man die Gans oder das Roheisen in einem tieferen Herd
einschmilzt. Es giebt Gegenden, wo man die Herde 2 Fuss, ja bis
21/2 Fuss tief macht. Man lässt den eingeschmolzenen Guss, der von
glühenden Kohlen bedeckt ist, in Ruhe; der Wind trifft nur das ein-
schmelzende Roheisen und man stellt denselben ab, sobald genug
niedergeschmolzen, beziehungsweise der Herd gefüllt ist. In einigen
Gegenden sticht man am unteren Teil des Tiegels oder Zerrennherdes
(affinerie) ab und lässt die Masse in dünnen Platten auslaufen, in

1) Swedenborgs Darstellung ist hier nicht ganz klar. Es scheint, dass
man den ganzen Herdinhalt, Schlacken und Stahlbrocken, vorn aus dem Herd
herauszog und sie vor dem Herd erkalten liess.

Eisen- und Stahlfrischen.
Sicheln u. s. w. machten, mit welchen sie durch ganz Schweden
hausierten. Man beförderte die Stahlbildung dadurch, daſs man das
Eisen über dem Fokus rasch einschmolz und es längere Zeit in Glut
erhielt, dann die Kohlen wegzog und es erkalten lieſs.

In Südfrankreich wurde bei Alwar (Allevard) in der Dauphiné
Stahl aus dem Roheisen, dessen Darstellung wir oben beschrieben
haben, gefrischt. Der Stahlfrischherd (l’affinerie) war tiefer als die
gewöhnlichen Frischfeuer. Er war von Eisenzacken zusammengesetzt.
Das eingeschmolzene Roheisen wurde nicht umgerührt, sondern in
Ruhe gelassen, bis der Herd voll war. Sobald dies geschehen, wurde
der Wind abgestellt und die Masse kalt werden gelassen 1). Die
obere Kruste, hauptsächlich aus Schlacken bestehend, wurde entfernt
und die Luppe unter dem Hammer in Stangen geschmiedet. Diese
wurden in einem zweiten Ausheizherd (Chaufferie) erhitzt, doch nicht
so sehr, wie zuvor. Man warf auch Sand auf, um die Hitze zu mäſsigen.
Man schmiedete die Stangen zu dünneren Stäben aus, die noch glühend
in kaltes Wasser geworfen wurden.

Eine genauere Beschreibung der französischen Stahlfrischfeuer
hat Reaumur in seiner berühmten Abhandlung über die Cement-
stahlfabrikation (S. 245) mitgeteilt.

„Zum Stahlfrischen kann man weiſses Roheisen nehmen, doch zieht
man gewöhnlich hellgraues (mediocrement grise) vor, d. h. ein weniger
reines. Nicht als ob man mehr von den erdigen und Schlackenstoffen
im Stahl als im Eisen haben wollte, sondern weil man kein so
starkes Feuer beim Stahlfrischen anwenden darf, und weil sich bei
schwachem Feuer die Unreinigkeiten leichter von dem grauen Roh-
eisen abscheiden lassen.

Die Methoden, die man beim Stahlfrischen anwendet, sind nicht
so gleichmäſsig, wie die beim Eisenfrischen; im allgemeinen läſst sich
sagen, daſs man die Gans oder das Roheisen in einem tieferen Herd
einschmilzt. Es giebt Gegenden, wo man die Herde 2 Fuſs, ja bis
2½ Fuſs tief macht. Man läſst den eingeschmolzenen Guſs, der von
glühenden Kohlen bedeckt ist, in Ruhe; der Wind trifft nur das ein-
schmelzende Roheisen und man stellt denselben ab, sobald genug
niedergeschmolzen, beziehungsweise der Herd gefüllt ist. In einigen
Gegenden sticht man am unteren Teil des Tiegels oder Zerrennherdes
(affinerie) ab und läſst die Masse in dünnen Platten auslaufen, in

1) Swedenborgs Darstellung ist hier nicht ganz klar. Es scheint, daſs
man den ganzen Herdinhalt, Schlacken und Stahlbrocken, vorn aus dem Herd
herauszog und sie vor dem Herd erkalten lieſs.
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[197/0211] Eisen- und Stahlfrischen. Sicheln u. s. w. machten, mit welchen sie durch ganz Schweden hausierten. Man beförderte die Stahlbildung dadurch, daſs man das Eisen über dem Fokus rasch einschmolz und es längere Zeit in Glut erhielt, dann die Kohlen wegzog und es erkalten lieſs. In Südfrankreich wurde bei Alwar (Allevard) in der Dauphiné Stahl aus dem Roheisen, dessen Darstellung wir oben beschrieben haben, gefrischt. Der Stahlfrischherd (l’affinerie) war tiefer als die gewöhnlichen Frischfeuer. Er war von Eisenzacken zusammengesetzt. Das eingeschmolzene Roheisen wurde nicht umgerührt, sondern in Ruhe gelassen, bis der Herd voll war. Sobald dies geschehen, wurde der Wind abgestellt und die Masse kalt werden gelassen 1). Die obere Kruste, hauptsächlich aus Schlacken bestehend, wurde entfernt und die Luppe unter dem Hammer in Stangen geschmiedet. Diese wurden in einem zweiten Ausheizherd (Chaufferie) erhitzt, doch nicht so sehr, wie zuvor. Man warf auch Sand auf, um die Hitze zu mäſsigen. Man schmiedete die Stangen zu dünneren Stäben aus, die noch glühend in kaltes Wasser geworfen wurden. Eine genauere Beschreibung der französischen Stahlfrischfeuer hat Reaumur in seiner berühmten Abhandlung über die Cement- stahlfabrikation (S. 245) mitgeteilt. „Zum Stahlfrischen kann man weiſses Roheisen nehmen, doch zieht man gewöhnlich hellgraues (mediocrement grise) vor, d. h. ein weniger reines. Nicht als ob man mehr von den erdigen und Schlackenstoffen im Stahl als im Eisen haben wollte, sondern weil man kein so starkes Feuer beim Stahlfrischen anwenden darf, und weil sich bei schwachem Feuer die Unreinigkeiten leichter von dem grauen Roh- eisen abscheiden lassen. Die Methoden, die man beim Stahlfrischen anwendet, sind nicht so gleichmäſsig, wie die beim Eisenfrischen; im allgemeinen läſst sich sagen, daſs man die Gans oder das Roheisen in einem tieferen Herd einschmilzt. Es giebt Gegenden, wo man die Herde 2 Fuſs, ja bis 2½ Fuſs tief macht. Man läſst den eingeschmolzenen Guſs, der von glühenden Kohlen bedeckt ist, in Ruhe; der Wind trifft nur das ein- schmelzende Roheisen und man stellt denselben ab, sobald genug niedergeschmolzen, beziehungsweise der Herd gefüllt ist. In einigen Gegenden sticht man am unteren Teil des Tiegels oder Zerrennherdes (affinerie) ab und läſst die Masse in dünnen Platten auslaufen, in 1) Swedenborgs Darstellung ist hier nicht ganz klar. Es scheint, daſs man den ganzen Herdinhalt, Schlacken und Stahlbrocken, vorn aus dem Herd herauszog und sie vor dem Herd erkalten lieſs.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/211>, abgerufen am 11.05.2024.