platten, die man mit übereinandergreifenden Falzen versah, um den Luftzutritt möglichst zu verhindern. Auf die Breite der zu cemen- tierenden Eisenstäbe kam es wenig an, dagegen nahm man sie in der Regel nicht dicker als 3/8 Zoll. Da sich die Stäbe beim Brennen um 1/120 ausdehnten, so mussten sie entsprechenden Spielraum in der Länge behalten. Man pflegte die Stäbe auf die hohe Kante zu stellen. Eine wichtige Erfahrung, welche man auch praktisch auszubeuten suchte, war die, dass man ölbildendes Gas statt des Holzkohlen- pulvers zum Cementieren des Stabeisens verwenden konnte und mit diesem einen sehr guten Cementstahl erhielt. Professor Vismara zu Padua war der erste, der dies nachwies 1) und aus dem so bereiteten Cementstahl guten Gussstahl schmolz. Charles Macintosh nahm am 14. Mai 1825 auf dasselbe Verfahren ein Patent in England. Doch scheiterte die Ausführung an der Schwierigkeit des vollkommenen Luftabschlusses.
Bei der Gussstahlfabrikation wurden vielerlei Versuche gemacht, ohne indes zu bemerkenswerten Änderungen des Verfahrens zu kommen. 1819 nahm Stephan Bedford in England ein Patent (Nr. 4382) darauf, englisches Eisen dadurch in Stahl zu verwandeln, dass man es lagenweise in einem Ofen (air furnace or stove), mit ver- schlacktem Eisen, Eisenschlacke und Eisenabfällen gut bedeckt, 4 bis 8 Tage glühte. John Thomson schlug 1824 vor, Gussstahl im Flammofen, in welchen die Tiegel eingesetzt würden, zu schmelzen. Needham nahm 1824 ein Patent darauf, die Tiegel so einzurichten, dass man sie abzapfen konnte, statt sie auszugiessen. Hierdurch wollte er grössere Stahlgüsse erzielen, als seither. Über die An- fertigung der feuerfesten Tiegel nach dem englischen Verfahren machte J. C. Leuchs in Nürnberg 1827 Mitteilungen. Die Fortschritte auf diesem Gebiete lagen aber mehr in der Ausbreitung der Guss- stahlfabrikation auf dem Kontinent. Namentlich muss die Erbauung der Gussstahlfabrik von Friedrich Krupp in Essen im Jahre 1819 als ein Ereignis von historischer Wichtigkeit erwähnt werden. In Frankreich war es Milleret zu La Berardiere um dieselbe Zeit ge- lungen, einen guten Gussstahl zu fabrizieren.
Eine wichtige Erfahrung war die, dass die Schweissbarkeit des Gussstahls durch längeres Glühen und langsames Erkalten sehr er- höht wird. Durch das fortgesetzte Glühen trat eine andere Verteilung des Kohlenstoffs im Gussstahl ein, wodurch derselbe weicher wurde.
1) Siehe Karstens Archiv XIV, 446; Dinglers Journal Nr. 18, S. 120.
Die Stahlbereitung 1816 bis 1830.
platten, die man mit übereinandergreifenden Falzen versah, um den Luftzutritt möglichst zu verhindern. Auf die Breite der zu cemen- tierenden Eisenstäbe kam es wenig an, dagegen nahm man sie in der Regel nicht dicker als ⅜ Zoll. Da sich die Stäbe beim Brennen um 1/120 ausdehnten, so muſsten sie entsprechenden Spielraum in der Länge behalten. Man pflegte die Stäbe auf die hohe Kante zu stellen. Eine wichtige Erfahrung, welche man auch praktisch auszubeuten suchte, war die, daſs man ölbildendes Gas statt des Holzkohlen- pulvers zum Cementieren des Stabeisens verwenden konnte und mit diesem einen sehr guten Cementstahl erhielt. Professor Vismara zu Padua war der erste, der dies nachwies 1) und aus dem so bereiteten Cementstahl guten Guſsstahl schmolz. Charles Macintosh nahm am 14. Mai 1825 auf dasselbe Verfahren ein Patent in England. Doch scheiterte die Ausführung an der Schwierigkeit des vollkommenen Luftabschlusses.
