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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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Nassau und das Siegerland.
wurden. Ende des 16. Jahrhunderts hatte man sich über die Ver-
teuerung der Hammertage beklagt, dass man einen Hammertag mit
100 bis 120 Gulden bezahlen müsse, der vordem nur 25 bis
30 Gulden gekostet hätte. Um 1788 galt aber ein Hammertag 1200
bis 1400 Rthlr., ein Stahlhüttentag nur 900 bis 1000 Rthlr., ein
Eisenhüttentag 200 bis 280 Rthlr. Ein Stahlhammertag des Aher
Hammers war mit 1000 Rthlrn. bezahlt worden.

Die siegenschen Eisenarbeiter waren in drei Zünfte geteilt. Die
Eisenmassenbläser und Hammerschmiede bildeten eine Zunft, welche
die grösste und wichtigste war; die Stahlmassenbläser bildeten die
zweite und die Stahlschmiede die dritte Zunft. Ausserdem hatte sich
seit 1689 die Zunft der Eisenmassenbläser und Hammerschmiede nach
den Konfessionen in eine katholische und eine reformierte geteilt.
Die Mitglieder der Zünfte waren zweierlei, die, welche das Handwerk
mit der Faust gelernt hatten, die Meister und Knechte, und die,
welche den Handel mit Eisen und Stahl betrieben, die Raidtmeister.
Die ersteren arbeiteten für die letzteren, erhielten dagegen von
diesen die Materialien und den Schmelz- und Schmiedelohn.
Während im 17. Jahrhundert die Hämmer meist im Besitz der Raidt-
meister, welche in der Stadt Siegen wohnten, gewesen waren, gehörten
dieselben gegen Ende des 18. Jahrhunderts meistens den auf dem
Lande wohnenden Hammerschmieden. Der "Pflichttag" der Massen-
bläser und Hammerschmiede, an dem sich die Zunft versammelte und
mit dem das Hüttenjahr begann, war der 1. Mai. Auf diesen Tag
wurden die Hüttenrechnungen beschlossen und begonnen. Jede Hütte
war ursprünglich auf eine Reise von 48 Tagen berechtigt, um 1788
wurden aber die Reisen auf 60 Tage bestimmt und waren manche
Eisenhütten auf 11/2, 2 und 3 Reisen privilegiert. Die 60 Hütten-
tage bestanden aus dem Anhebetag, dem Ablasstag, 1 Armentag,
1 Hüttenschuldeisentag, 8 Sammttagen und 48 gemeinen Tagen,
welch letztere unter den Gewerken verteilt waren und für die
jeder die nötigen Materialien, Kohlen und Erze, selbst beschaffen
musste. Die übrigen Tage waren gemeinschaftlich. Die Sammttage
waren die ersten acht Betriebstage. Die 48 Hüttentage waren nu-
meriert und wechselten ihre Besitzer nach der Nummer, doch so,
dass immer eine andere Nummer den Anfang machte. War ein Tag
unter mehrere Besitzer geteilt, so mussten sich dieselben verständigen,
da jeden Tag nur von einem gehüttet werden durfte. Zu jedem
Stahlhüttentag gehörte der Regel nach ein Mass Stein auf dem
Müsener Stahlberg. Dieser war, wie der Hüttentag, in 24 Teile

Nassau und das Siegerland.
wurden. Ende des 16. Jahrhunderts hatte man sich über die Ver-
teuerung der Hammertage beklagt, daſs man einen Hammertag mit
100 bis 120 Gulden bezahlen müsse, der vordem nur 25 bis
30 Gulden gekostet hätte. Um 1788 galt aber ein Hammertag 1200
bis 1400 Rthlr., ein Stahlhüttentag nur 900 bis 1000 Rthlr., ein
Eisenhüttentag 200 bis 280 Rthlr. Ein Stahlhammertag des Aher
Hammers war mit 1000 Rthlrn. bezahlt worden.

