Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite
Litteratur im 18. Jahrhundert.

Nur in grossen Zügen haben wir die Entwickelung des Eisen-
hüttenwesens im vorigen Jahrhundert angedeutet, die nähere Aus-
führung sollen die nachfolgenden Blätter bringen.

Litteratur im 18. Jahrhundert.

Ein grosser Fortschritt für die Eisenindustrie war die Entstehung
einer selbständigen Fachlitteratur im 18. Jahrhundert. Diese
entwickelte sich zuerst in Frankreich. Der Führer und Meister der-
selben war Reaumur, welcher durch seine zwei vortrefflichen Ab-
handlungen über Cementstahlfabrikation und über schmiedbaren Guss
(l'art de convertir le fer forge en acier et l'art d'adoucir le fer fondu),
welche er im Jahre 1722 zu Paris veröffentlichte, die Eisenindustrie
nicht nur mit neuen Erfindungen und Ideen bereichert, sondern
damit die gediegene Grundlage für die Litteratur des Eisenhütten-
wesens gelegt hat.

Seit Agricola hatte kein Schriftsteller es verstanden, hütten-
männische Vorgänge mit solcher Sachlichkeit und Klarheit zu be-
schreiben, wie Reaumur. Dadurch, dass er immer nur einen
bestimmten Gegenstand zum Vorwurf seiner Arbeiten nahm, übertraf
er sogar Agricola noch an Gründlichkeit, während er in Bezug auf
Schönheit und Bestimmtheit des Ausdrucks, Wärme und Vornehm-
heit der Sprache diesem an die Seite zu stellen ist. Die erwähnten
Schriften Reaumurs sind Muster von Darstellungen technischer
Vorgänge und Einrichtungen, welche den Praktiker ebenso ansprechen,
wie den Gelehrten. Ehe wir auf diese und andere Arbeiten Reau-
murs
näher eingehen, wollen wir einige kurze Nachrichten über seine
Person mitteilen.

Rene-Antoine Ferchault de Reaumur wurde am 26. Februar
1683 als Sohn des Präsidialrats Reaumur zu La Rochelle geboren.
Ebenfalls zur juristischen Carriere bestimmt, vertauschte er, einem
inneren Drange folgend, das Studium der Jurisprudenz mit dem der
Mathematik und der Naturwissenschaften. 1703 kam er nach Paris,
wo er in den folgenden Jahren drei mathematisch-geometrische Ab-
handlungen veröffentlichte, welche solchen Beifall fanden, dass er
bereits 1708, erst 25 Jahre alt, zum Mitglied der Akademie der
Wissenschaften ernannt wurde. Er ist deren eifrigstes und thätigstes
Mitglied geworden. Man übertrug ihm die Leitung eines grossen, von
der Regierung unterstützten Unternehmens einer Beschreibung der

Litteratur im 18. Jahrhundert.

Nur in groſsen Zügen haben wir die Entwickelung des Eisen-
hüttenwesens im vorigen Jahrhundert angedeutet, die nähere Aus-
führung sollen die nachfolgenden Blätter bringen.

Litteratur im 18. Jahrhundert.

Ein groſser Fortschritt für die Eisenindustrie war die Entstehung
einer selbständigen Fachlitteratur im 18. Jahrhundert. Diese
entwickelte sich zuerst in Frankreich. Der Führer und Meister der-
selben war Reaumur, welcher durch seine zwei vortrefflichen Ab-
handlungen über Cementstahlfabrikation und über schmiedbaren Guſs
(l’art de convertir le fer forgé en acier et l’art d’adoucir le fer fondu),
welche er im Jahre 1722 zu Paris veröffentlichte, die Eisenindustrie
nicht nur mit neuen Erfindungen und Ideen bereichert, sondern
damit die gediegene Grundlage für die Litteratur des Eisenhütten-
wesens gelegt hat.

