er geglüht. Zuletzt wurde der Eisen- und der Stahldraht durch eine Holzscheibe gezogen, wodurch er eine Art Politur erhielt.
Auch die Drahtzieher mussten einen Verbleibungseid leisten. Das Recht, Draht zu fabrizieren, hatte nur ein zünftiges Mitglied der Reidemeisterinnung und das Recht erbte vom Vater auf die Söhne, aber nicht auf die Töchter.
Die Fabrikation von Stahldraht war erst in diesem Jahrhundert aufgenommen worden. Den dafür verwendeten "Bördenstahl" lieferten die Raffinier- oder Reckstahlhämmer. Auch die Einrichtungen dieser Raffinierhämmer entsprach nicht mehr den Anforderungen der Zeit. Namentlich tadelt Jägerschmid die Konstruktion der Schwanz- hämmer, die bei 70 bis 80 Pfund Gewicht und 8 bis 9 Zoll Hub, Stahl- zangen (Pakete) von 40 bis 50 Pfund und 5 bis 6 Zoll Höhe schweissen und gärben mussten. Man schmiedete den Rohstahl erst in Schienen von 21/2 Zoll Breite und 2 bis 3 Linien Dicke aus. Die glühenden Stäbe wurden in Wasser gehärtet und in Stücke von 2 bis 3 Fuss zerschlagen. Von diesen wurden 10 bis 12 in ein Paket zusammen- gesetzt, und zwar nahm man erst ein Stück Eisen, dann zwei schlechte Stücke Stahl, dann wieder ein Stück Eisen, nun guten Stahl in die Mitte; unten wieder Eisen, zwei Stücke schlechten Stahl und zuletzt ein Stück Eisen. Dieser Pack, eine "Zange" genannt, wurde in einer Wellzange in Steinkohlenfeuer zusammengeschweisst und in 5 Linien dicke Stäbe ausgereckt, die dann, wie oben beschrieben, zu Stahl verarbeitet wurden. Der Abgang beim Raffinieren und Strecken betrug 25 Prozent. Dieser "Bördenstahl" wurde von den Stahldrahtschmieden in achteckige, dünne Ruten geschmiedet, welche in dieser Gestalt in den Zug genommen wurden. Aus 12 Börden lieferte der Stahl- drahtschmied 115 Stück; der Bankzöger hatte von 12 Börden 2 über, lieferte also dem Kleinzöger 117 Stück ab, dieser bekam 3 Stück mehr und lieferte dem Winner 120 Stück, welche dieser seinem Reidemeister abliefern musste.
Hatte man den Stahldraht ursprünglich nur für die Aachener Fabriken gezogen, so entstand später, im Jahre 1780, in Altena selbst eine Nähnadelfabrik. Sie war von Aachener Fabrikanten ganz nach dem Muster der Aachener Fabriken gebaut. Die Nadelfabrik gehörte einer sehr vielköpfigen Gewerkschaft; sie musste alles auf den Stapel liefern. Diesen Umständen schreibt Jägerschmid die ungleiche und vielfach geringe Qualität der Nadeln zu, infolge deren die Nadeln keinen Absatz fanden. In der That kam die Fabrik dem Untergang nahe, von dem sie nur durch die Hülfe des für die preussische
Drahtzieherei. Nähnadelfabrikation.
er geglüht. Zuletzt wurde der Eisen- und der Stahldraht durch eine Holzscheibe gezogen, wodurch er eine Art Politur erhielt.
Auch die Drahtzieher muſsten einen Verbleibungseid leisten. Das Recht, Draht zu fabrizieren, hatte nur ein zünftiges Mitglied der Reidemeisterinnung und das Recht erbte vom Vater auf die Söhne, aber nicht auf die Töchter.
Die Fabrikation von Stahldraht war erst in diesem Jahrhundert aufgenommen worden. Den dafür verwendeten „Bördenstahl“ lieferten die Raffinier- oder Reckstahlhämmer. Auch die Einrichtungen dieser Raffinierhämmer entsprach nicht mehr den Anforderungen der Zeit. Namentlich tadelt Jägerschmid die Konstruktion der Schwanz- hämmer, die bei 70 bis 80 Pfund Gewicht und 8 bis 9 Zoll Hub, Stahl- zangen (Pakete) von 40 bis 50 Pfund und 5 bis 6 Zoll Höhe schweiſsen und gärben muſsten. Man schmiedete den Rohstahl erst in Schienen von 2½ Zoll Breite und 2 bis 3 Linien Dicke aus. Die glühenden Stäbe wurden in Wasser gehärtet und in Stücke von 2 bis 3 Fuſs zerschlagen. Von diesen wurden 10 bis 12 in ein Paket zusammen- gesetzt, und zwar nahm man erst ein Stück Eisen, dann zwei schlechte Stücke Stahl, dann wieder ein Stück Eisen, nun guten Stahl in die Mitte; unten wieder Eisen, zwei Stücke schlechten Stahl und zuletzt ein Stück Eisen. Dieser Pack, eine „Zange“ genannt, wurde in einer Wellzange in Steinkohlenfeuer zusammengeschweiſst und in 5 Linien dicke Stäbe ausgereckt, die dann, wie oben beschrieben, zu Stahl verarbeitet wurden. Der Abgang beim Raffinieren und Strecken betrug 25 Prozent. Dieser „Bördenstahl“ wurde von den Stahldrahtschmieden in achteckige, dünne Ruten geschmiedet, welche in dieser Gestalt in den Zug genommen wurden. Aus 12 Börden lieferte der Stahl- drahtschmied 115 Stück; der Bankzöger hatte von 12 Börden 2 über, lieferte also dem Kleinzöger 117 Stück ab, dieser bekam 3 Stück mehr und lieferte dem Winner 120 Stück, welche dieser seinem Reidemeister abliefern muſste.
