Die Nähnadelfabrikation brachte der Iserlohner Kaufmann Konrad Pütter ins Land und etablierte sie im ersten Viertel des vorigen Jahrhunderts in Iserlohn. Sie machte nur ordinäre Ware aus Eisendraht nach Art der Schwabacher Nadeln und hatte kein rechtes Fortkommen. 1780 wurde aber zu Altena eine Stahl- Nadelfabrik nach Art der Aachener angelegt. Da die Aachener ihren Stahldraht von Altena bezogen, so hoffte man am Erzeugungsplatz selbst günstiger fabrizieren zu können. Landrichter Göke und Bürgermeister Rumpe standen an der Spitze des Unternehmens. Aber die Schwierigkeiten im einzelnen erwiesen sich so gross, dass das Unternehmen zu Grunde gegangen wäre, wenn Minister von Heinitz es nicht durch königliche Unterstützung gehalten hätte. Hierdurch und durch den Fleiss und den Unternehmungsgeist des Bürgermeisters Rumpe kam sie doch nach und nach zur Blüte. Johann Kaspar Rumpe gründete um 1789 das Werk am Hünen- graben, eine Anlage, welche wegen ihrer damals ausserordentlich erscheinenden Ausdehnung auf Hammerwerke, Drahtzüge, Nadel- schauermühlen und Schleifwerke, mehr noch durch ihre Wasserleitung mittels des in die Felsen gesprengten unterirdischen Kanals von 1200 Fuss Länge, 8 Fuss Höhe und 10 Fuss Weite für ein Wunder der Welt galt. 1800 wurde eine zweite Nadelfabrik zu Iserlohn an- gelegt von Müllensiefen und Altgeld. Die Rumpesche Fabrik fertigte um 1800 an 100 Millionen Nähnadeln. Auch in Plettenberg entstand eine Nähnadelfabrik, die 1791 70 Arbeiter beschäftigte.
1725 begann Joh. Hermann Quittmann die Fabrikation von Fischangeln, die ebenfalls ein dauernder Handelsartikel für Iser- lohn und Altena geworden sind.
Wenn auch die Verwendung der Steinkohle im Laufe des 18. Jahrhunderts nach und nach zunahm, so war doch die Aus- beutung der reichen Schätze des Ruhrbeckens noch eine sehr be- schränkte. Im Jahre 1787 waren im ganzen 1023 Bergleute bei dem Steinkohlenbau beschäftigt, und wurden 1769000 Scheffel ge- fördert.
Die Militärpflichtigkeit spielte im vorigen Jahrhundert eine grosse Rolle und wirkte namentlich in Preussen, das viele Soldaten brauchte, vielfach störend auf die Entwickelung der Eisenindustrie ein. Seit Friedrich Wilhelm I. ein strenges Werbesystem einge- führt hatte und auch die Eisenarbeiter zum Militärdienst aushob, entwichen viele wegen der Kriegspflicht ins Bergische, wo sie Freiheit und Nahrung fanden und durch ihren Fleiss das Land in Flor
Westfalen und die Rheinlande.
Die Nähnadelfabrikation brachte der Iserlohner Kaufmann Konrad Pütter ins Land und etablierte sie im ersten Viertel des vorigen Jahrhunderts in Iserlohn. Sie machte nur ordinäre Ware aus Eisendraht nach Art der Schwabacher Nadeln und hatte kein rechtes Fortkommen. 1780 wurde aber zu Altena eine Stahl- Nadelfabrik nach Art der Aachener angelegt. Da die Aachener ihren Stahldraht von Altena bezogen, so hoffte man am Erzeugungsplatz selbst günstiger fabrizieren zu können. Landrichter Göke und Bürgermeister Rumpe standen an der Spitze des Unternehmens. Aber die Schwierigkeiten im einzelnen erwiesen sich so groſs, daſs das Unternehmen zu Grunde gegangen wäre, wenn Minister von Heinitz es nicht durch königliche Unterstützung gehalten hätte. Hierdurch und durch den Fleiſs und den Unternehmungsgeist des Bürgermeisters Rumpe kam sie doch nach und nach zur Blüte. Johann Kaspar Rumpe gründete um 1789 das Werk am Hünen- graben, eine Anlage, welche wegen ihrer damals auſserordentlich erscheinenden Ausdehnung auf Hammerwerke, Drahtzüge, Nadel- schauermühlen und Schleifwerke, mehr noch durch ihre Wasserleitung mittels des in die Felsen gesprengten unterirdischen Kanals von 1200 Fuſs Länge, 8 Fuſs Höhe und 10 Fuſs Weite für ein Wunder der Welt galt. 1800 wurde eine zweite Nadelfabrik zu Iserlohn an- gelegt von Müllensiefen und Altgeld. Die Rumpesche Fabrik fertigte um 1800 an 100 Millionen Nähnadeln. Auch in Plettenberg entstand eine Nähnadelfabrik, die 1791 70 Arbeiter beschäftigte.