Seit Agricola hatte kein Schriftsteller es verstanden, hütten-
männische Vorgänge mit solcher Sachlichkeit und Klarheit zu be-
schreiben, wie Reaumur. Dadurch, daſs er immer nur einen
bestimmten Gegenstand zum Vorwurf seiner Arbeiten nahm, übertraf
er sogar Agricola noch an Gründlichkeit, während er in Bezug auf
Schönheit und Bestimmtheit des Ausdrucks, Wärme und Vornehm-
heit der Sprache diesem an die Seite zu stellen ist. Die erwähnten
Schriften Reaumurs sind Muster von Darstellungen technischer
Vorgänge und Einrichtungen, welche den Praktiker ebenso ansprechen,
wie den Gelehrten. Ehe wir auf diese und andere Arbeiten Reau-
murs
näher eingehen, wollen wir einige kurze Nachrichten über seine
Person mitteilen.

René-Antoine Ferchault de Reaumur wurde am 26. Februar
1683 als Sohn des Präsidialrats Reaumur zu La Rochelle geboren.
Ebenfalls zur juristischen Carriere bestimmt, vertauschte er, einem
inneren Drange folgend, das Studium der Jurisprudenz mit dem der
Mathematik und der Naturwissenschaften. 1703 kam er nach Paris,
wo er in den folgenden Jahren drei mathematisch-geometrische Ab-
handlungen veröffentlichte, welche solchen Beifall fanden, daſs er
bereits 1708, erst 25 Jahre alt, zum Mitglied der Akademie der
Wissenschaften ernannt wurde. Er ist deren eifrigstes und thätigstes
Mitglied geworden. Man übertrug ihm die Leitung eines groſsen, von
der Regierung unterstützten Unternehmens einer Beschreibung der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0025" n="11"/>
            <fw place="top" type="header">Litteratur im 18. Jahrhundert.</fw><lb/>
            <p>Nur in gro&#x017F;sen Zügen haben wir die Entwickelung des Eisen-<lb/>
hüttenwesens im vorigen Jahrhundert angedeutet, die nähere Aus-<lb/>
führung sollen die nachfolgenden Blätter bringen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Litteratur im 18. Jahrhundert</hi>.</hi> </head><lb/>
            <p>Ein gro&#x017F;ser Fortschritt für die Eisenindustrie war die Entstehung<lb/>
einer <hi rendition="#g">selbständigen Fachlitteratur</hi> im 18. Jahrhundert. Diese<lb/>
entwickelte sich zuerst in Frankreich. Der Führer und Meister der-<lb/>
selben war <hi rendition="#g">Reaumur</hi>, welcher durch seine zwei vortrefflichen Ab-<lb/>
handlungen über Cementstahlfabrikation und über schmiedbaren Gu&#x017F;s<lb/>
(l&#x2019;art de convertir le fer forgé en acier et l&#x2019;art d&#x2019;adoucir le fer fondu),<lb/>
welche er im Jahre 1722 zu Paris veröffentlichte, die Eisenindustrie<lb/>
nicht nur mit neuen Erfindungen und Ideen bereichert, sondern<lb/>
damit die gediegene Grundlage für die Litteratur des Eisenhütten-<lb/>
wesens gelegt hat.</p><lb/>
            <p>Seit <hi rendition="#g">Agricola</hi> hatte kein Schriftsteller es verstanden, hütten-<lb/>
männische Vorgänge mit solcher Sachlichkeit und Klarheit zu be-<lb/>
schreiben, wie <hi rendition="#g">Reaumur</hi>. Dadurch, da&#x017F;s er immer nur einen<lb/>
bestimmten Gegenstand zum Vorwurf seiner Arbeiten nahm, übertraf<lb/>
er sogar <hi rendition="#g">Agricola</hi> noch an Gründlichkeit, während er in Bezug auf<lb/>
Schönheit und Bestimmtheit des Ausdrucks, Wärme und Vornehm-<lb/>
heit der Sprache diesem an die Seite zu stellen ist. Die erwähnten<lb/>
Schriften <hi rendition="#g">Reaumurs</hi> sind Muster von Darstellungen technischer<lb/>
Vorgänge und Einrichtungen, welche den Praktiker ebenso ansprechen,<lb/>
wie den Gelehrten. Ehe wir auf diese und andere Arbeiten <hi rendition="#g">Reau-<lb/>
