Künste und Handwerke (Description de divers arts et metiers). Dieses Werk wurde zwar niemals vollendet, es gab aber Reaumur, der sein ganzes Leben daran arbeitete, Veranlassung zu eingehenden Studien auf den verschiedenartigsten Gebieten der Technik, und seine Arbeiten wurden die Grundlage der grossen technischen Encyklopädie, welche erst nach seinem Tode unter dem Titel: Description des arts et metiers faites et approuvees par Messrs. de l'Academie royale des sciences de Paris erschien.
Da er am Meere geboren war, so wurde sein Interesse schon früh auf das noch wenig bekannte Leben und die Entwickelung der See- tiere hingelenkt. In den Jahren 1708 bis 1715 machte er eingehende Studien hierüber und veröffentlichte eine Menge neuer Beobachtungen und Entdeckungen. Er fand die Purpurschnecke wieder auf und stellte den Farbstoff aus derselben dar 1). Er machte höchst inter- essante Beobachtungen über Regeneration bei den Krustaceen, besonders das Nachwachsen verlorener Glieder von Krabben und Seekrebsen; über die Fortbewegung der Seesterne, über die Zoophyten, welche die Korallen bilden, über den elektrischen Apparat der Zitterrochen; über eine Perlmuttersubstanz in den Weissfischen, mit der man künst- liche Perlen färben könnte; über die Phosphoreszenz der Bohr- muschel und anderer Seetiere u. s. w. Daneben beschäftigte er sich mit technischen Untersuchungen, deren Ergebnisse er veröffentlichte, wie 1711 über die Seilerei, 1712 über Golddrahtfabrikation, 1714 über Türkise und Türkisgruben in Frankreich, sowie über deren Zu- sammensetzung und Färbung, 1715 Versuche über luft- und wasser- dichtes Papier, 1718 über Goldstaub führende Flüsse in Frankreich. Am wichtigsten aber waren seine Versuche über das Eisen, welche er 1715 begann und welche namentlich die Erzeugung guter Stahlsorten in Frankreich zum Zweck hatten. Dieselben führten ihn zur Entdeckung der bis dahin als Geheimnis behandelten und in Frankreich noch nicht eingeführten Cementstahlfabrikation und weiter zur Erfindung des schmiedbaren Gusses. Er veröffentlichte die Ergebnisse seiner Arbeiten in den oben schon erwähnten beiden Abhandlungen, welche 1722 zu Paris gedruckt wurden. Der Prinzregent von Orleans hatte in Anbetracht der nationalen Bedeutung dieser Entdeckungen Reau- mur mit einem Gnadengehalt von 12000 Livres, welchen dieser aber nur unter der Bedingung annahm, dass derselbe nach seinem Tode auf die Akademie übergehen sollte, belohnt. Reaumur, der sich in
1) Quelques experiences sur la liqueur colorante qui fournit la pourpre, dans les Mem. de l'Acad. des sciences; annee 1736.
Litteratur im 18. Jahrhundert.
Künste und Handwerke (Description de divers arts et métiers). Dieses Werk wurde zwar niemals vollendet, es gab aber Reaumur, der sein ganzes Leben daran arbeitete, Veranlassung zu eingehenden Studien auf den verschiedenartigsten Gebieten der Technik, und seine Arbeiten wurden die Grundlage der groſsen technischen Encyklopädie, welche erst nach seinem Tode unter dem Titel: Description des arts et métiers faites et approuvées par Messrs. de l’Académie royale des sciences de Paris erschien.