Bei der Guſsstahlfabrikation wurden vielerlei Versuche gemacht, ohne indes zu bemerkenswerten Änderungen des Verfahrens zu kommen. 1819 nahm Stephan Bedford in England ein Patent (Nr. 4382) darauf, englisches Eisen dadurch in Stahl zu verwandeln, daſs man es lagenweise in einem Ofen (air furnace or stove), mit ver- schlacktem Eisen, Eisenschlacke und Eisenabfällen gut bedeckt, 4 bis 8 Tage glühte. John Thomson schlug 1824 vor, Guſsstahl im Flammofen, in welchen die Tiegel eingesetzt würden, zu schmelzen. Needham nahm 1824 ein Patent darauf, die Tiegel so einzurichten, daſs man sie abzapfen konnte, statt sie auszugieſsen. Hierdurch wollte er gröſsere Stahlgüsse erzielen, als seither. Über die An- fertigung der feuerfesten Tiegel nach dem englischen Verfahren machte J. C. Leuchs in Nürnberg 1827 Mitteilungen. Die Fortschritte auf diesem Gebiete lagen aber mehr in der Ausbreitung der Guſs- stahlfabrikation auf dem Kontinent. Namentlich muſs die Erbauung der Guſsstahlfabrik von Friedrich Krupp in Essen im Jahre 1819 als ein Ereignis von historischer Wichtigkeit erwähnt werden. In Frankreich war es Milleret zu La Bérardière um dieselbe Zeit ge- lungen, einen guten Guſsstahl zu fabrizieren.
Eine wichtige Erfahrung war die, daſs die Schweiſsbarkeit des Guſsstahls durch längeres Glühen und langsames Erkalten sehr er- höht wird. Durch das fortgesetzte Glühen trat eine andere Verteilung des Kohlenstoffs im Guſsstahl ein, wodurch derselbe weicher wurde.
1) Siehe Karstens Archiv XIV, 446; Dinglers Journal Nr. 18, S. 120.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0295"n="279"/><fwplace="top"type="header">Die Stahlbereitung 1816 bis 1830.</fw><lb/>
platten, die man mit übereinandergreifenden Falzen versah, um den<lb/>
Luftzutritt möglichst zu verhindern. Auf die Breite der zu cemen-<lb/>
tierenden Eisenstäbe kam es wenig an, dagegen nahm man sie in<lb/>
der Regel nicht dicker als ⅜ Zoll. Da sich die Stäbe beim Brennen<lb/>
um 1/120 ausdehnten, so muſsten sie entsprechenden Spielraum in der<lb/>
Länge behalten. Man pflegte die Stäbe auf die hohe Kante zu stellen.<lb/>
Eine wichtige Erfahrung, welche man auch praktisch auszubeuten<lb/>
suchte, war die, daſs man ölbildendes Gas statt des Holzkohlen-<lb/>
pulvers zum Cementieren des Stabeisens verwenden konnte und mit<lb/>
diesem einen sehr guten Cementstahl erhielt. Professor <hirendition="#g">Vismara</hi> zu<lb/>
Padua war der erste, der dies nachwies <noteplace="foot"n="1)">Siehe Karstens Archiv XIV, 446; Dinglers Journal Nr. 18, S. 120.</note> und aus dem so bereiteten<lb/>
Cementstahl guten Guſsstahl schmolz. <hirendition="#g">Charles Macintosh</hi> nahm<lb/>
am 14. Mai 1825 auf dasselbe Verfahren ein Patent in England.<lb/>
Doch scheiterte die Ausführung an der Schwierigkeit des vollkommenen<lb/>
Luftabschlusses.</p><lb/><p>Bei der <hirendition="#g">Guſsstahlf</hi>abrikation wurden vielerlei Versuche gemacht,<lb/>
ohne indes zu bemerkenswerten Änderungen des Verfahrens zu<lb/>
kommen. 1819 nahm <hirendition="#g">Stephan Bedford</hi> in England ein Patent<lb/>
(Nr. 4382) darauf, englisches Eisen dadurch in Stahl zu verwandeln,<lb/>
daſs man es lagenweise in einem Ofen (air furnace or stove), mit ver-<lb/>
schlacktem Eisen, Eisenschlacke und Eisenabfällen gut bedeckt, 4 bis<lb/>
8 Tage glühte. <hirendition="#g">John Thomson</hi> schlug 1824 vor, Guſsstahl im<lb/>
Flammofen, in welchen die Tiegel eingesetzt würden, zu schmelzen.<lb/><hirendition="#g">Needham</hi> nahm 1824 ein Patent darauf, die Tiegel so einzurichten,<lb/>
daſs man sie abzapfen konnte, statt sie auszugieſsen. Hierdurch<lb/>
wollte er gröſsere Stahlgüsse erzielen, als seither. Über die An-<lb/>
fertigung der feuerfesten Tiegel nach dem englischen Verfahren<lb/>
machte J. C. <hirendition="#g">Leuchs</hi> in Nürnberg 1827 Mitteilungen. Die Fortschritte<lb/>
auf diesem Gebiete lagen aber mehr in der Ausbreitung der Guſs-<lb/>
stahlfabrikation auf dem Kontinent. Namentlich muſs die Erbauung<lb/>
der Guſsstahlfabrik von <hirendition="#g">Friedrich Krupp</hi> in Essen im Jahre 1819<lb/>
als ein Ereignis von historischer Wichtigkeit erwähnt werden. In<lb/>
Frankreich war es <hirendition="#g">Milleret</hi> zu La Bérardière um dieselbe Zeit ge-<lb/>
lungen, einen guten Guſsstahl zu fabrizieren.</p><lb/><p>Eine wichtige Erfahrung war die, daſs die Schweiſsbarkeit des<lb/>
Guſsstahls durch längeres Glühen und langsames Erkalten sehr er-<lb/>
höht wird. Durch das fortgesetzte Glühen trat eine andere Verteilung<lb/>
des Kohlenstoffs im Guſsstahl ein, wodurch derselbe weicher wurde.</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[279/0295]
Die Stahlbereitung 1816 bis 1830.
