mit der des Tiegelflussstahls. Letztere bezweckt eine wirkliche Stahlerzeugung, und zwar durch Zusammenschmelzen von Roheisen und Schmiedeeisen. Reaumur gebührt das Verdienst, diesen Weg zuerst gezeigt zu haben. Er schmolz Roheisen in einem Tiegel heiss ein und setzte Schmiedeeisenabfälle zu, dadurch erhielt er Stahl. Ich habe auf diesem Wege, schreibt er 1722 1), ganz leidlichen Stahl erhalten. Der Zusatz von Schmiedeeisen zu dem Guss betrug 1/4 bis 1/3 . -- Indes war dies doch nur ein Versuch im kleinen, eine praktische Bedeutung hat die Tiegelflussstahlerzeugung im vorigen Jahrhundert nicht erlangt.
Die Cementstahlfabrikation besonders in England.
Die Gussstahlfabrikation in England benutzte Cementstahl als Rohmaterial. Die Cementstahlfabrikation wurde mindestens schon seit Anfang des 18. Jahrhunderts in England betrieben. Bereits im vorhergegangenen Jahrhundert hatte sich Prinz Ruppert um deren Einführung bemüht. Es ist möglich, dass er sie auch wirklich ein- geführt hat, dass er sie aber, ähnlich wie Huntsman seinen Guss- stahlprozess, so geheim hielt, dass nichts davon bekannt wurde. Nach einer anderen Nachricht soll die Cementstahlfabrikation um das Jahr 1710 von einem deutschen Arbeiter Bertram aus der Grafschaft Mark in England eingeführt worden sein 2). Wie dem auch sei, zweifellos ist, dass zu Reaumurs Zeit die Engländer bereits Brenn- stahl exportierten. Genauere Nachrichten fehlen aber durchaus, bis Gabriel Jars in seinen wichtigen Reiseberichten von 1765 auch diese Fabrikation beschrieben hat.
Ehe wir uns mit diesem Bericht beschäftigen, wollen wir kurz noch einiges mitteilen, was an unser Kapitel über Reaumurs Arbeit über den Brennstahl anknüpft. Reaumurs Arbeit rief nicht nur in Frankreich Cementstahlfabriken ins Leben, sondern auch in Schweden und in Deutschland.
Aus Polhems Schriften geht hervor, dass man sich in Schweden mit der Cementstahlfabrikation beschäftigt hatte. Dass dies sehr
1)Reaumur, l'art de convertir etc. p. 256.
2) Siehe Poppe, Geschichte der Technologie, Bd. II, S. 409.
Die Cementstahlfabrikation in England.
mit der des Tiegelfluſsstahls. Letztere bezweckt eine wirkliche Stahlerzeugung, und zwar durch Zusammenschmelzen von Roheisen und Schmiedeeisen. Reaumur gebührt das Verdienst, diesen Weg zuerst gezeigt zu haben. Er schmolz Roheisen in einem Tiegel heiſs ein und setzte Schmiedeeisenabfälle zu, dadurch erhielt er Stahl. Ich habe auf diesem Wege, schreibt er 1722 1), ganz leidlichen Stahl erhalten. Der Zusatz von Schmiedeeisen zu dem Guſs betrug ¼ bis ⅓. — Indes war dies doch nur ein Versuch im kleinen, eine praktische Bedeutung hat die Tiegelfluſsstahlerzeugung im vorigen Jahrhundert nicht erlangt.
Die Cementstahlfabrikation besonders in England.
