Namen gegeben, während der arme Erfinder unbekannt und unbelohnt gestorben sei.
Dieses Geschichtchen des schwedischen Reisenden hat keine historische Bedeutung gegenüber den verschiedenen ernsten Mittei- lungen englischer Fachschriftsteller. Höchst merkwürdig bleibt es ja allerdings, dass die englische Nation und insbesondere die Stadt Sheffield den Erfinder des Gussstahls, der durch seine Erfindung die Blüte Sheffields begründet und die Grundlage zur Überlegenheit der englischen Eisenindustrie zuerst gelegt hat, fast vergessen hatte, so dass ein Ausländer, der berühmte Metallurg Le Play anfangs der vierziger Jahre denselben erst wieder entdecken und auf seine Ver- dienste aufmerksam machen musste. Le Play hat sich die Mühe gegeben, während seines Aufenthaltes in Sheffield die Frage der Er- findung des Gussstahls zu prüfen und kam zu der Überzeugung, dass nur Benjamin Huntsman dieser Ruhm gebühre und hat dieses in seiner vortrefflichen Abhandlung über die Stahlfabrikation in York- shire öffentlich kundgegeben 1). Er spricht mit Begeisterung von der denkwürdigen Erfindung, welche die Stahlindustrie Yorkshires zur ersten der Welt gemacht und so wesentlich zu Englands Suprematie in der Eisenindustrie beigetragen habe.
Was nun das tiefe Geheimnis anbetrifft, so wurde dasselbe schon zur Zeit, als Gabriel Jars Sheffield besuchte, also 1765, nicht mehr so ganz bewahrt. Er giebt in seinem Reisebericht keine eingehende, aber doch eine ganz genügende und in der Hauptsache auch richtige Schilderung des Verfahrens. Es scheint, dass man aber nach dieser Zeit die Fabrikation wieder mehr geheim hielt, so dass spätere Schrift- steller noch weniger zu berichten wissen. Konnte doch ein so tüch- tiger Hüttenmann wie Hermann 1789 behaupten, der englische Gussstahl sei gar nicht gegossen, sondern es sei nur sorgfältig gegärbter Cementstahl 2). Svedenstjerna, der die englischen Eisenwerke so gründlich studiert hat, versichert, dass bis 1804 über die Bereitung des englischen Gussstahls nichts bekannt geworden sei, was als Richt- schnur dienen könnte. Er selbst teilt in dem Bericht über seine Reise durch England und Schottland auch nichts darüber mit. Karsten erklärt sich 1815 ausser stande, darüber zu berichten 3). Blumhof
1) Siehe Annales des mines, 4. Serie, T. III, p. 636. Le Play schreibt den Namen immer Huntsmann, in älteren deutschen Büchern findet man ihn sehr oft Hunsmann, Hunzmann geschrieben.
2)Crells Chem. Annalen. Bd. VI, 1. St., S. 21.
3) Siehe Rinman, Geschichte des Eisens, deutsch von Karsten. Bd. II, S. 639.
Die Erfindung des Guſsstahls.
Namen gegeben, während der arme Erfinder unbekannt und unbelohnt gestorben sei.
Dieses Geschichtchen des schwedischen Reisenden hat keine historische Bedeutung gegenüber den verschiedenen ernsten Mittei- lungen englischer Fachschriftsteller. Höchst merkwürdig bleibt es ja allerdings, daſs die englische Nation und insbesondere die Stadt Sheffield den Erfinder des Guſsstahls, der durch seine Erfindung die Blüte Sheffields begründet und die Grundlage zur Überlegenheit der englischen Eisenindustrie zuerst gelegt hat, fast vergessen hatte, so daſs ein Ausländer, der berühmte Metallurg Le Play anfangs der vierziger Jahre denselben erst wieder entdecken und auf seine Ver- dienste aufmerksam machen muſste. Le Play hat sich die Mühe gegeben, während seines Aufenthaltes in Sheffield die Frage der Er- findung des Guſsstahls zu prüfen und kam zu der Überzeugung, daſs nur Benjamin Huntsman dieser Ruhm gebühre und hat dieses in seiner vortrefflichen Abhandlung über die Stahlfabrikation in York- shire öffentlich kundgegeben 1). Er spricht mit Begeisterung von der denkwürdigen Erfindung, welche die Stahlindustrie Yorkshires zur ersten der Welt gemacht und so wesentlich zu Englands Suprematie in der Eisenindustrie beigetragen habe.