Hatte man den Stahldraht ursprünglich nur für die Aachener Fabriken gezogen, so entstand später, im Jahre 1780, in Altena selbst eine Nähnadelfabrik. Sie war von Aachener Fabrikanten ganz nach dem Muster der Aachener Fabriken gebaut. Die Nadelfabrik gehörte einer sehr vielköpfigen Gewerkschaft; sie muſste alles auf den Stapel liefern. Diesen Umständen schreibt Jägerschmid die ungleiche und vielfach geringe Qualität der Nadeln zu, infolge deren die Nadeln keinen Absatz fanden. In der That kam die Fabrik dem Untergang nahe, von dem sie nur durch die Hülfe des für die preuſsische
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Drahtzieherei. Nähnadelfabrikation.
er geglüht. Zuletzt wurde der Eisen- und der Stahldraht durch eine
Holzscheibe gezogen, wodurch er eine Art Politur erhielt.
Auch die Drahtzieher muſsten einen Verbleibungseid leisten.
Das Recht, Draht zu fabrizieren, hatte nur ein zünftiges Mitglied der
Reidemeisterinnung und das Recht erbte vom Vater auf die Söhne,
aber nicht auf die Töchter.
Die Fabrikation von Stahldraht war erst in diesem Jahrhundert
aufgenommen worden. Den dafür verwendeten „Bördenstahl“ lieferten
die Raffinier- oder Reckstahlhämmer. Auch die Einrichtungen dieser
Raffinierhämmer entsprach nicht mehr den Anforderungen der Zeit.
Namentlich tadelt Jägerschmid die Konstruktion der Schwanz-
hämmer, die bei 70 bis 80 Pfund Gewicht und 8 bis 9 Zoll Hub, Stahl-
zangen (Pakete) von 40 bis 50 Pfund und 5 bis 6 Zoll Höhe schweiſsen
und gärben muſsten. Man schmiedete den Rohstahl erst in Schienen
von 2½ Zoll Breite und 2 bis 3 Linien Dicke aus. Die glühenden
Stäbe wurden in Wasser gehärtet und in Stücke von 2 bis 3 Fuſs
zerschlagen. Von diesen wurden 10 bis 12 in ein Paket zusammen-
gesetzt, und zwar nahm man erst ein Stück Eisen, dann zwei schlechte
Stücke Stahl, dann wieder ein Stück Eisen, nun guten Stahl in die
Mitte; unten wieder Eisen, zwei Stücke schlechten Stahl und zuletzt
ein Stück Eisen. Dieser Pack, eine „Zange“ genannt, wurde in einer
Wellzange in Steinkohlenfeuer zusammengeschweiſst und in 5 Linien
dicke Stäbe ausgereckt, die dann, wie oben beschrieben, zu Stahl
verarbeitet wurden. Der Abgang beim Raffinieren und Strecken betrug
25 Prozent. Dieser „Bördenstahl“ wurde von den Stahldrahtschmieden
in achteckige, dünne Ruten geschmiedet, welche in dieser Gestalt in
den Zug genommen wurden. Aus 12 Börden lieferte der Stahl-
drahtschmied 115 Stück; der Bankzöger hatte von 12 Börden 2 über,
lieferte also dem Kleinzöger 117 Stück ab, dieser bekam 3 Stück
mehr und lieferte dem Winner 120 Stück, welche dieser seinem
Reidemeister abliefern muſste.
Hatte man den Stahldraht ursprünglich nur für die Aachener
Fabriken gezogen, so entstand später, im Jahre 1780, in Altena selbst
eine Nähnadelfabrik. Sie war von Aachener Fabrikanten ganz nach
dem Muster der Aachener Fabriken gebaut. Die Nadelfabrik gehörte
einer sehr vielköpfigen Gewerkschaft; sie muſste alles auf den Stapel
liefern. Diesen Umständen schreibt Jägerschmid die ungleiche und
vielfach geringe Qualität der Nadeln zu, infolge deren die Nadeln
keinen Absatz fanden. In der That kam die Fabrik dem Untergang
nahe, von dem sie nur durch die Hülfe des für die preuſsische
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 468. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/482>, abgerufen am 22.11.2024.
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