murs</hi> näher eingehen, wollen wir einige kurze Nachrichten über seine<lb/>
Person mitteilen.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#g">René-Antoine Ferchault de Reaumur</hi> wurde am 26. Februar<lb/>
1683 als Sohn des Präsidialrats <hi rendition="#g">Reaumur</hi> zu La Rochelle geboren.<lb/>
Ebenfalls zur juristischen Carriere bestimmt, vertauschte er, einem<lb/>
inneren Drange folgend, das Studium der Jurisprudenz mit dem der<lb/>
Mathematik und der Naturwissenschaften. 1703 kam er nach Paris,<lb/>
wo er in den folgenden Jahren drei mathematisch-geometrische Ab-<lb/>
handlungen veröffentlichte, welche solchen Beifall fanden, da&#x017F;s er<lb/>
bereits 1708, erst 25 Jahre alt, zum Mitglied der Akademie der<lb/>
Wissenschaften ernannt wurde. Er ist deren eifrigstes und thätigstes<lb/>
Mitglied geworden. Man übertrug ihm die Leitung eines gro&#x017F;sen, von<lb/>
der Regierung unterstützten Unternehmens einer Beschreibung der<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[11/0025] Litteratur im 18. Jahrhundert. Nur in groſsen Zügen haben wir die Entwickelung des Eisen- hüttenwesens im vorigen Jahrhundert angedeutet, die nähere Aus- führung sollen die nachfolgenden Blätter bringen. Litteratur im 18. Jahrhundert. Ein groſser Fortschritt für die Eisenindustrie war die Entstehung einer selbständigen Fachlitteratur im 18. Jahrhundert. Diese entwickelte sich zuerst in Frankreich. Der Führer und Meister der- selben war Reaumur, welcher durch seine zwei vortrefflichen Ab- handlungen über Cementstahlfabrikation und über schmiedbaren Guſs (l’art de convertir le fer forgé en acier et l’art d’adoucir le fer fondu), welche er im Jahre 1722 zu Paris veröffentlichte, die Eisenindustrie nicht nur mit neuen Erfindungen und Ideen bereichert, sondern damit die gediegene Grundlage für die Litteratur des Eisenhütten- wesens gelegt hat. Seit Agricola hatte kein Schriftsteller es verstanden, hütten- männische Vorgänge mit solcher Sachlichkeit und Klarheit zu be- schreiben, wie Reaumur. Dadurch, daſs er immer nur einen bestimmten Gegenstand zum Vorwurf seiner Arbeiten nahm, übertraf er sogar Agricola noch an Gründlichkeit, während er in Bezug auf Schönheit und Bestimmtheit des Ausdrucks, Wärme und Vornehm- heit der Sprache diesem an die Seite zu stellen ist. Die erwähnten Schriften Reaumurs sind Muster von Darstellungen technischer Vorgänge und Einrichtungen, welche den Praktiker ebenso ansprechen, wie den Gelehrten. Ehe wir auf diese und andere Arbeiten Reau- murs näher eingehen, wollen wir einige kurze Nachrichten über seine Person mitteilen. René-Antoine Ferchault de Reaumur wurde am 26. Februar 1683 als Sohn des Präsidialrats Reaumur zu La Rochelle geboren. Ebenfalls zur juristischen Carriere bestimmt, vertauschte er, einem inneren Drange folgend, das Studium der Jurisprudenz mit dem der Mathematik und der Naturwissenschaften. 1703 kam er nach Paris, wo er in den folgenden Jahren drei mathematisch-geometrische Ab- handlungen veröffentlichte, welche solchen Beifall fanden, daſs er bereits 1708, erst 25 Jahre alt, zum Mitglied der Akademie der Wissenschaften ernannt wurde. Er ist deren eifrigstes und thätigstes Mitglied geworden. Man übertrug ihm die Leitung eines groſsen, von der Regierung unterstützten Unternehmens einer Beschreibung der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/25
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/25>, abgerufen am 03.12.2024.