platten, die man mit übereinandergreifenden Falzen versah, um den
Luftzutritt möglichst zu verhindern. Auf die Breite der zu cemen-
tierenden Eisenstäbe kam es wenig an, dagegen nahm man sie in
der Regel nicht dicker als ⅜ Zoll. Da sich die Stäbe beim Brennen
um 1/120 ausdehnten, so muſsten sie entsprechenden Spielraum in der
Länge behalten. Man pflegte die Stäbe auf die hohe Kante zu stellen.
Eine wichtige Erfahrung, welche man auch praktisch auszubeuten
suchte, war die, daſs man ölbildendes Gas statt des Holzkohlen-
pulvers zum Cementieren des Stabeisens verwenden konnte und mit
diesem einen sehr guten Cementstahl erhielt. Professor Vismara zu
Padua war der erste, der dies nachwies 1) und aus dem so bereiteten
Cementstahl guten Guſsstahl schmolz. Charles Macintosh nahm
am 14. Mai 1825 auf dasselbe Verfahren ein Patent in England.
Doch scheiterte die Ausführung an der Schwierigkeit des vollkommenen
Luftabschlusses.
Bei der Guſsstahlfabrikation wurden vielerlei Versuche gemacht,
ohne indes zu bemerkenswerten Änderungen des Verfahrens zu
kommen. 1819 nahm Stephan Bedford in England ein Patent
(Nr. 4382) darauf, englisches Eisen dadurch in Stahl zu verwandeln,
daſs man es lagenweise in einem Ofen (air furnace or stove), mit ver-
schlacktem Eisen, Eisenschlacke und Eisenabfällen gut bedeckt, 4 bis
8 Tage glühte. John Thomson schlug 1824 vor, Guſsstahl im
Flammofen, in welchen die Tiegel eingesetzt würden, zu schmelzen.
Needham nahm 1824 ein Patent darauf, die Tiegel so einzurichten,
daſs man sie abzapfen konnte, statt sie auszugieſsen. Hierdurch
wollte er gröſsere Stahlgüsse erzielen, als seither. Über die An-
fertigung der feuerfesten Tiegel nach dem englischen Verfahren
machte J. C. Leuchs in Nürnberg 1827 Mitteilungen. Die Fortschritte
auf diesem Gebiete lagen aber mehr in der Ausbreitung der Guſs-
stahlfabrikation auf dem Kontinent. Namentlich muſs die Erbauung
der Guſsstahlfabrik von Friedrich Krupp in Essen im Jahre 1819
als ein Ereignis von historischer Wichtigkeit erwähnt werden. In
Frankreich war es Milleret zu La Bérardière um dieselbe Zeit ge-
lungen, einen guten Guſsstahl zu fabrizieren.
Eine wichtige Erfahrung war die, daſs die Schweiſsbarkeit des
Guſsstahls durch längeres Glühen und langsames Erkalten sehr er-
höht wird. Durch das fortgesetzte Glühen trat eine andere Verteilung
des Kohlenstoffs im Guſsstahl ein, wodurch derselbe weicher wurde.
1) Siehe Karstens Archiv XIV, 446; Dinglers Journal Nr. 18, S. 120.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/295>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.