fand man Remscheider Stahlreisende gegen Ende des Jahrhunderts von Moskau bis Lissabon und in Amerika. Aller Stahl, der in den Handel kam, war mit Marken oder Zeichen versehen (s. S. 441).
Der Hauptsitz der bergischen Band- und Reck-, oder Hol- ländisch-Eisen-Fabrikation war die Wupper und ihre Nebenflüsse. Auch hierfür kam das Eisen aus dem Siegerland. Das Tiefenbacher Eisen galt als das beste für Bandeisen, weil es weich und nicht stahl- artig war.
Wir wissen, dass die bergische Sensenfabrikation von ehr- würdigem Alter war, aber die Fabrikation der weissen Sensen zog sich im Laufe des vorigen Jahrhunderts mehr und mehr nach der Mark. Der Handel mit den weissen geschliffenen Sensen litt aber überhaupt sehr durch die Konkurrenz der nur geschmiedeten blauen Sensen aus Steiermark. Ein unternehmender Remscheider Kaufmann vereinigte sich deshalb 1770 mit 42 Kaufleuten in Remscheid zur Einführung der steierischen Sensenfabrikation. Ein Versuch, steierische Arbeiter aus ihrer Heimat wegzulocken, misslang, und wäre ein Kauf- mann Halbach dabei fast verunglückt; doch gelang es ihm und einem sächsischen Bergmann namens Schildach, wenigstens zum Teil hinter das Geheimnis der steierischen Sensenfabrikation zu kommen. Zu gedeihlicher Entwickelung gelangte indes das Unter- nehmen erst durch einen gewissen Karl Röndgen, der schon in der Mark das Sensenschmieden, das er von einem österreichischen Soldaten erlernte, versucht hatte. Dieser legte den Grund zu der bergischen blauen Sensenfabrik. Aber nur sehr allmählich und mit grossen Anstrengungen und Opfern gelangte man zum Ziel. Erst 1772 erbaute der Kaufmann J. A. Halbach zu Müngsten die erste zu- sammenhängende Sensenfabrik. Um 1800 gab es schon vier Sensen- fabriken, ausser der genannten die Gründer Hämmer der Gebr. Busch zu Remscheid, die Buschhämmer an der Wupper und die Hämmer von Hasenclever und Söhnen zu Ehringshausen. Ihr Absatz betrug an 200000 Stück, etwa das dreifache der märkischen Fabrik.
Die Zahl der Schleifwerke überstieg 150. Sie arbeiteten teils für die Solinger Schwert- und Messerfabrik, teils für die Remscheider Kleineisenfabrik.
Die Solinger Schwert- und Messerfabrik erhielt sich ihren alten Ruhm trotz vieler Schwierigkeiten und Kämpfe. Ein grosser, für die Solinger Industrie nachteiliger Umschwung wurde dadurch herbeigeführt, dass nach dem 30jährigen Kriege die alte Sitte, dass jeder Bürger eine Waffe trug oder wenigstens besass, verschwand,
Westfalen und die Rheinlande.
fand man Remscheider Stahlreisende gegen Ende des Jahrhunderts von Moskau bis Lissabon und in Amerika. Aller Stahl, der in den Handel kam, war mit Marken oder Zeichen versehen (s. S. 441).
Der Hauptsitz der bergischen Band- und Reck-, oder Hol- ländisch-Eisen-Fabrikation war die Wupper und ihre Nebenflüsse. Auch hierfür kam das Eisen aus dem Siegerland. Das Tiefenbacher Eisen galt als das beste für Bandeisen, weil es weich und nicht stahl- artig war.
Wir wissen, daſs die bergische Sensenfabrikation von ehr- würdigem Alter war, aber die Fabrikation der weiſsen Sensen zog sich im Laufe des vorigen Jahrhunderts mehr und mehr nach der Mark. Der Handel mit den weiſsen geschliffenen Sensen litt aber überhaupt sehr durch die Konkurrenz der nur geschmiedeten blauen Sensen aus Steiermark. Ein unternehmender Remscheider Kaufmann vereinigte sich deshalb 1770 mit 42 Kaufleuten in Remscheid zur Einführung der steierischen Sensenfabrikation. Ein Versuch, steierische Arbeiter aus ihrer Heimat wegzulocken, miſslang, und wäre ein Kauf- mann Halbach dabei fast verunglückt; doch gelang es ihm und einem sächsischen Bergmann namens Schildach, wenigstens zum Teil hinter das Geheimnis der steierischen Sensenfabrikation zu kommen. Zu gedeihlicher Entwickelung gelangte indes das Unter- nehmen erst durch einen gewissen Karl Röndgen, der schon in der Mark das Sensenschmieden, das er von einem österreichischen Soldaten erlernte, versucht hatte. Dieser legte den Grund zu der bergischen blauen Sensenfabrik. Aber nur sehr allmählich und mit groſsen Anstrengungen und Opfern gelangte man zum Ziel. Erst 1772 erbaute der Kaufmann J. A. Halbach zu Müngsten die erste zu- sammenhängende Sensenfabrik. Um 1800 gab es schon vier Sensen- fabriken, auſser der genannten die Gründer Hämmer der Gebr. Busch zu Remscheid, die Buschhämmer an der Wupper und die Hämmer von Hasenclever und Söhnen zu Ehringshausen. Ihr Absatz betrug an 200000 Stück, etwa das dreifache der märkischen Fabrik.