Was nun das tiefe Geheimnis anbetrifft, so wurde dasselbe schon zur Zeit, als Gabriel Jars Sheffield besuchte, also 1765, nicht mehr so ganz bewahrt. Er giebt in seinem Reisebericht keine eingehende, aber doch eine ganz genügende und in der Hauptsache auch richtige Schilderung des Verfahrens. Es scheint, daſs man aber nach dieser Zeit die Fabrikation wieder mehr geheim hielt, so daſs spätere Schrift- steller noch weniger zu berichten wissen. Konnte doch ein so tüch- tiger Hüttenmann wie Hermann 1789 behaupten, der englische Guſsstahl sei gar nicht gegossen, sondern es sei nur sorgfältig gegärbter Cementstahl 2). Svedenstjerna, der die englischen Eisenwerke so gründlich studiert hat, versichert, daſs bis 1804 über die Bereitung des englischen Guſsstahls nichts bekannt geworden sei, was als Richt- schnur dienen könnte. Er selbst teilt in dem Bericht über seine Reise durch England und Schottland auch nichts darüber mit. Karsten erklärt sich 1815 auſser stande, darüber zu berichten 3). Blumhof
1) Siehe Annales des mines, 4. Serie, T. III, p. 636. Le Play schreibt den Namen immer Huntsmann, in älteren deutschen Büchern findet man ihn sehr oft Hunsmann, Hunzmann geschrieben.
2)Crells Chem. Annalen. Bd. VI, 1. St., S. 21.
3) Siehe Rinman, Geschichte des Eisens, deutsch von Karsten. Bd. II, S. 639.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0292"n="278"/><fwplace="top"type="header">Die Erfindung des Guſsstahls.</fw><lb/>
Namen gegeben, während der arme Erfinder unbekannt und unbelohnt<lb/>
gestorben sei.</p><lb/><p>Dieses Geschichtchen des schwedischen Reisenden hat keine<lb/>
historische Bedeutung gegenüber den verschiedenen ernsten Mittei-<lb/>
lungen englischer Fachschriftsteller. Höchst merkwürdig bleibt es ja<lb/>
allerdings, daſs die englische Nation und insbesondere die Stadt<lb/>
Sheffield den Erfinder des Guſsstahls, der durch seine Erfindung die<lb/>
Blüte Sheffields begründet und die Grundlage zur Überlegenheit der<lb/>
englischen Eisenindustrie zuerst gelegt hat, fast vergessen hatte, so<lb/>
daſs ein Ausländer, der berühmte Metallurg <hirendition="#g">Le Play</hi> anfangs der<lb/>
vierziger Jahre denselben erst wieder entdecken und auf seine Ver-<lb/>
dienste aufmerksam machen muſste. <hirendition="#g">Le Play</hi> hat sich die Mühe<lb/>
gegeben, während seines Aufenthaltes in Sheffield die Frage der Er-<lb/>
findung des Guſsstahls zu prüfen und kam zu der Überzeugung, daſs<lb/>
nur <hirendition="#g">Benjamin Huntsman</hi> dieser Ruhm gebühre und hat dieses<lb/>
in seiner vortrefflichen Abhandlung über die Stahlfabrikation in York-<lb/>
shire öffentlich kundgegeben <noteplace="foot"n="1)">Siehe Annales des mines, 4. Serie, T. III, p. 636. <hirendition="#g">Le Play</hi> schreibt den<lb/>
Namen immer <hirendition="#g">Huntsmann</hi>, in älteren deutschen Büchern findet man ihn sehr<lb/>
oft <hirendition="#g">Hunsmann, Hunzmann</hi> geschrieben.</note>. Er spricht mit Begeisterung von der<lb/>
denkwürdigen Erfindung, welche die Stahlindustrie Yorkshires zur<lb/>
ersten der Welt gemacht und so wesentlich zu Englands Suprematie<lb/>
in der Eisenindustrie beigetragen habe.</p><lb/><p>Was nun das tiefe Geheimnis anbetrifft, so wurde dasselbe schon<lb/>
zur Zeit, als <hirendition="#g">Gabriel Jars</hi> Sheffield besuchte, also 1765, nicht mehr<lb/>
so ganz bewahrt. Er giebt in seinem Reisebericht keine eingehende,<lb/>
aber doch eine ganz genügende und in der Hauptsache auch richtige<lb/>
Schilderung des Verfahrens. Es scheint, daſs man aber nach dieser<lb/>
Zeit die Fabrikation wieder mehr geheim hielt, so daſs spätere Schrift-<lb/>
steller noch weniger zu berichten wissen. Konnte doch ein so tüch-<lb/>