1725 begann Joh. Hermann Quittmann die Fabrikation von Fischangeln, die ebenfalls ein dauernder Handelsartikel für Iser- lohn und Altena geworden sind.
Wenn auch die Verwendung der Steinkohle im Laufe des 18. Jahrhunderts nach und nach zunahm, so war doch die Aus- beutung der reichen Schätze des Ruhrbeckens noch eine sehr be- schränkte. Im Jahre 1787 waren im ganzen 1023 Bergleute bei dem Steinkohlenbau beschäftigt, und wurden 1769000 Scheffel ge- fördert.
Die Militärpflichtigkeit spielte im vorigen Jahrhundert eine groſse Rolle und wirkte namentlich in Preuſsen, das viele Soldaten brauchte, vielfach störend auf die Entwickelung der Eisenindustrie ein. Seit Friedrich Wilhelm I. ein strenges Werbesystem einge- führt hatte und auch die Eisenarbeiter zum Militärdienst aushob, entwichen viele wegen der Kriegspflicht ins Bergische, wo sie Freiheit und Nahrung fanden und durch ihren Fleiſs das Land in Flor
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Westfalen und die Rheinlande.
Die Nähnadelfabrikation brachte der Iserlohner Kaufmann
Konrad Pütter ins Land und etablierte sie im ersten Viertel des
vorigen Jahrhunderts in Iserlohn. Sie machte nur ordinäre Ware
aus Eisendraht nach Art der Schwabacher Nadeln und hatte kein
rechtes Fortkommen. 1780 wurde aber zu Altena eine Stahl-
Nadelfabrik nach Art der Aachener angelegt. Da die Aachener ihren
Stahldraht von Altena bezogen, so hoffte man am Erzeugungsplatz
selbst günstiger fabrizieren zu können. Landrichter Göke und
Bürgermeister Rumpe standen an der Spitze des Unternehmens.
Aber die Schwierigkeiten im einzelnen erwiesen sich so groſs, daſs
das Unternehmen zu Grunde gegangen wäre, wenn Minister von
Heinitz es nicht durch königliche Unterstützung gehalten hätte.
Hierdurch und durch den Fleiſs und den Unternehmungsgeist des
Bürgermeisters Rumpe kam sie doch nach und nach zur Blüte.
Johann Kaspar Rumpe gründete um 1789 das Werk am Hünen-
graben, eine Anlage, welche wegen ihrer damals auſserordentlich
erscheinenden Ausdehnung auf Hammerwerke, Drahtzüge, Nadel-
schauermühlen und Schleifwerke, mehr noch durch ihre Wasserleitung
mittels des in die Felsen gesprengten unterirdischen Kanals von
1200 Fuſs Länge, 8 Fuſs Höhe und 10 Fuſs Weite für ein Wunder
der Welt galt. 1800 wurde eine zweite Nadelfabrik zu Iserlohn an-
gelegt von Müllensiefen und Altgeld. Die Rumpesche Fabrik
fertigte um 1800 an 100 Millionen Nähnadeln. Auch in Plettenberg
entstand eine Nähnadelfabrik, die 1791 70 Arbeiter beschäftigte.
1725 begann Joh. Hermann Quittmann die Fabrikation von
Fischangeln, die ebenfalls ein dauernder Handelsartikel für Iser-
lohn und Altena geworden sind.
Wenn auch die Verwendung der Steinkohle im Laufe des
18. Jahrhunderts nach und nach zunahm, so war doch die Aus-
beutung der reichen Schätze des Ruhrbeckens noch eine sehr be-
schränkte. Im Jahre 1787 waren im ganzen 1023 Bergleute bei
dem Steinkohlenbau beschäftigt, und wurden 1769000 Scheffel ge-
fördert.
Die Militärpflichtigkeit spielte im vorigen Jahrhundert eine
groſse Rolle und wirkte namentlich in Preuſsen, das viele Soldaten
brauchte, vielfach störend auf die Entwickelung der Eisenindustrie
ein. Seit Friedrich Wilhelm I. ein strenges Werbesystem einge-
führt hatte und auch die Eisenarbeiter zum Militärdienst aushob,
entwichen viele wegen der Kriegspflicht ins Bergische, wo sie Freiheit
und Nahrung fanden und durch ihren Fleiſs das Land in Flor
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 958. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/972>, abgerufen am 22.11.2024.
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