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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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Westfalen und die Rheinlande.
und dass an stelle der Landwehr stehende Heere traten. Dadurch
wurde der frühere Markthandel mit Waffen sehr beschränkt; die Be-
stellungen kamen jetzt von den Landesregierungen immer in grossen
Posten. Damit hörte aber die Gleichmässigkeit der Fabrikation auf.
Lagen Waffenbestellungen vor, so waren sie umfangreich und mussten
rasch erledigt werden, nahmen also viele Kräfte in Anspruch; lagen
keine vor, so mussten die Arbeiter feiern. Dazu kam, dass viele
Staaten selbst Waffenfabriken anlegten. Solche entstanden im Laufe
des 18. Jahrhunderts zu Spandau, Neustadt-Eberswalde, Potsdam,
Klingenthal im Elsass, Kopenhagen, Elkistuna u. s. w.

Ferner machte die Klingenfabrikation in der Mark, welche unter
günstigeren Bedingungen und überhaupt auf billige Ware arbeitete,
empfindliche Konkurrenz. Hiergegen kämpften die Kaufleute mit
Erfolg dadurch an, dass den Zunftgenossen verboten wurde, Klingen
an unprivilegierte Händler zu liefern. Dies waren in erster Linie
Remscheider Kaufleute, welche mit schlechten märkischen Klingen
handelten, sie unter die Solinger mischten und einen grossartigen
Schleichhandel trieben. Die Vereinbarung vom 12. September 1788
bestimmte, dass die privilegierten Kauf- und Handelsleute keinem ber-
gischen Unterthan weder direkt noch indirekt verkaufen durften.

Die Arbeiter benutzten die für sie günstige Zeit bei Ausbruch
des siebenjährigen Krieges, eine erneute Satzordnung vom 23. No-
vember 1757 für sich durchzusetzen, in der Löhne und Preise nach
Klassen der österreichischen, spanischen, preussischen, sächsischen u. s. w.
Klingen festgesetzt wurden und in der bestimmt war, dass ihnen der
Lohn nur in barem gutem Gelde ausbezahlt werden musste. Die
napoleonischen Kriege warfen die ganze alte Ordnung über den Haufen.
Die Zunftverfassung wurde aufgehoben, das Koalitionsrecht ge-
nommen, ein Zustand der Rechtlosigkeit trat ein. Das einzige, was
der Schwertfabrik in dieser Not half, war der vermehrte Bedarf in
der kriegerischen Zeit.

Die Messerfabrik war zwar weniger von den oben angeführten
veränderten Zuständen abhängig, sie war aber zu sehr mit der Schwert-
fabrik verwachsen, um nicht mit darunter zu leiden.

Gerade bei der Messerindustrie hatte das Trucksystem einen ver-
derblichen Umfang gewonnen; die Arbeiter wurden mit Kaffee, Thee,
Tabak, Kleidungsstücken u. s. w. abgelohnt, welche sie nur mit Ver-
lust bei Juden wieder absetzen konnten und wodurch sie sich an
kostspielige Bedürfnisse gewöhnten. Nachdem die Schwertbrüder ihre
Satzordnung durchgesetzt hatten, machten sich auch die Messer-

Westfalen und die Rheinlande.
und daſs an stelle der Landwehr stehende Heere traten. Dadurch
wurde der frühere Markthandel mit Waffen sehr beschränkt; die Be-
stellungen kamen jetzt von den Landesregierungen immer in groſsen
Posten. Damit hörte aber die Gleichmäſsigkeit der Fabrikation auf.
Lagen Waffenbestellungen vor, so waren sie umfangreich und muſsten
rasch erledigt werden, nahmen also viele Kräfte in Anspruch; lagen
keine vor, so muſsten die Arbeiter feiern. Dazu kam, daſs viele
Staaten selbst Waffenfabriken anlegten. Solche entstanden im Laufe
des 18. Jahrhunderts zu Spandau, Neustadt-Eberswalde, Potsdam,
Klingenthal im Elsaſs, Kopenhagen, Elkistuna u. s. w.

Ferner machte die Klingenfabrikation in der Mark, welche unter
günstigeren Bedingungen und überhaupt auf billige Ware arbeitete,
empfindliche Konkurrenz. Hiergegen kämpften die Kaufleute mit
Erfolg dadurch an, daſs den Zunftgenossen verboten wurde, Klingen
an unprivilegierte Händler zu liefern. Dies waren in erster Linie
Remscheider Kaufleute, welche mit schlechten märkischen Klingen
handelten, sie unter die Solinger mischten und einen groſsartigen
Schleichhandel trieben. Die Vereinbarung vom 12. September 1788
bestimmte, daſs die privilegierten Kauf- und Handelsleute keinem ber-
gischen Unterthan weder direkt noch indirekt verkaufen durften.