tiger Hüttenmann wie <hirendition="#g">Hermann</hi> 1789 behaupten, der englische<lb/>
Guſsstahl sei gar nicht gegossen, sondern es sei nur sorgfältig gegärbter<lb/>
Cementstahl <noteplace="foot"n="2)"><hirendition="#g">Crells</hi> Chem. Annalen. Bd. VI, 1. St., S. 21.</note>. <hirendition="#g">Svedenstjerna</hi>, der die englischen Eisenwerke<lb/>
so gründlich studiert hat, versichert, daſs bis 1804 über die Bereitung<lb/>
des englischen Guſsstahls nichts bekannt geworden sei, was als Richt-<lb/>
schnur dienen könnte. Er selbst teilt in dem Bericht über seine Reise<lb/>
durch England und Schottland auch nichts darüber mit. <hirendition="#g">Karsten</hi><lb/>
erklärt sich 1815 auſser stande, darüber zu berichten <noteplace="foot"n="3)">Siehe <hirendition="#g">Rinman</hi>, Geschichte des Eisens, deutsch von Karsten. Bd. II, S. 639.</note>. <hirendition="#g">Blumhof</hi><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[278/0292]
Die Erfindung des Guſsstahls.
Namen gegeben, während der arme Erfinder unbekannt und unbelohnt
gestorben sei.
Dieses Geschichtchen des schwedischen Reisenden hat keine
historische Bedeutung gegenüber den verschiedenen ernsten Mittei-
lungen englischer Fachschriftsteller. Höchst merkwürdig bleibt es ja
allerdings, daſs die englische Nation und insbesondere die Stadt
Sheffield den Erfinder des Guſsstahls, der durch seine Erfindung die
Blüte Sheffields begründet und die Grundlage zur Überlegenheit der
englischen Eisenindustrie zuerst gelegt hat, fast vergessen hatte, so
daſs ein Ausländer, der berühmte Metallurg Le Play anfangs der
vierziger Jahre denselben erst wieder entdecken und auf seine Ver-
dienste aufmerksam machen muſste. Le Play hat sich die Mühe
gegeben, während seines Aufenthaltes in Sheffield die Frage der Er-
findung des Guſsstahls zu prüfen und kam zu der Überzeugung, daſs
nur Benjamin Huntsman dieser Ruhm gebühre und hat dieses
in seiner vortrefflichen Abhandlung über die Stahlfabrikation in York-
shire öffentlich kundgegeben 1). Er spricht mit Begeisterung von der
denkwürdigen Erfindung, welche die Stahlindustrie Yorkshires zur
ersten der Welt gemacht und so wesentlich zu Englands Suprematie
in der Eisenindustrie beigetragen habe.
Was nun das tiefe Geheimnis anbetrifft, so wurde dasselbe schon
zur Zeit, als Gabriel Jars Sheffield besuchte, also 1765, nicht mehr
so ganz bewahrt. Er giebt in seinem Reisebericht keine eingehende,
aber doch eine ganz genügende und in der Hauptsache auch richtige
Schilderung des Verfahrens. Es scheint, daſs man aber nach dieser
Zeit die Fabrikation wieder mehr geheim hielt, so daſs spätere Schrift-
steller noch weniger zu berichten wissen. Konnte doch ein so tüch-
tiger Hüttenmann wie Hermann 1789 behaupten, der englische
Guſsstahl sei gar nicht gegossen, sondern es sei nur sorgfältig gegärbter
Cementstahl 2). Svedenstjerna, der die englischen Eisenwerke
so gründlich studiert hat, versichert, daſs bis 1804 über die Bereitung
des englischen Guſsstahls nichts bekannt geworden sei, was als Richt-
schnur dienen könnte. Er selbst teilt in dem Bericht über seine Reise
durch England und Schottland auch nichts darüber mit. Karsten
erklärt sich 1815 auſser stande, darüber zu berichten 3). Blumhof
1) Siehe Annales des mines, 4. Serie, T. III, p. 636. Le Play schreibt den
Namen immer Huntsmann, in älteren deutschen Büchern findet man ihn sehr
oft Hunsmann, Hunzmann geschrieben.
2) Crells Chem. Annalen. Bd. VI, 1. St., S. 21.
3) Siehe Rinman, Geschichte des Eisens, deutsch von Karsten. Bd. II, S. 639.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/292>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.