werfen sind. Die flüssigeren Substanzen, welche man für ersteren Zweck am vorteilhaftesten verwendet, sind für den letzteren ungeeignet, weil ihre Wirkung nicht in das Innere dringt und weil dieselbe auch keine genügend nachhaltige ist, indem so erzeugter Stahl viel weniger lange Hitzen aushält als richtig bereiteter Cementstahl. Auf die Oberflächenhärtung beziehen sich vornehmlich die vielen überlieferten Rezepte von zum Teil sehr sonderbarer Zusammensetzung. Reaumur hat vielerlei Mischungen versucht und empfiehlt als besonders wir- kungsvoll einmal Russ mit Urin vermischt und getrocknet, sodann dieselbe Mischung unter Zusatz von Seesalz oder Ammoniaksalz, wo- bei letzteres den Vorzug verdiene; fernerhin getrockneten und ver- kohlten Taubenkot, den man noch wirkungsvoller machen könne durch Zusatz von Urin und Ammoniaksalz.
Reaumurs Arbeit über die Umwandlung von Schmiedeeisen in Stahl ist so gründlich, dass keine Frage unerörtert bleibt. Die von ihm auf Grund seiner zahlreichen Versuche gemachten Vorschläge sind so klar und überzeugend, dass sie zur Ausführung im grossen geradezu herausfordern. Reaumur versuchte selbst sein Verfahren im grossen Massstabe zur Ausführung zu bringen und andere Unter- nehmer in Frankreich haben es nach ihm gethan. Aber der Erfolg entsprach nicht den gehegten Erwartungen. Der Grund hierfür lag hauptsächlich darin, dass die französischen Eisensorten für diese Fabrikation wenig geeignet waren und das erhaltene Produkt weit hinter den aus bestem schwedischen Eisen hergestellten zurückstand. Dazu kam, dass die Engländer alles thaten, um diese Fabrikation in Frankreich nicht aufkommen zu lassen, worüber wir später noch be- richten werden. Dennoch bestand zur Zeit von Reaumurs Ableben die Cementstahlfabrikation in Frankreich. In dem Nachruf der Akademie heisst es: Seine Arbeit hat, nachdem verschiedene Etablisse- ments durch verschiedene Umstände fallierten, bei uns diese Kunst eingebürgert, auf welche unsere Nachbarn so eifersüchtig waren.
Wir wollen hier anfügen, was Polhem über die Cementstahl- fabrikation in Schweden mitteilt, deren Einführung von Frankreich aus daraus hervorzugehen scheint, weil die Brennkisten von französischem Thon gemacht wurden. Von einem Zusatz von Salz zu dem Kohlenpulver, wie es Reaumur vorgeschlagen hatte, weiss er aber nichts. Er sagt: man füllt die Kisten mit Stangeneisen, zwischen welches man soviel Birkenasche und Kohlenstücke thut, dass die Stangen sich nicht be- rühren können. Die Kisten stehen 7 bis 9 Zoll voneinander ab. In den Zwischenräumen sind Thonböden gelegt, auf welchen die Kisten
Die Cementstahlfabrikation.
werfen sind. Die flüssigeren Substanzen, welche man für ersteren Zweck am vorteilhaftesten verwendet, sind für den letzteren ungeeignet, weil ihre Wirkung nicht in das Innere dringt und weil dieselbe auch keine genügend nachhaltige ist, indem so erzeugter Stahl viel weniger lange Hitzen aushält als richtig bereiteter Cementstahl. Auf die Oberflächenhärtung beziehen sich vornehmlich die vielen überlieferten Rezepte von zum Teil sehr sonderbarer Zusammensetzung. Reaumur hat vielerlei Mischungen versucht und empfiehlt als besonders wir- kungsvoll einmal Ruſs mit Urin vermischt und getrocknet, sodann dieselbe Mischung unter Zusatz von Seesalz oder Ammoniaksalz, wo- bei letzteres den Vorzug verdiene; fernerhin getrockneten und ver- kohlten Taubenkot, den man noch wirkungsvoller machen könne durch Zusatz von Urin und Ammoniaksalz.
