Gewöhnlich befanden sich drei Zangen an einer Welle, welche eine geneigte Lage hatten, damit sie beim Auslassen des Hebedaumens zum Teil durch ihr Gewicht zurückfallen. Da der dickere Draht mehr Kraft zum Ziehen gebraucht als der dünnere, so machte man die Daumen oder Kammen für den dicksten Draht am kürzesten, wodurch auch die Zuglänge die kürzeste wurde, während man bei jeder folgenden Zange die Kammen und den Zug länger machte. Die erste Zange zog nur 2 Zoll, während die folgende 4 Zoll, die dritte 5 Zoll zieht. Die Kammen der drei Zangen mussten so gegeneinander gestellt sein, dass nie zwei Zangen gleichzeitig anzogen, sondern dass die Bewegungen der drei Zangen aufeinander folgten.
Trotzdem die Kammen ungleich lang waren, so war doch die Ausdehnung des Drahtes im Verhältnis noch grösser. Um das rich- tige Verhältnis der Geschwindigkeiten herzustellen, vermehrte man bei den folgenden Zangen die Zahl der Kammen, so dass, wenn die
[Abbildung]
Fig. 125.
erste und zweite Zange je drei Kammen hatte, die dritte vier Kammen hat. Die Zieharbeit besorgte die Maschine, der Arbeiter hatte nur den frischen Draht zu spitzen, durch das Ziehloch zu stecken und mit der Zange zu fassen und den gezogenen Draht mit der Hand aufzurollen.
Der Grobzieher hat aber auf die Natur des Eisens zu achten und hilft je nachdem nach, indem er das Ziehloch etwas erweitert oder den Zug etwas kürzer stellt. Zum besseren Durchgang des Drahtes wird der- selbe immer eingefettet. Zu diesem Zwecke befestigt man vor die Zieh- öffnung ein Stück Speck Q (Fig. 124), das der Draht erst passieren muss.
Nachdem der Draht dreimal mit der ersten Zange gezogen worden ist, wird er ausgeglüht und dann beginnt das Ziehen von neuem durch engere Löcher mit der zweiten Zange. Nach dem dritten Glühen kommt er auf die dritte Zange, deren Bewegungen viel rascher sind. Hier geht er durch vier Löcher und ist dann Feindraht oder Kleindraht, der dann in Frankreich meistens mit der Hand weiter gezogen wurde. In Deutschland (Altena, Iserlohn) und Schweden kam er auf die Drahtrollen (bobine). Die richtige Abnahme der Weite der Ziehlöcher ist die wichtigste Kunst des Drahtziehers. Die engste Öffnung
Drahtzieherei. Nähnadelfabrikation.
Gewöhnlich befanden sich drei Zangen an einer Welle, welche eine geneigte Lage hatten, damit sie beim Auslassen des Hebedaumens zum Teil durch ihr Gewicht zurückfallen. Da der dickere Draht mehr Kraft zum Ziehen gebraucht als der dünnere, so machte man die Daumen oder Kammen für den dicksten Draht am kürzesten, wodurch auch die Zuglänge die kürzeste wurde, während man bei jeder folgenden Zange die Kammen und den Zug länger machte. Die erste Zange zog nur 2 Zoll, während die folgende 4 Zoll, die dritte 5 Zoll zieht. Die Kammen der drei Zangen muſsten so gegeneinander gestellt sein, daſs nie zwei Zangen gleichzeitig anzogen, sondern daſs die Bewegungen der drei Zangen aufeinander folgten.
Trotzdem die Kammen ungleich lang waren, so war doch die Ausdehnung des Drahtes im Verhältnis noch gröſser. Um das rich- tige Verhältnis der Geschwindigkeiten herzustellen, vermehrte man bei den folgenden Zangen die Zahl der Kammen, so daſs, wenn die
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Fig. 125.
erste und zweite Zange je drei Kammen hatte, die dritte vier Kammen hat. Die Zieharbeit besorgte die Maschine, der Arbeiter hatte nur den frischen Draht zu spitzen, durch das Ziehloch zu stecken und mit der Zange zu fassen und den gezogenen Draht mit der Hand aufzurollen.
