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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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Westfalen und die Rheinlande.
arbeiter. Die drei Fabriken beschäftigten 800 Drahtzieher. Zur
besseren Versorgung der Drahtfabrik in Altena wurde 1797 ein
Eisenmagazin eingerichtet, an welches aller Osemund abgeliefert
werden musste. Der Osemund wurde dabei mit Strenge auf seine
Güte beschaut. Ebenso wurde der Draht, der zum Stapel kam,
von Beschaumeistern, die "Klinker" hiessen, genau auf Stärke,
Gleichheit des Zuges, Gewicht und sonstige Eigenschaften geprüft.
Alles war gesetzlich geregelt: der Pacht der Rollen, das Draht-
quantum, welches darauf gearbeitet werden durfte, der Lohn der
Zöger, der Preis des Drahtes u. s. w. Ausserdem herrschten strenge
Zunftregeln.

Wie eifersüchtig die märkischen Drahtfabrikanten darüber wachten,
dass ihr Handwerk nicht in fremdes Land vertragen wurde, wird leb-
haft illustriert durch den tragi-komischen Einfall der Altenaer in das
kölnische Sauerland im Jahre 1721. Geheimrat von Dücker zu
Rödinghausen war eifrig bemüht, diesem Orte eine Drahtfabrik zu
gewinnen. Nach vielen Bemühungen gelang es ihm endlich, einen
geschickten Zöger namens Nüter zu veranlassen, von Altena heimlich
zu entweichen und entgegen seinem Verbleibungseid in Rödinghausen
einen Drahtzug einzurichten. Als die Altenaer dies erfuhren, rüsteten
sich unter dem Drosten von Pungelscheidt alle Reidemeister, Zöger
und auch mehrere von der Metzgerzunft und zogen nachts 1 Uhr in
aller Stille über die Grenze, überfielen die Rollen, schleppten Nüter
als Gefangenen fort und zerstörten das ganze Werk. Als die Bürger
von Menden von dem kecken Überfall Kenntnis erhielten, läuteten
sie die Sturmglocke und zogen bewaffnet nach Rödinghausen.
Aber die Altenaer waren längst über die Berge, nur einen vorwitzigen
Altenaer Bürger namens Vogel erwischten sie und nahmen ihn als
Gefangenen mit. Den unglücklichen Nüter steckten die Altenaer in
einen Kerker in der Burg, wo er nach zwei Jahren elend starb. Der
Vogel aber entwischte; angeblich hatten ihm die schlauen Altenaer
Feilen und Dietriche in einen Laib Brot gebacken und denselben ihm
zugeschickt.

Die Stahldrahtfabrik in Altena hatte keine besonderen Werke,
sondern wurde auf den Drahtrollen mit betrieben. Das Material
dafür war Bördenstahl. Dieser wurde von den Stahldrahtschmieden
unter der Hand in achteckige dünne Ruten geschmiedet und in dieser
Gestalt in den Zug genommen. Die Verwendung des Stahldrahtes war
hauptsächlich für Nähnadeln und Strickstöcke. Er musste also von
bester Qualität und von vollkommener Rundung sein.


Westfalen und die Rheinlande.
arbeiter. Die drei Fabriken beschäftigten 800 Drahtzieher. Zur
besseren Versorgung der Drahtfabrik in Altena wurde 1797 ein
Eisenmagazin eingerichtet, an welches aller Osemund abgeliefert
werden muſste. Der Osemund wurde dabei mit Strenge auf seine
Güte beschaut. Ebenso wurde der Draht, der zum Stapel kam,
von Beschaumeistern, die „Klinker“ hieſsen, genau auf Stärke,
Gleichheit des Zuges, Gewicht und sonstige Eigenschaften geprüft.
Alles war gesetzlich geregelt: der Pacht der Rollen, das Draht-
quantum, welches darauf gearbeitet werden durfte, der Lohn der
Zöger, der Preis des Drahtes u. s. w. Auſserdem herrschten strenge
Zunftregeln.