Die Guſsstahlfabrikation in England benutzte Cementstahl als Rohmaterial. Die Cementstahlfabrikation wurde mindestens schon seit Anfang des 18. Jahrhunderts in England betrieben. Bereits im vorhergegangenen Jahrhundert hatte sich Prinz Ruppert um deren Einführung bemüht. Es ist möglich, daſs er sie auch wirklich ein- geführt hat, daſs er sie aber, ähnlich wie Huntsman seinen Guſs- stahlprozeſs, so geheim hielt, daſs nichts davon bekannt wurde. Nach einer anderen Nachricht soll die Cementstahlfabrikation um das Jahr 1710 von einem deutschen Arbeiter Bertram aus der Grafschaft Mark in England eingeführt worden sein 2). Wie dem auch sei, zweifellos ist, daſs zu Reaumurs Zeit die Engländer bereits Brenn- stahl exportierten. Genauere Nachrichten fehlen aber durchaus, bis Gabriel Jars in seinen wichtigen Reiseberichten von 1765 auch diese Fabrikation beschrieben hat.
Ehe wir uns mit diesem Bericht beschäftigen, wollen wir kurz noch einiges mitteilen, was an unser Kapitel über Reaumurs Arbeit über den Brennstahl anknüpft. Reaumurs Arbeit rief nicht nur in Frankreich Cementstahlfabriken ins Leben, sondern auch in Schweden und in Deutschland.
Aus Polhems Schriften geht hervor, daſs man sich in Schweden mit der Cementstahlfabrikation beschäftigt hatte. Daſs dies sehr
1)Reaumur, l’art de convertir etc. p. 256.
2) Siehe Poppe, Geschichte der Technologie, Bd. II, S. 409.
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Die Cementstahlfabrikation in England.
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Stahlerzeugung, und zwar durch Zusammenschmelzen von Roheisen
und Schmiedeeisen. Reaumur gebührt das Verdienst, diesen Weg
zuerst gezeigt zu haben. Er schmolz Roheisen in einem Tiegel heiſs
ein und setzte Schmiedeeisenabfälle zu, dadurch erhielt er Stahl.
Ich habe auf diesem Wege, schreibt er 1722 1), ganz leidlichen
Stahl erhalten. Der Zusatz von Schmiedeeisen zu dem Guſs betrug
¼ bis ⅓. — Indes war dies doch nur ein Versuch im kleinen, eine
praktische Bedeutung hat die Tiegelfluſsstahlerzeugung im vorigen
Jahrhundert nicht erlangt.
Die Cementstahlfabrikation besonders in England.
Die Guſsstahlfabrikation in England benutzte Cementstahl als
Rohmaterial. Die Cementstahlfabrikation wurde mindestens schon
seit Anfang des 18. Jahrhunderts in England betrieben. Bereits im
vorhergegangenen Jahrhundert hatte sich Prinz Ruppert um deren
Einführung bemüht. Es ist möglich, daſs er sie auch wirklich ein-
geführt hat, daſs er sie aber, ähnlich wie Huntsman seinen Guſs-
stahlprozeſs, so geheim hielt, daſs nichts davon bekannt wurde. Nach
einer anderen Nachricht soll die Cementstahlfabrikation um das Jahr
1710 von einem deutschen Arbeiter Bertram aus der Grafschaft
Mark in England eingeführt worden sein 2). Wie dem auch sei,
zweifellos ist, daſs zu Reaumurs Zeit die Engländer bereits Brenn-
stahl exportierten. Genauere Nachrichten fehlen aber durchaus, bis
Gabriel Jars in seinen wichtigen Reiseberichten von 1765 auch
diese Fabrikation beschrieben hat.
Ehe wir uns mit diesem Bericht beschäftigen, wollen wir kurz
noch einiges mitteilen, was an unser Kapitel über Reaumurs Arbeit
über den Brennstahl anknüpft. Reaumurs Arbeit rief nicht nur
in Frankreich Cementstahlfabriken ins Leben, sondern auch in
Schweden und in Deutschland.
Aus Polhems Schriften geht hervor, daſs man sich in Schweden
mit der Cementstahlfabrikation beschäftigt hatte. Daſs dies sehr
1) Reaumur, l’art de convertir etc. p. 256.
2) Siehe Poppe, Geschichte der Technologie, Bd. II, S. 409.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/295>, abgerufen am 22.11.2024.
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