Da er am Meere geboren war, so wurde sein Interesse schon früh auf das noch wenig bekannte Leben und die Entwickelung der See- tiere hingelenkt. In den Jahren 1708 bis 1715 machte er eingehende Studien hierüber und veröffentlichte eine Menge neuer Beobachtungen und Entdeckungen. Er fand die Purpurschnecke wieder auf und stellte den Farbstoff aus derselben dar 1). Er machte höchst inter- essante Beobachtungen über Regeneration bei den Krustaceen, besonders das Nachwachsen verlorener Glieder von Krabben und Seekrebsen; über die Fortbewegung der Seesterne, über die Zoophyten, welche die Korallen bilden, über den elektrischen Apparat der Zitterrochen; über eine Perlmuttersubstanz in den Weiſsfischen, mit der man künst- liche Perlen färben könnte; über die Phosphoreszenz der Bohr- muschel und anderer Seetiere u. s. w. Daneben beschäftigte er sich mit technischen Untersuchungen, deren Ergebnisse er veröffentlichte, wie 1711 über die Seilerei, 1712 über Golddrahtfabrikation, 1714 über Türkise und Türkisgruben in Frankreich, sowie über deren Zu- sammensetzung und Färbung, 1715 Versuche über luft- und wasser- dichtes Papier, 1718 über Goldstaub führende Flüsse in Frankreich. Am wichtigsten aber waren seine Versuche über das Eisen, welche er 1715 begann und welche namentlich die Erzeugung guter Stahlsorten in Frankreich zum Zweck hatten. Dieselben führten ihn zur Entdeckung der bis dahin als Geheimnis behandelten und in Frankreich noch nicht eingeführten Cementstahlfabrikation und weiter zur Erfindung des schmiedbaren Gusses. Er veröffentlichte die Ergebnisse seiner Arbeiten in den oben schon erwähnten beiden Abhandlungen, welche 1722 zu Paris gedruckt wurden. Der Prinzregent von Orleans hatte in Anbetracht der nationalen Bedeutung dieser Entdeckungen Reau- mur mit einem Gnadengehalt von 12000 Livres, welchen dieser aber nur unter der Bedingung annahm, daſs derselbe nach seinem Tode auf die Akademie übergehen sollte, belohnt. Reaumur, der sich in
1) Quelques expériences sur la liqueur colorante qui fournit la pourpre, dans les Mém. de l’Acad. des sciences; année 1736.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0026"n="12"/><fwplace="top"type="header">Litteratur im 18. Jahrhundert.</fw><lb/>
Künste und Handwerke (Description de divers arts et métiers). Dieses<lb/>
Werk wurde zwar niemals vollendet, es gab aber <hirendition="#g">Reaumur</hi>, der<lb/>
sein ganzes Leben daran arbeitete, Veranlassung zu eingehenden<lb/>
Studien auf den verschiedenartigsten Gebieten der Technik, und seine<lb/>
Arbeiten wurden die Grundlage der groſsen technischen Encyklopädie,<lb/>
welche erst nach seinem Tode unter dem Titel: Description des arts<lb/>
et métiers faites et approuvées par Messrs. de l’Académie royale des<lb/>
sciences de Paris erschien.</p><lb/><p>Da er am Meere geboren war, so wurde sein Interesse schon früh<lb/>
auf das noch wenig bekannte Leben und die Entwickelung der See-<lb/>
tiere hingelenkt. In den Jahren 1708 bis 1715 machte er eingehende<lb/>
Studien hierüber und veröffentlichte eine Menge neuer Beobachtungen<lb/>
und Entdeckungen. Er fand die Purpurschnecke wieder auf und<lb/>
stellte den Farbstoff aus derselben dar <noteplace="foot"n="1)">Quelques expériences sur la liqueur colorante qui fournit la pourpre, dans<lb/>
les Mém. de l’Acad. des sciences; année 1736.</note>. Er machte höchst inter-<lb/>
essante Beobachtungen über Regeneration bei den Krustaceen, besonders<lb/>
das Nachwachsen verlorener Glieder von Krabben und Seekrebsen;<lb/>
über die Fortbewegung der Seesterne, über die Zoophyten, welche<lb/>
die Korallen bilden, über den elektrischen Apparat der Zitterrochen;<lb/>
über eine Perlmuttersubstanz in den Weiſsfischen, mit der man künst-<lb/>
liche Perlen färben könnte; über die Phosphoreszenz der Bohr-<lb/>
muschel und anderer Seetiere u. s. w. Daneben beschäftigte er sich<lb/>
mit technischen Untersuchungen, deren Ergebnisse er veröffentlichte,<lb/>
wie 1711 über die Seilerei, 1712 über Golddrahtfabrikation, 1714<lb/>
über Türkise und Türkisgruben in Frankreich, sowie über deren Zu-<lb/>
sammensetzung und Färbung, 1715 Versuche über luft- und wasser-<lb/>
dichtes Papier, 1718 über Goldstaub führende Flüsse in Frankreich. Am<lb/>
wichtigsten aber waren seine Versuche über das Eisen, welche er 1715<lb/>
begann und welche namentlich die Erzeugung guter Stahlsorten in<lb/>
Frankreich zum Zweck hatten. Dieselben führten ihn zur Entdeckung<lb/>
der bis dahin als Geheimnis behandelten und in Frankreich noch<lb/>
nicht eingeführten Cementstahlfabrikation und weiter zur Erfindung<lb/>
des schmiedbaren Gusses. Er veröffentlichte die Ergebnisse seiner<lb/>
Arbeiten in den oben schon erwähnten beiden Abhandlungen, welche<lb/>
1722 zu Paris gedruckt wurden. Der Prinzregent von Orleans hatte<lb/>
in Anbetracht der nationalen Bedeutung dieser Entdeckungen <hirendition="#g">Reau-<lb/>
mur</hi> mit einem Gnadengehalt von 12000 Livres, welchen dieser aber<lb/>
nur unter der Bedingung annahm, daſs derselbe nach seinem Tode<lb/>
auf die Akademie übergehen sollte, belohnt. <hirendition="#g">Reaumur</hi>, der sich in<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[12/0026]
Litteratur im 18. Jahrhundert.