Die Arbeiter benutzten die für sie günstige Zeit bei Ausbruch
des siebenjährigen Krieges, eine erneute Satzordnung vom 23. No-
vember 1757 für sich durchzusetzen, in der Löhne und Preise nach
Klassen der österreichischen, spanischen, preuſsischen, sächsischen u. s. w.
Klingen festgesetzt wurden und in der bestimmt war, daſs ihnen der
Lohn nur in barem gutem Gelde ausbezahlt werden muſste. Die
napoleonischen Kriege warfen die ganze alte Ordnung über den Haufen.
Die Zunftverfassung wurde aufgehoben, das Koalitionsrecht ge-
nommen, ein Zustand der Rechtlosigkeit trat ein. Das einzige, was
der Schwertfabrik in dieser Not half, war der vermehrte Bedarf in
der kriegerischen Zeit.

Die Messerfabrik war zwar weniger von den oben angeführten
veränderten Zuständen abhängig, sie war aber zu sehr mit der Schwert-
fabrik verwachsen, um nicht mit darunter zu leiden.

Gerade bei der Messerindustrie hatte das Trucksystem einen ver-
derblichen Umfang gewonnen; die Arbeiter wurden mit Kaffee, Thee,
Tabak, Kleidungsstücken u. s. w. abgelohnt, welche sie nur mit Ver-
lust bei Juden wieder absetzen konnten und wodurch sie sich an
kostspielige Bedürfnisse gewöhnten. Nachdem die Schwertbrüder ihre
Satzordnung durchgesetzt hatten, machten sich auch die Messer-

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[969/0983] Westfalen und die Rheinlande. und daſs an stelle der Landwehr stehende Heere traten. Dadurch wurde der frühere Markthandel mit Waffen sehr beschränkt; die Be- stellungen kamen jetzt von den Landesregierungen immer in groſsen Posten. Damit hörte aber die Gleichmäſsigkeit der Fabrikation auf. Lagen Waffenbestellungen vor, so waren sie umfangreich und muſsten rasch erledigt werden, nahmen also viele Kräfte in Anspruch; lagen keine vor, so muſsten die Arbeiter feiern. Dazu kam, daſs viele Staaten selbst Waffenfabriken anlegten. Solche entstanden im Laufe des 18. Jahrhunderts zu Spandau, Neustadt-Eberswalde, Potsdam, Klingenthal im Elsaſs, Kopenhagen, Elkistuna u. s. w. Ferner machte die Klingenfabrikation in der Mark, welche unter günstigeren Bedingungen und überhaupt auf billige Ware arbeitete, empfindliche Konkurrenz. Hiergegen kämpften die Kaufleute mit Erfolg dadurch an, daſs den Zunftgenossen verboten wurde, Klingen an unprivilegierte Händler zu liefern. Dies waren in erster Linie Remscheider Kaufleute, welche mit schlechten märkischen Klingen handelten, sie unter die Solinger mischten und einen groſsartigen Schleichhandel trieben. Die Vereinbarung vom 12. September 1788 bestimmte, daſs die privilegierten Kauf- und Handelsleute keinem ber- gischen Unterthan weder direkt noch indirekt verkaufen durften. Die Arbeiter benutzten die für sie günstige Zeit bei Ausbruch des siebenjährigen Krieges, eine erneute Satzordnung vom 23. No- vember 1757 für sich durchzusetzen, in der Löhne und Preise nach Klassen der österreichischen, spanischen, preuſsischen, sächsischen u. s. w. Klingen festgesetzt wurden und in der bestimmt war, daſs ihnen der Lohn nur in barem gutem Gelde ausbezahlt werden muſste. Die napoleonischen Kriege warfen die ganze alte Ordnung über den Haufen. Die Zunftverfassung wurde aufgehoben, das Koalitionsrecht ge- nommen, ein Zustand der Rechtlosigkeit trat ein. Das einzige, was der Schwertfabrik in dieser Not half, war der vermehrte Bedarf in der kriegerischen Zeit. Die Messerfabrik war zwar weniger von den oben angeführten veränderten Zuständen abhängig, sie war aber zu sehr mit der Schwert- fabrik verwachsen, um nicht mit darunter zu leiden. Gerade bei der Messerindustrie hatte das Trucksystem einen ver- derblichen Umfang gewonnen; die Arbeiter wurden mit Kaffee, Thee, Tabak, Kleidungsstücken u. s. w. abgelohnt, welche sie nur mit Ver- lust bei Juden wieder absetzen konnten und wodurch sie sich an kostspielige Bedürfnisse gewöhnten. Nachdem die Schwertbrüder ihre Satzordnung durchgesetzt hatten, machten sich auch die Messer-

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 969. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/983>, abgerufen am 22.11.2024.