Reaumurs Arbeit über die Umwandlung von Schmiedeeisen in Stahl ist so gründlich, daſs keine Frage unerörtert bleibt. Die von ihm auf Grund seiner zahlreichen Versuche gemachten Vorschläge sind so klar und überzeugend, daſs sie zur Ausführung im groſsen geradezu herausfordern. Reaumur versuchte selbst sein Verfahren im groſsen Maſsstabe zur Ausführung zu bringen und andere Unter- nehmer in Frankreich haben es nach ihm gethan. Aber der Erfolg entsprach nicht den gehegten Erwartungen. Der Grund hierfür lag hauptsächlich darin, daſs die französischen Eisensorten für diese Fabrikation wenig geeignet waren und das erhaltene Produkt weit hinter den aus bestem schwedischen Eisen hergestellten zurückstand. Dazu kam, daſs die Engländer alles thaten, um diese Fabrikation in Frankreich nicht aufkommen zu lassen, worüber wir später noch be- richten werden. Dennoch bestand zur Zeit von Reaumurs Ableben die Cementstahlfabrikation in Frankreich. In dem Nachruf der Akademie heiſst es: Seine Arbeit hat, nachdem verschiedene Etablisse- ments durch verschiedene Umstände fallierten, bei uns diese Kunst eingebürgert, auf welche unsere Nachbarn so eifersüchtig waren.
Wir wollen hier anfügen, was Polhem über die Cementstahl- fabrikation in Schweden mitteilt, deren Einführung von Frankreich aus daraus hervorzugehen scheint, weil die Brennkisten von französischem Thon gemacht wurden. Von einem Zusatz von Salz zu dem Kohlenpulver, wie es Reaumur vorgeschlagen hatte, weiſs er aber nichts. Er sagt: man füllt die Kisten mit Stangeneisen, zwischen welches man soviel Birkenasche und Kohlenstücke thut, daſs die Stangen sich nicht be- rühren können. Die Kisten stehen 7 bis 9 Zoll voneinander ab. In den Zwischenräumen sind Thonböden gelegt, auf welchen die Kisten
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Die Cementstahlfabrikation.
werfen sind. Die flüssigeren Substanzen, welche man für ersteren
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weil ihre Wirkung nicht in das Innere dringt und weil dieselbe auch
keine genügend nachhaltige ist, indem so erzeugter Stahl viel weniger
lange Hitzen aushält als richtig bereiteter Cementstahl. Auf die
Oberflächenhärtung beziehen sich vornehmlich die vielen überlieferten
Rezepte von zum Teil sehr sonderbarer Zusammensetzung. Reaumur
hat vielerlei Mischungen versucht und empfiehlt als besonders wir-
kungsvoll einmal Ruſs mit Urin vermischt und getrocknet, sodann
dieselbe Mischung unter Zusatz von Seesalz oder Ammoniaksalz, wo-
bei letzteres den Vorzug verdiene; fernerhin getrockneten und ver-
kohlten Taubenkot, den man noch wirkungsvoller machen könne durch
Zusatz von Urin und Ammoniaksalz.
Reaumurs Arbeit über die Umwandlung von Schmiedeeisen in
Stahl ist so gründlich, daſs keine Frage unerörtert bleibt. Die von
ihm auf Grund seiner zahlreichen Versuche gemachten Vorschläge
sind so klar und überzeugend, daſs sie zur Ausführung im groſsen
geradezu herausfordern. Reaumur versuchte selbst sein Verfahren
im groſsen Maſsstabe zur Ausführung zu bringen und andere Unter-
nehmer in Frankreich haben es nach ihm gethan. Aber der Erfolg
entsprach nicht den gehegten Erwartungen. Der Grund hierfür lag
hauptsächlich darin, daſs die französischen Eisensorten für diese
Fabrikation wenig geeignet waren und das erhaltene Produkt weit
hinter den aus bestem schwedischen Eisen hergestellten zurückstand.
Dazu kam, daſs die Engländer alles thaten, um diese Fabrikation in
Frankreich nicht aufkommen zu lassen, worüber wir später noch be-
richten werden. Dennoch bestand zur Zeit von Reaumurs Ableben
die Cementstahlfabrikation in Frankreich. In dem Nachruf der
Akademie heiſst es: Seine Arbeit hat, nachdem verschiedene Etablisse-
ments durch verschiedene Umstände fallierten, bei uns diese Kunst
eingebürgert, auf welche unsere Nachbarn so eifersüchtig waren.
Wir wollen hier anfügen, was Polhem über die Cementstahl-
fabrikation in Schweden mitteilt, deren Einführung von Frankreich aus
daraus hervorzugehen scheint, weil die Brennkisten von französischem
Thon gemacht wurden. Von einem Zusatz von Salz zu dem Kohlenpulver,
wie es Reaumur vorgeschlagen hatte, weiſs er aber nichts. Er sagt:
man füllt die Kisten mit Stangeneisen, zwischen welches man soviel
Birkenasche und Kohlenstücke thut, daſs die Stangen sich nicht be-
rühren können. Die Kisten stehen 7 bis 9 Zoll voneinander ab. In
den Zwischenräumen sind Thonböden gelegt, auf welchen die Kisten
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/240>, abgerufen am 27.11.2024.
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