Wie eifersüchtig die märkischen Drahtfabrikanten darüber wachten,
daſs ihr Handwerk nicht in fremdes Land vertragen wurde, wird leb-
haft illustriert durch den tragi-komischen Einfall der Altenaer in das
kölnische Sauerland im Jahre 1721. Geheimrat von Dücker zu
Rödinghausen war eifrig bemüht, diesem Orte eine Drahtfabrik zu
gewinnen. Nach vielen Bemühungen gelang es ihm endlich, einen
geschickten Zöger namens Nüter zu veranlassen, von Altena heimlich
zu entweichen und entgegen seinem Verbleibungseid in Rödinghausen
einen Drahtzug einzurichten. Als die Altenaer dies erfuhren, rüsteten
sich unter dem Drosten von Pungelscheidt alle Reidemeister, Zöger
und auch mehrere von der Metzgerzunft und zogen nachts 1 Uhr in
aller Stille über die Grenze, überfielen die Rollen, schleppten Nüter
als Gefangenen fort und zerstörten das ganze Werk. Als die Bürger
von Menden von dem kecken Überfall Kenntnis erhielten, läuteten
sie die Sturmglocke und zogen bewaffnet nach Rödinghausen.
Aber die Altenaer waren längst über die Berge, nur einen vorwitzigen
Altenaer Bürger namens Vogel erwischten sie und nahmen ihn als
Gefangenen mit. Den unglücklichen Nüter steckten die Altenaer in
einen Kerker in der Burg, wo er nach zwei Jahren elend starb. Der
Vogel aber entwischte; angeblich hatten ihm die schlauen Altenaer
Feilen und Dietriche in einen Laib Brot gebacken und denselben ihm
zugeschickt.

Die Stahldrahtfabrik in Altena hatte keine besonderen Werke,
sondern wurde auf den Drahtrollen mit betrieben. Das Material
dafür war Bördenstahl. Dieser wurde von den Stahldrahtschmieden
unter der Hand in achteckige dünne Ruten geschmiedet und in dieser
Gestalt in den Zug genommen. Die Verwendung des Stahldrahtes war
hauptsächlich für Nähnadeln und Strickstöcke. Er muſste also von
bester Qualität und von vollkommener Rundung sein.


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[955/0969] Westfalen und die Rheinlande. arbeiter. Die drei Fabriken beschäftigten 800 Drahtzieher. Zur besseren Versorgung der Drahtfabrik in Altena wurde 1797 ein Eisenmagazin eingerichtet, an welches aller Osemund abgeliefert werden muſste. Der Osemund wurde dabei mit Strenge auf seine Güte beschaut. Ebenso wurde der Draht, der zum Stapel kam, von Beschaumeistern, die „Klinker“ hieſsen, genau auf Stärke, Gleichheit des Zuges, Gewicht und sonstige Eigenschaften geprüft. Alles war gesetzlich geregelt: der Pacht der Rollen, das Draht- quantum, welches darauf gearbeitet werden durfte, der Lohn der Zöger, der Preis des Drahtes u. s. w. Auſserdem herrschten strenge Zunftregeln. Wie eifersüchtig die märkischen Drahtfabrikanten darüber wachten, daſs ihr Handwerk nicht in fremdes Land vertragen wurde, wird leb- haft illustriert durch den tragi-komischen Einfall der Altenaer in das kölnische Sauerland im Jahre 1721. Geheimrat von Dücker zu Rödinghausen war eifrig bemüht, diesem Orte eine Drahtfabrik zu gewinnen. Nach vielen Bemühungen gelang es ihm endlich, einen geschickten Zöger namens Nüter zu veranlassen, von Altena heimlich zu entweichen und entgegen seinem Verbleibungseid in Rödinghausen einen Drahtzug einzurichten. Als die Altenaer dies erfuhren, rüsteten sich unter dem Drosten von Pungelscheidt alle Reidemeister, Zöger und auch mehrere von der Metzgerzunft und zogen nachts 1 Uhr in aller Stille über die Grenze, überfielen die Rollen, schleppten Nüter als Gefangenen fort und zerstörten das ganze Werk. Als die Bürger von Menden von dem kecken Überfall Kenntnis erhielten, läuteten sie die Sturmglocke und zogen bewaffnet nach Rödinghausen. Aber die Altenaer waren längst über die Berge, nur einen vorwitzigen Altenaer Bürger namens Vogel erwischten sie und nahmen ihn als Gefangenen mit. Den unglücklichen Nüter steckten die Altenaer in einen Kerker in der Burg, wo er nach zwei Jahren elend starb. Der Vogel aber entwischte; angeblich hatten ihm die schlauen Altenaer Feilen und Dietriche in einen Laib Brot gebacken und denselben ihm zugeschickt. Die Stahldrahtfabrik in Altena hatte keine besonderen Werke, sondern wurde auf den Drahtrollen mit betrieben. Das Material dafür war Bördenstahl. Dieser wurde von den Stahldrahtschmieden unter der Hand in achteckige dünne Ruten geschmiedet und in dieser Gestalt in den Zug genommen. Die Verwendung des Stahldrahtes war hauptsächlich für Nähnadeln und Strickstöcke. Er muſste also von bester Qualität und von vollkommener Rundung sein.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 955. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/969>, abgerufen am 22.11.2024.