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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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Puddelprozess und Feineisenfeuer.
wodurch das graue Roheisen in weisses Eisen von geringem Kohlen-
stoffgehalte verwandelt wurde, entsprechend dem Hartzerennen bei
der steierischen Frischmethode, war entschieden vorteilhaft und der
Gedanke lag nahe. Er wurde, wie es scheint, gegen Ende des Jahr-
hunderts zuerst in Südwales praktisch durchgeführt und zwar geschah
das Einschmelzen mit Kokes in Cockshutts Herden. Diese Erfindung
wurde 1) Samuel Homfray von Pennydarran zugeschrieben und
war zu Anfang des 19. Jahrhunderts in Südwales bereits allgemein
angewendet. In dem oben erwähnten Protokoll des Herrn Homfray
von Pennydarran vom Jahre 1812, worin er Cort so verkleinerte,
wird dieser Erfindung eine übertriebene Bedeutung beigelegt 2), um
sein eigenes Verdienst um so grösser erscheinen zu lassen. Die ersten
Feineisenfeuer waren ganz von gebrannten Steinen erbaut, erst später
führte man eiserne Wasserkästen als Seitenwände ein.

Die Eigentümlichkeit des Verfahrens bestand hauptsächlich darin,
dass man den Wind möglichst gleichmässig über die ganze Fläche des
eingeschmolzenen Metalls verteilte. Deshalb wendete man mehrere,
entsprechend verteilte Formen an, denen man nur geringe Neigung
von etwa 5 Grad gab. Da die Formen dem Abbrennen sehr ausgesetzt
waren, so nahm man gewöhnlich eiserne Formen, welche später mit
einem hohlen gegossenen Mantel umgeben wurden, in welchem beständig
kaltes Wasser cirkulierte 3). Die älteren Feineisenfeuer hatten meist nur
zwei Windformen. Die Feuer waren grösser und tiefer als die gewöhn-
lichen Frischherde. Man konnte in der Woche in einem Feuer 250
bis 300 Ctr. Roheisen mit einem Abgange von 5 bis 10 Proz. und
einem Koksaufwand von 4 bis 5 Kubikfuss auf den Centner ein-
schmelzen. Das flüssige Eisen wurde in eiserne Gussformen von 4 bis
5 Zoll Breite und 2 bis 3 Zoll Höhe abgestochen. Im Augenblicke
des Erstarrens wurde es mit kaltem Wasser übergossen. Das Eisen
war ganz weiss und in der Regel strahlig. Viel, aber schwacher Wind
war notwendig.

Der Puddelprozess wurde ziemlich geheim gehalten. Es findet
sich keine nähere Beschreibung desselben in deutschen Schriften des
vorigen Jahrhunderts. In England erstattete Dr. Beddoes am
24. März 1791 einen Bericht über das Puddeln von grauem Roheisen
nach eigener Anschauung an die Royal Society. Die Charge betrug
damals 21/2 Ctr. Der Ofen hatte zwei Kamine, einen am Ende wie

1) Siehe Percy, a. a. O., S. 625.
2) Siehe Percy, a. a. O., S. 633.
3) Siehe Karstens Eisenhüttenkunde, Aufl. von 1816, S. 989.

Puddelprozeſs und Feineisenfeuer.
wodurch das graue Roheisen in weiſses Eisen von geringem Kohlen-
stoffgehalte verwandelt wurde, entsprechend dem Hartzerennen bei
der steierischen Frischmethode, war entschieden vorteilhaft und der
Gedanke lag nahe. Er wurde, wie es scheint, gegen Ende des Jahr-
hunderts zuerst in Südwales praktisch durchgeführt und zwar geschah
das Einschmelzen mit Kokes in Cockshutts Herden. Diese Erfindung
wurde 1) Samuel Homfray von Pennydarran zugeschrieben und
war zu Anfang des 19. Jahrhunderts in Südwales bereits allgemein
angewendet. In dem oben erwähnten Protokoll des Herrn Homfray
von Pennydarran vom Jahre 1812, worin er Cort so verkleinerte,
wird dieser Erfindung eine übertriebene Bedeutung beigelegt 2), um
sein eigenes Verdienst um so gröſser erscheinen zu lassen. Die ersten
Feineisenfeuer waren ganz von gebrannten Steinen erbaut, erst später
führte man eiserne Wasserkästen als Seitenwände ein.

