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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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Drahtzieherei. Nähnadelfabrikation.
nur 75 kg. Der Arbeiter sass dabei auf dem beweglichen Brett M N,
mit dem er sich nach Bedürfnis vor- und zurückschieben konnte.
Das Brett hing hinten bei N an einem Ring, vorn an einem Strick O.
Die Rinne P giebt dem geschmiedeten Draht eine Führung und ver-
hindert das Krummbiegen. 108 Pfund Knüppel gaben 70 Pfund
Drahteisen.

In Schweden geschah das Ausrecken unter Nagelhämmern. Rinman
giebt folgende Vorschriften:

1. Das Materialeisen soll zu 1 3/8 Zoll glatt und 3/8 Zoll dick
unter dem Stabhammer geschmiedet werden.
2. Diese Flachstäbe sollen in 2 1/3 bis 3 Ellen lange Stümpfe
zerteilt und dann mit einem einfachen Schneidewerk (ohne vorheriges
Walzen) in drei Stäbe -- oder, wenn man das Materialeisen 2 bis
21/2 Zoll breit schmiedet, in fünf Stäbe -- zerschnitten werden.
3. Diese dünnen Stangen werden in einem Glühofen mit Holz-
feuer ausgeführt und alsdann
4. unter einem Nagelhammer zur gehörigen Feinheit ausgereckt,
wobei der Gang des Hammers so schnell wie möglich sein muss.

Draht, der gröber als 1/4 Zoll sein soll, könne man aus geschnittenem
Draht in Gesenken ausschmieden, oder man könne ihn, nach einem
von Rinman schon im Jahre 1748 gemachten Vorschlag, direkt aus-
walzen. -- Auch Duhamel sagt, dass man da, wo man ein Schneide-
werk habe, man die geschnittenen Stäbe, um sie rund zu machen
durch Walzen gehen liesse, welche Furchen (cannelures) von gleicher
Tiefe hätten, die aufeinander passten und das Profil des zu walzenden
Eisens ergäben. Wenn sie, nachdem sie zwei Kaliber passiert hatten,
noch nicht rund waren, liess man sie durch ein drittes gehen. Immer
blieb ein Grat oder Bart (bavure), weil die Walzen nicht fest auf-
einander schlossen. Duhamel hatte aber diese Fabrikation nie
gesehen und kannte sie nur von Hörensagen.

Zu Kleinboden in Tirol wurde (1774) das Drahteisen auf von
Eisen gegossenen Ambossen und Hämmern mit geschliffenen Bahnen
zu 1/4 Zoll dicken Drahtzainen ausgereckt, zusammengewunden und
in einem Glühofen 3/4 Stunden lang ausgeglüht; alsdann nach dem
Erkalten durch eine Reckwalze (Zainwalze) rund gebogen1).

Es war auch thunlich und geschah an manchen Orten, dass man
das geschnittene Eisen direkt zu gröberen Drahtsorten auszog. Dazu
nahm man die mittleren Stäbe, die vom Schneidewerk kamen.


1) Siehe v. Moll, Jahrbücher der Berg- und Hüttenkunde, S. 55.

Drahtzieherei. Nähnadelfabrikation.
nur 75 kg. Der Arbeiter saſs dabei auf dem beweglichen Brett M N,
mit dem er sich nach Bedürfnis vor- und zurückschieben konnte.
Das Brett hing hinten bei N an einem Ring, vorn an einem Strick O.
Die Rinne P giebt dem geschmiedeten Draht eine Führung und ver-
hindert das Krummbiegen. 108 Pfund Knüppel gaben 70 Pfund
Drahteisen.

In Schweden geschah das Ausrecken unter Nagelhämmern. Rinman
giebt folgende Vorschriften:

1. Das Materialeisen soll zu 1⅜ Zoll glatt und ⅜ Zoll dick
unter dem Stabhammer geschmiedet werden.
2. Diese Flachstäbe sollen in 2⅓ bis 3 Ellen lange Stümpfe
zerteilt und dann mit einem einfachen Schneidewerk (ohne vorheriges
Walzen) in drei Stäbe — oder, wenn man das Materialeisen 2 bis
2½ Zoll breit schmiedet, in fünf Stäbe — zerschnitten werden.
3. Diese dünnen Stangen werden in einem Glühofen mit Holz-
feuer ausgeführt und alsdann
4. unter einem Nagelhammer zur gehörigen Feinheit ausgereckt,
wobei der Gang des Hammers so schnell wie möglich sein muſs.