Die siegenschen Eisenarbeiter waren in drei Zünfte geteilt. Die
Eisenmassenbläser und Hammerschmiede bildeten eine Zunft, welche
die gröſste und wichtigste war; die Stahlmassenbläser bildeten die
zweite und die Stahlschmiede die dritte Zunft. Auſserdem hatte sich
seit 1689 die Zunft der Eisenmassenbläser und Hammerschmiede nach
den Konfessionen in eine katholische und eine reformierte geteilt.
Die Mitglieder der Zünfte waren zweierlei, die, welche das Handwerk
mit der Faust gelernt hatten, die Meister und Knechte, und die,
welche den Handel mit Eisen und Stahl betrieben, die Raidtmeister.
Die ersteren arbeiteten für die letzteren, erhielten dagegen von
diesen die Materialien und den Schmelz- und Schmiedelohn.
Während im 17. Jahrhundert die Hämmer meist im Besitz der Raidt-
meister, welche in der Stadt Siegen wohnten, gewesen waren, gehörten
dieselben gegen Ende des 18. Jahrhunderts meistens den auf dem
Lande wohnenden Hammerschmieden. Der „Pflichttag“ der Massen-
bläser und Hammerschmiede, an dem sich die Zunft versammelte und
mit dem das Hüttenjahr begann, war der 1. Mai. Auf diesen Tag
wurden die Hüttenrechnungen beschlossen und begonnen. Jede Hütte
war ursprünglich auf eine Reise von 48 Tagen berechtigt, um 1788
wurden aber die Reisen auf 60 Tage bestimmt und waren manche
Eisenhütten auf 1½, 2 und 3 Reisen privilegiert. Die 60 Hütten-
tage bestanden aus dem Anhebetag, dem Ablaſstag, 1 Armentag,
1 Hüttenschuldeisentag, 8 Sammttagen und 48 gemeinen Tagen,
welch letztere unter den Gewerken verteilt waren und für die
jeder die nötigen Materialien, Kohlen und Erze, selbst beschaffen
muſste. Die übrigen Tage waren gemeinschaftlich. Die Sammttage
waren die ersten acht Betriebstage. Die 48 Hüttentage waren nu-
meriert und wechselten ihre Besitzer nach der Nummer, doch so,
daſs immer eine andere Nummer den Anfang machte. War ein Tag
unter mehrere Besitzer geteilt, so muſsten sich dieselben verständigen,
da jeden Tag nur von einem gehüttet werden durfte. Zu jedem
Stahlhüttentag gehörte der Regel nach ein Maſs Stein auf dem
Müsener Stahlberg. Dieser war, wie der Hüttentag, in 24 Teile

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[845/0859] Nassau und das Siegerland. wurden. Ende des 16. Jahrhunderts hatte man sich über die Ver- teuerung der Hammertage beklagt, daſs man einen Hammertag mit 100 bis 120 Gulden bezahlen müsse, der vordem nur 25 bis 30 Gulden gekostet hätte. Um 1788 galt aber ein Hammertag 1200 bis 1400 Rthlr., ein Stahlhüttentag nur 900 bis 1000 Rthlr., ein Eisenhüttentag 200 bis 280 Rthlr. Ein Stahlhammertag des Aher Hammers war mit 1000 Rthlrn. bezahlt worden. Die siegenschen Eisenarbeiter waren in drei Zünfte geteilt. Die Eisenmassenbläser und Hammerschmiede bildeten eine Zunft, welche die gröſste und wichtigste war; die Stahlmassenbläser bildeten die zweite und die Stahlschmiede die dritte Zunft. Auſserdem hatte sich seit 1689 die Zunft der Eisenmassenbläser und Hammerschmiede nach den Konfessionen in eine katholische und eine reformierte geteilt. Die Mitglieder der Zünfte waren zweierlei, die, welche das Handwerk mit der Faust gelernt hatten, die Meister und Knechte, und die, welche den Handel mit Eisen und Stahl betrieben, die Raidtmeister. Die ersteren arbeiteten für die letzteren, erhielten dagegen von diesen die Materialien und den Schmelz- und Schmiedelohn. Während im 17. Jahrhundert die Hämmer meist im Besitz der Raidt- meister, welche in der Stadt Siegen wohnten, gewesen waren, gehörten dieselben gegen Ende des 18. Jahrhunderts meistens den auf dem Lande wohnenden Hammerschmieden. Der „Pflichttag“ der Massen- bläser und Hammerschmiede, an dem sich die Zunft versammelte und mit dem das Hüttenjahr begann, war der 1. Mai. Auf diesen Tag wurden die Hüttenrechnungen beschlossen und begonnen. Jede Hütte war ursprünglich auf eine Reise von 48 Tagen berechtigt, um 1788 wurden aber die Reisen auf 60 Tage bestimmt und waren manche Eisenhütten auf 1½, 2 und 3 Reisen privilegiert. Die 60 Hütten- tage bestanden aus dem Anhebetag, dem Ablaſstag, 1 Armentag, 1 Hüttenschuldeisentag, 8 Sammttagen und 48 gemeinen Tagen, welch letztere unter den Gewerken verteilt waren und für die jeder die nötigen Materialien, Kohlen und Erze, selbst beschaffen muſste. Die übrigen Tage waren gemeinschaftlich. Die Sammttage waren die ersten acht Betriebstage. Die 48 Hüttentage waren nu- meriert und wechselten ihre Besitzer nach der Nummer, doch so, daſs immer eine andere Nummer den Anfang machte. War ein Tag unter mehrere Besitzer geteilt, so muſsten sich dieselben verständigen, da jeden Tag nur von einem gehüttet werden durfte. Zu jedem Stahlhüttentag gehörte der Regel nach ein Maſs Stein auf dem Müsener Stahlberg. Dieser war, wie der Hüttentag, in 24 Teile

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 845. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/859>, abgerufen am 22.11.2024.