Die Eigentümlichkeit des Verfahrens bestand hauptsächlich darin,
daſs man den Wind möglichst gleichmäſsig über die ganze Fläche des
eingeschmolzenen Metalls verteilte. Deshalb wendete man mehrere,
entsprechend verteilte Formen an, denen man nur geringe Neigung
von etwa 5 Grad gab. Da die Formen dem Abbrennen sehr ausgesetzt
waren, so nahm man gewöhnlich eiserne Formen, welche später mit
einem hohlen gegossenen Mantel umgeben wurden, in welchem beständig
kaltes Wasser cirkulierte 3). Die älteren Feineisenfeuer hatten meist nur
zwei Windformen. Die Feuer waren gröſser und tiefer als die gewöhn-
lichen Frischherde. Man konnte in der Woche in einem Feuer 250
bis 300 Ctr. Roheisen mit einem Abgange von 5 bis 10 Proz. und
einem Koksaufwand von 4 bis 5 Kubikfuſs auf den Centner ein-
schmelzen. Das flüssige Eisen wurde in eiserne Guſsformen von 4 bis
5 Zoll Breite und 2 bis 3 Zoll Höhe abgestochen. Im Augenblicke
des Erstarrens wurde es mit kaltem Wasser übergossen. Das Eisen
war ganz weiſs und in der Regel strahlig. Viel, aber schwacher Wind
war notwendig.

Der Puddelprozeſs wurde ziemlich geheim gehalten. Es findet
sich keine nähere Beschreibung desſelben in deutschen Schriften des
vorigen Jahrhunderts. In England erstattete Dr. Beddoes am
24. März 1791 einen Bericht über das Puddeln von grauem Roheisen
nach eigener Anschauung an die Royal Society. Die Charge betrug
damals 2½ Ctr. Der Ofen hatte zwei Kamine, einen am Ende wie

1) Siehe Percy, a. a. O., S. 625.
2) Siehe Percy, a. a. O., S. 633.
3) Siehe Karstens Eisenhüttenkunde, Aufl. von 1816, S. 989.
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[701/0715] Puddelprozeſs und Feineisenfeuer. wodurch das graue Roheisen in weiſses Eisen von geringem Kohlen- stoffgehalte verwandelt wurde, entsprechend dem Hartzerennen bei der steierischen Frischmethode, war entschieden vorteilhaft und der Gedanke lag nahe. Er wurde, wie es scheint, gegen Ende des Jahr- hunderts zuerst in Südwales praktisch durchgeführt und zwar geschah das Einschmelzen mit Kokes in Cockshutts Herden. Diese Erfindung wurde 1) Samuel Homfray von Pennydarran zugeschrieben und war zu Anfang des 19. Jahrhunderts in Südwales bereits allgemein angewendet. In dem oben erwähnten Protokoll des Herrn Homfray von Pennydarran vom Jahre 1812, worin er Cort so verkleinerte, wird dieser Erfindung eine übertriebene Bedeutung beigelegt 2), um sein eigenes Verdienst um so gröſser erscheinen zu lassen. Die ersten Feineisenfeuer waren ganz von gebrannten Steinen erbaut, erst später führte man eiserne Wasserkästen als Seitenwände ein. Die Eigentümlichkeit des Verfahrens bestand hauptsächlich darin, daſs man den Wind möglichst gleichmäſsig über die ganze Fläche des eingeschmolzenen Metalls verteilte. Deshalb wendete man mehrere, entsprechend verteilte Formen an, denen man nur geringe Neigung von etwa 5 Grad gab. Da die Formen dem Abbrennen sehr ausgesetzt waren, so nahm man gewöhnlich eiserne Formen, welche später mit einem hohlen gegossenen Mantel umgeben wurden, in welchem beständig kaltes Wasser cirkulierte 3). Die älteren Feineisenfeuer hatten meist nur zwei Windformen. Die Feuer waren gröſser und tiefer als die gewöhn- lichen Frischherde. Man konnte in der Woche in einem Feuer 250 bis 300 Ctr. Roheisen mit einem Abgange von 5 bis 10 Proz. und einem Koksaufwand von 4 bis 5 Kubikfuſs auf den Centner ein- schmelzen. Das flüssige Eisen wurde in eiserne Guſsformen von 4 bis 5 Zoll Breite und 2 bis 3 Zoll Höhe abgestochen. Im Augenblicke des Erstarrens wurde es mit kaltem Wasser übergossen. Das Eisen war ganz weiſs und in der Regel strahlig. Viel, aber schwacher Wind war notwendig. Der Puddelprozeſs wurde ziemlich geheim gehalten. Es findet sich keine nähere Beschreibung desſelben in deutschen Schriften des vorigen Jahrhunderts. In England erstattete Dr. Beddoes am 24. März 1791 einen Bericht über das Puddeln von grauem Roheisen nach eigener Anschauung an die Royal Society. Die Charge betrug damals 2½ Ctr. Der Ofen hatte zwei Kamine, einen am Ende wie 1) Siehe Percy, a. a. O., S. 625. 2) Siehe Percy, a. a. O., S. 633. 3) Siehe Karstens Eisenhüttenkunde, Aufl. von 1816, S. 989.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 701. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/715>, abgerufen am 25.11.2024.