Die Zahl der Schleifwerke überstieg 150. Sie arbeiteten teils für die Solinger Schwert- und Messerfabrik, teils für die Remscheider Kleineisenfabrik.
Die Solinger Schwert- und Messerfabrik erhielt sich ihren alten Ruhm trotz vieler Schwierigkeiten und Kämpfe. Ein groſser, für die Solinger Industrie nachteiliger Umschwung wurde dadurch herbeigeführt, daſs nach dem 30jährigen Kriege die alte Sitte, daſs jeder Bürger eine Waffe trug oder wenigstens besaſs, verschwand,
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Westfalen und die Rheinlande.
fand man Remscheider Stahlreisende gegen Ende des Jahrhunderts von
Moskau bis Lissabon und in Amerika. Aller Stahl, der in den
Handel kam, war mit Marken oder Zeichen versehen (s. S. 441).
Der Hauptsitz der bergischen Band- und Reck-, oder Hol-
ländisch-Eisen-Fabrikation war die Wupper und ihre Nebenflüsse.
Auch hierfür kam das Eisen aus dem Siegerland. Das Tiefenbacher
Eisen galt als das beste für Bandeisen, weil es weich und nicht stahl-
artig war.
Wir wissen, daſs die bergische Sensenfabrikation von ehr-
würdigem Alter war, aber die Fabrikation der weiſsen Sensen zog
sich im Laufe des vorigen Jahrhunderts mehr und mehr nach der
Mark. Der Handel mit den weiſsen geschliffenen Sensen litt aber
überhaupt sehr durch die Konkurrenz der nur geschmiedeten blauen
Sensen aus Steiermark. Ein unternehmender Remscheider Kaufmann
vereinigte sich deshalb 1770 mit 42 Kaufleuten in Remscheid zur
Einführung der steierischen Sensenfabrikation. Ein Versuch, steierische
Arbeiter aus ihrer Heimat wegzulocken, miſslang, und wäre ein Kauf-
mann Halbach dabei fast verunglückt; doch gelang es ihm und
einem sächsischen Bergmann namens Schildach, wenigstens zum
Teil hinter das Geheimnis der steierischen Sensenfabrikation zu
kommen. Zu gedeihlicher Entwickelung gelangte indes das Unter-
nehmen erst durch einen gewissen Karl Röndgen, der schon in
der Mark das Sensenschmieden, das er von einem österreichischen
Soldaten erlernte, versucht hatte. Dieser legte den Grund zu der
bergischen blauen Sensenfabrik. Aber nur sehr allmählich und mit
groſsen Anstrengungen und Opfern gelangte man zum Ziel. Erst 1772
erbaute der Kaufmann J. A. Halbach zu Müngsten die erste zu-
sammenhängende Sensenfabrik. Um 1800 gab es schon vier Sensen-
fabriken, auſser der genannten die Gründer Hämmer der Gebr. Busch
zu Remscheid, die Buschhämmer an der Wupper und die Hämmer
von Hasenclever und Söhnen zu Ehringshausen. Ihr Absatz
betrug an 200000 Stück, etwa das dreifache der märkischen Fabrik.
Die Zahl der Schleifwerke überstieg 150. Sie arbeiteten teils für
die Solinger Schwert- und Messerfabrik, teils für die Remscheider
Kleineisenfabrik.
Die Solinger Schwert- und Messerfabrik erhielt sich ihren
alten Ruhm trotz vieler Schwierigkeiten und Kämpfe. Ein groſser,
für die Solinger Industrie nachteiliger Umschwung wurde dadurch
herbeigeführt, daſs nach dem 30jährigen Kriege die alte Sitte, daſs
jeder Bürger eine Waffe trug oder wenigstens besaſs, verschwand,
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 968. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/982>, abgerufen am 22.11.2024.
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