Künste und Handwerke (Description de divers arts et métiers). Dieses
Werk wurde zwar niemals vollendet, es gab aber Reaumur, der
sein ganzes Leben daran arbeitete, Veranlassung zu eingehenden
Studien auf den verschiedenartigsten Gebieten der Technik, und seine
Arbeiten wurden die Grundlage der groſsen technischen Encyklopädie,
welche erst nach seinem Tode unter dem Titel: Description des arts
et métiers faites et approuvées par Messrs. de l’Académie royale des
sciences de Paris erschien.
Da er am Meere geboren war, so wurde sein Interesse schon früh
auf das noch wenig bekannte Leben und die Entwickelung der See-
tiere hingelenkt. In den Jahren 1708 bis 1715 machte er eingehende
Studien hierüber und veröffentlichte eine Menge neuer Beobachtungen
und Entdeckungen. Er fand die Purpurschnecke wieder auf und
stellte den Farbstoff aus derselben dar 1). Er machte höchst inter-
essante Beobachtungen über Regeneration bei den Krustaceen, besonders
das Nachwachsen verlorener Glieder von Krabben und Seekrebsen;
über die Fortbewegung der Seesterne, über die Zoophyten, welche
die Korallen bilden, über den elektrischen Apparat der Zitterrochen;
über eine Perlmuttersubstanz in den Weiſsfischen, mit der man künst-
liche Perlen färben könnte; über die Phosphoreszenz der Bohr-
muschel und anderer Seetiere u. s. w. Daneben beschäftigte er sich
mit technischen Untersuchungen, deren Ergebnisse er veröffentlichte,
wie 1711 über die Seilerei, 1712 über Golddrahtfabrikation, 1714
über Türkise und Türkisgruben in Frankreich, sowie über deren Zu-
sammensetzung und Färbung, 1715 Versuche über luft- und wasser-
dichtes Papier, 1718 über Goldstaub führende Flüsse in Frankreich. Am
wichtigsten aber waren seine Versuche über das Eisen, welche er 1715
begann und welche namentlich die Erzeugung guter Stahlsorten in
Frankreich zum Zweck hatten. Dieselben führten ihn zur Entdeckung
der bis dahin als Geheimnis behandelten und in Frankreich noch
nicht eingeführten Cementstahlfabrikation und weiter zur Erfindung
des schmiedbaren Gusses. Er veröffentlichte die Ergebnisse seiner
Arbeiten in den oben schon erwähnten beiden Abhandlungen, welche
1722 zu Paris gedruckt wurden. Der Prinzregent von Orleans hatte
in Anbetracht der nationalen Bedeutung dieser Entdeckungen Reau-
mur mit einem Gnadengehalt von 12000 Livres, welchen dieser aber
nur unter der Bedingung annahm, daſs derselbe nach seinem Tode
auf die Akademie übergehen sollte, belohnt. Reaumur, der sich in
1) Quelques expériences sur la liqueur colorante qui fournit la pourpre, dans
les Mém. de l’Acad. des sciences; année 1736.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/26>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.