Der Grobzieher hat aber auf die Natur des Eisens zu achten und hilft je nachdem nach, indem er das Ziehloch etwas erweitert oder den Zug etwas kürzer stellt. Zum besseren Durchgang des Drahtes wird der- selbe immer eingefettet. Zu diesem Zwecke befestigt man vor die Zieh- öffnung ein Stück Speck Q (Fig. 124), das der Draht erst passieren muſs.
Nachdem der Draht dreimal mit der ersten Zange gezogen worden ist, wird er ausgeglüht und dann beginnt das Ziehen von neuem durch engere Löcher mit der zweiten Zange. Nach dem dritten Glühen kommt er auf die dritte Zange, deren Bewegungen viel rascher sind. Hier geht er durch vier Löcher und ist dann Feindraht oder Kleindraht, der dann in Frankreich meistens mit der Hand weiter gezogen wurde. In Deutschland (Altena, Iserlohn) und Schweden kam er auf die Drahtrollen (bobine). Die richtige Abnahme der Weite der Ziehlöcher ist die wichtigste Kunst des Drahtziehers. Die engste Öffnung
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[460/0474]
Drahtzieherei. Nähnadelfabrikation.
Gewöhnlich befanden sich drei Zangen an einer Welle, welche
eine geneigte Lage hatten, damit sie beim Auslassen des Hebedaumens
zum Teil durch ihr Gewicht zurückfallen. Da der dickere Draht
mehr Kraft zum Ziehen gebraucht als der dünnere, so machte man
die Daumen oder Kammen für den dicksten Draht am kürzesten,
wodurch auch die Zuglänge die kürzeste wurde, während man bei
jeder folgenden Zange die Kammen und den Zug länger machte. Die
erste Zange zog nur 2 Zoll, während die folgende 4 Zoll, die dritte
5 Zoll zieht. Die Kammen der drei Zangen muſsten so gegeneinander
gestellt sein, daſs nie zwei Zangen gleichzeitig anzogen, sondern daſs
die Bewegungen der drei Zangen aufeinander folgten.
Trotzdem die Kammen ungleich lang waren, so war doch die
Ausdehnung des Drahtes im Verhältnis noch gröſser. Um das rich-
tige Verhältnis der Geschwindigkeiten herzustellen, vermehrte man
bei den folgenden Zangen die Zahl der Kammen, so daſs, wenn die
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erste und zweite Zange
je drei Kammen hatte,
die dritte vier Kammen
hat. Die Zieharbeit
besorgte die Maschine,
der Arbeiter hatte nur
den frischen Draht zu
spitzen, durch das
Ziehloch zu stecken
und mit der Zange zu fassen und den gezogenen Draht mit der Hand
aufzurollen.
Der Grobzieher hat aber auf die Natur des Eisens zu achten und
hilft je nachdem nach, indem er das Ziehloch etwas erweitert oder den
Zug etwas kürzer stellt. Zum besseren Durchgang des Drahtes wird der-
selbe immer eingefettet. Zu diesem Zwecke befestigt man vor die Zieh-
öffnung ein Stück Speck Q (Fig. 124), das der Draht erst passieren muſs.
Nachdem der Draht dreimal mit der ersten Zange gezogen
worden ist, wird er ausgeglüht und dann beginnt das Ziehen von
neuem durch engere Löcher mit der zweiten Zange. Nach dem dritten
Glühen kommt er auf die dritte Zange, deren Bewegungen viel rascher
sind. Hier geht er durch vier Löcher und ist dann Feindraht oder
Kleindraht, der dann in Frankreich meistens mit der Hand weiter
gezogen wurde. In Deutschland (Altena, Iserlohn) und Schweden kam
er auf die Drahtrollen (bobine). Die richtige Abnahme der Weite der
Ziehlöcher ist die wichtigste Kunst des Drahtziehers. Die engste Öffnung
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 460. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/474>, abgerufen am 22.11.2024.
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