Draht, der gröber als ¼ Zoll sein soll, könne man aus geschnittenem
Draht in Gesenken ausschmieden, oder man könne ihn, nach einem
von Rinman schon im Jahre 1748 gemachten Vorschlag, direkt aus-
walzen. — Auch Duhamel sagt, daſs man da, wo man ein Schneide-
werk habe, man die geschnittenen Stäbe, um sie rund zu machen
durch Walzen gehen lieſse, welche Furchen (cannelures) von gleicher
Tiefe hätten, die aufeinander paſsten und das Profil des zu walzenden
Eisens ergäben. Wenn sie, nachdem sie zwei Kaliber passiert hatten,
noch nicht rund waren, lieſs man sie durch ein drittes gehen. Immer
blieb ein Grat oder Bart (bavure), weil die Walzen nicht fest auf-
einander schloſsen. Duhamel hatte aber diese Fabrikation nie
gesehen und kannte sie nur von Hörensagen.

Zu Kleinboden in Tirol wurde (1774) das Drahteisen auf von
Eisen gegossenen Amboſsen und Hämmern mit geschliffenen Bahnen
zu ¼ Zoll dicken Drahtzainen ausgereckt, zusammengewunden und
in einem Glühofen ¾ Stunden lang ausgeglüht; alsdann nach dem
Erkalten durch eine Reckwalze (Zainwalze) rund gebogen1).

Es war auch thunlich und geschah an manchen Orten, daſs man
das geschnittene Eisen direkt zu gröberen Drahtsorten auszog. Dazu
nahm man die mittleren Stäbe, die vom Schneidewerk kamen.


1) Siehe v. Moll, Jahrbücher der Berg- und Hüttenkunde, S. 55.
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[455/0469] Drahtzieherei. Nähnadelfabrikation. nur 75 kg. Der Arbeiter saſs dabei auf dem beweglichen Brett M N, mit dem er sich nach Bedürfnis vor- und zurückschieben konnte. Das Brett hing hinten bei N an einem Ring, vorn an einem Strick O. Die Rinne P giebt dem geschmiedeten Draht eine Führung und ver- hindert das Krummbiegen. 108 Pfund Knüppel gaben 70 Pfund Drahteisen. In Schweden geschah das Ausrecken unter Nagelhämmern. Rinman giebt folgende Vorschriften: 1. Das Materialeisen soll zu 1⅜ Zoll glatt und ⅜ Zoll dick unter dem Stabhammer geschmiedet werden. 2. Diese Flachstäbe sollen in 2⅓ bis 3 Ellen lange Stümpfe zerteilt und dann mit einem einfachen Schneidewerk (ohne vorheriges Walzen) in drei Stäbe — oder, wenn man das Materialeisen 2 bis 2½ Zoll breit schmiedet, in fünf Stäbe — zerschnitten werden. 3. Diese dünnen Stangen werden in einem Glühofen mit Holz- feuer ausgeführt und alsdann 4. unter einem Nagelhammer zur gehörigen Feinheit ausgereckt, wobei der Gang des Hammers so schnell wie möglich sein muſs. Draht, der gröber als ¼ Zoll sein soll, könne man aus geschnittenem Draht in Gesenken ausschmieden, oder man könne ihn, nach einem von Rinman schon im Jahre 1748 gemachten Vorschlag, direkt aus- walzen. — Auch Duhamel sagt, daſs man da, wo man ein Schneide- werk habe, man die geschnittenen Stäbe, um sie rund zu machen durch Walzen gehen lieſse, welche Furchen (cannelures) von gleicher Tiefe hätten, die aufeinander paſsten und das Profil des zu walzenden Eisens ergäben. Wenn sie, nachdem sie zwei Kaliber passiert hatten, noch nicht rund waren, lieſs man sie durch ein drittes gehen. Immer blieb ein Grat oder Bart (bavure), weil die Walzen nicht fest auf- einander schloſsen. Duhamel hatte aber diese Fabrikation nie gesehen und kannte sie nur von Hörensagen. Zu Kleinboden in Tirol wurde (1774) das Drahteisen auf von Eisen gegossenen Amboſsen und Hämmern mit geschliffenen Bahnen zu ¼ Zoll dicken Drahtzainen ausgereckt, zusammengewunden und in einem Glühofen ¾ Stunden lang ausgeglüht; alsdann nach dem Erkalten durch eine Reckwalze (Zainwalze) rund gebogen 1). Es war auch thunlich und geschah an manchen Orten, daſs man das geschnittene Eisen direkt zu gröberen Drahtsorten auszog. Dazu nahm man die mittleren Stäbe, die vom Schneidewerk kamen. 1) Siehe v. Moll, Jahrbücher der Berg- und Hüttenkunde, S. 55.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 455. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/469>, abgerufen am 22.11.2024.