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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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Litteratur im 18. Jahrhundert.
lichungen gestattete sie den Abhandlungen über praktische Gegen-
stände besonders auch auf dem Gebiete der Hüttenkunde einen weiten
Spielraum und wirkte dadurch höchst anregend auf die Industrie.
Neben diesen Memoiren sollte aber, nach einem schon früh auf-
getauchten Plan, durch die Akademie ein Werk geschaffen werden,
in welchem alle einzelnen Zweige des gewerblichen Lebens eine ein-
gehende Beschreibung und Erklärung finden sollten. Diese Absicht
bestand, wenn auch in unbestimmter Form, schon vor Reaumurs
Eintritt in die Akademie. In Reaumur glaubte man den Mann ge-
funden zu haben, der dieser grossartigen Aufgabe gewachsen sei und
so beauftragte ihn die Akademie mit der Herausgabe des Werkes.
Reaumur ergriff die Sache mit Eifer und Begeisterung, und gewiss
war kein Mensch dazu so befähigt wie er. Aber die Aufgabe, wie sie
der Akademie vorschwebte, und wie sie auch Reaumur auffasste,
war viel zu gross für die Kraft eines Menschen, und so kam es, dass
es zu keinem Ende kam und dass er, als er am 17. Oktober 1757
die Augen schloss, nur eine grosse Sammlung von Bruchstücken von
fertigen, halbfertigen und erst begonnenen Abhandlungen, die alle
Teile des grossen Werkes bilden sollten, hinterliess. So lange Reau-
mur
lebte, hatte die Akademie nicht daran gedacht, andere neben
Reaumur mit dieser Arbeit zu betrauen. Seine Überlegenheit und
sein Ansehen schlossen dies vollständig aus. Nachdem er aber ge-
storben war, sah sich die Akademie dazu gezwungen, sowohl um end-
lich dem Publikum etwas von dem solange in Aussicht gestellten
Werk zu bieten, als auch um die reiche Hinterlassenschaft Reau-
murs
zu verwerten. Sie beauftragte also eine Anzahl Gelehrte mit
der Herausgabe der "Beschreibung der Künste und Handwerke",
Description des arts et metiers, in der Weise, dass jeder einen Teil,
mit dem er mehr oder weniger vertraut war, bearbeiten sollte. Von
einem einheitlichen Plan sah man, um nur einen Anfang zu be-
kommen, ab und so erschienen dann einzelne Hefte (Cahiers) in Folio,
von denen jedes ein Gewerbe schilderte, in bunter Aufeinanderfolge.
Die Akademie veröffentlichte dieselbe mit einem Vorberichte, aus
dem am besten ihre Auffassung des Unternehmens und ihre Stellung
zu demselben zu ersehen ist. Er lautet: "Das Werk, welches wir
hier dem Publikum vorlegen, ist die Frucht einer seit langer Zeit
von der königlichen Akademie der Wissenschaften angefangenen
Arbeit. Diese Gesellschaft hatte kaum ihren Anfang genommen, als
sie das Vorhaben fasste, nach und nach alle mechanischen Künste
zu beschreiben, indem sie überzeugt war, dass dieses Unternehmen

Litteratur im 18. Jahrhundert.
lichungen gestattete sie den Abhandlungen über praktische Gegen-
stände besonders auch auf dem Gebiete der Hüttenkunde einen weiten
Spielraum und wirkte dadurch höchst anregend auf die Industrie.
Neben diesen Memoiren sollte aber, nach einem schon früh auf-
getauchten Plan, durch die Akademie ein Werk geschaffen werden,
in welchem alle einzelnen Zweige des gewerblichen Lebens eine ein-
gehende Beschreibung und Erklärung finden sollten. Diese Absicht
bestand, wenn auch in unbestimmter Form, schon vor Reaumurs
Eintritt in die Akademie. In Reaumur glaubte man den Mann ge-
funden zu haben, der dieser groſsartigen Aufgabe gewachsen sei und
so beauftragte ihn die Akademie mit der Herausgabe des Werkes.
Reaumur ergriff die Sache mit Eifer und Begeisterung, und gewiſs
war kein Mensch dazu so befähigt wie er. Aber die Aufgabe, wie sie
der Akademie vorschwebte, und wie sie auch Reaumur auffaſste,
war viel zu groſs für die Kraft eines Menschen, und so kam es, daſs
es zu keinem Ende kam und daſs er, als er am 17. Oktober 1757
die Augen schloſs, nur eine groſse Sammlung von Bruchstücken von
fertigen, halbfertigen und erst begonnenen Abhandlungen, die alle
Teile des groſsen Werkes bilden sollten, hinterlieſs. So lange Reau-
mur
lebte, hatte die Akademie nicht daran gedacht, andere neben
Reaumur mit dieser Arbeit zu betrauen. Seine Überlegenheit und
sein Ansehen schlossen dies vollständig aus. Nachdem er aber ge-
storben war, sah sich die Akademie dazu gezwungen, sowohl um end-
lich dem Publikum etwas von dem solange in Aussicht gestellten
Werk zu bieten, als auch um die reiche Hinterlassenschaft Reau-
murs
zu verwerten. Sie beauftragte also eine Anzahl Gelehrte mit
der Herausgabe der „Beschreibung der Künste und Handwerke“,
Description des arts et métiers, in der Weise, daſs jeder einen Teil,
mit dem er mehr oder weniger vertraut war, bearbeiten sollte. Von
einem einheitlichen Plan sah man, um nur einen Anfang zu be-
kommen, ab und so erschienen dann einzelne Hefte (Cahiers) in Folio,
von denen jedes ein Gewerbe schilderte, in bunter Aufeinanderfolge.
Die Akademie veröffentlichte dieselbe mit einem Vorberichte, aus
dem am besten ihre Auffassung des Unternehmens und ihre Stellung
zu demselben zu ersehen ist. Er lautet: „Das Werk, welches wir
hier dem Publikum vorlegen, ist die Frucht einer seit langer Zeit
von der königlichen Akademie der Wissenschaften angefangenen
Arbeit. Diese Gesellschaft hatte kaum ihren Anfang genommen, als
sie das Vorhaben faſste, nach und nach alle mechanischen Künste
zu beschreiben, indem sie überzeugt war, daſs dieses Unternehmen

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[29/0043] Litteratur im 18. Jahrhundert. lichungen gestattete sie den Abhandlungen über praktische Gegen- stände besonders auch auf dem Gebiete der Hüttenkunde einen weiten Spielraum und wirkte dadurch höchst anregend auf die Industrie. Neben diesen Memoiren sollte aber, nach einem schon früh auf- getauchten Plan, durch die Akademie ein Werk geschaffen werden, in welchem alle einzelnen Zweige des gewerblichen Lebens eine ein- gehende Beschreibung und Erklärung finden sollten. Diese Absicht bestand, wenn auch in unbestimmter Form, schon vor Reaumurs Eintritt in die Akademie. In Reaumur glaubte man den Mann ge- funden zu haben, der dieser groſsartigen Aufgabe gewachsen sei und so beauftragte ihn die Akademie mit der Herausgabe des Werkes. Reaumur ergriff die Sache mit Eifer und Begeisterung, und gewiſs war kein Mensch dazu so befähigt wie er. Aber die Aufgabe, wie sie der Akademie vorschwebte, und wie sie auch Reaumur auffaſste, war viel zu groſs für die Kraft eines Menschen, und so kam es, daſs es zu keinem Ende kam und daſs er, als er am 17. Oktober 1757 die Augen schloſs, nur eine groſse Sammlung von Bruchstücken von fertigen, halbfertigen und erst begonnenen Abhandlungen, die alle Teile des groſsen Werkes bilden sollten, hinterlieſs. So lange Reau- mur lebte, hatte die Akademie nicht daran gedacht, andere neben Reaumur mit dieser Arbeit zu betrauen. Seine Überlegenheit und sein Ansehen schlossen dies vollständig aus. Nachdem er aber ge- storben war, sah sich die Akademie dazu gezwungen, sowohl um end- lich dem Publikum etwas von dem solange in Aussicht gestellten Werk zu bieten, als auch um die reiche Hinterlassenschaft Reau- murs zu verwerten. Sie beauftragte also eine Anzahl Gelehrte mit der Herausgabe der „Beschreibung der Künste und Handwerke“, Description des arts et métiers, in der Weise, daſs jeder einen Teil, mit dem er mehr oder weniger vertraut war, bearbeiten sollte. Von einem einheitlichen Plan sah man, um nur einen Anfang zu be- kommen, ab und so erschienen dann einzelne Hefte (Cahiers) in Folio, von denen jedes ein Gewerbe schilderte, in bunter Aufeinanderfolge. Die Akademie veröffentlichte dieselbe mit einem Vorberichte, aus dem am besten ihre Auffassung des Unternehmens und ihre Stellung zu demselben zu ersehen ist. Er lautet: „Das Werk, welches wir hier dem Publikum vorlegen, ist die Frucht einer seit langer Zeit von der königlichen Akademie der Wissenschaften angefangenen Arbeit. Diese Gesellschaft hatte kaum ihren Anfang genommen, als sie das Vorhaben faſste, nach und nach alle mechanischen Künste zu beschreiben, indem sie überzeugt war, daſs dieses Unternehmen

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/43>, abgerufen am 28.04.2024.