Hinsichtlich der Härtung des Stahls hatte Th. Gill die Er- fahrung gemacht 1), dass man den richtigen Härtegrad ohne Anlassen erreicht, wenn man den bis zum Härten erforderlichen Grad der Temperatur erhitzten Stahl in ein geschmolzenes, bis zur entsprechen- den Temperatur erhitztes Metallbad einer leichtflüssigen Mischung von Blei und Zinn eintaucht. Er gab für verschiedene Gegenstände und Härtegrade verschiedene Mischungsverhältnisse an 2). Mit dem Stahlguss beschäftigte sich zuerst Needham in London 1824. John Thompson in London erfand 1822 ein Walzwerk zur Herstellung keilförmiger Wagenfedern. Wichtig waren die theoretischen Unter- suchungen, welche von der Untersuchung des Damascenerstahls ihren Ausgang nahmen.
Der indische Wootzstahl hatte unausgesetzt die Aufmerksam- keit der Engländer auf sich gezogen. Durch die Reisebeschreibungen und Beobachtungen von Buchanan3) und Heyne4) hatte die von Pearson 1795 ausgesprochene Ansicht, dass der Wootz eine Art von Gussstahl sei, welcher mit den primitivsten Vorrichtungen von den eingeborenen Indiern bereitet und verarbeitet würde (siehe Bd. I, S. 241), ihre Bestätigung gefunden. Über die chemische Zusammen- setzung des Wootzstahls blieb man aber im Dunkeln, bis Faraday und Stodart im Jahre 1819 dieser Frage näher traten. Der ge- schickte Messerschmied Stodart hatte schon auf Pearsons Veran- lassung aus dem von Dr. Scott in Bombay übersandten Wootzstahl ein Federmesser von vorzüglicher Schneide geschmiedet. Faraday untersuchte ein von Stodart erhaltenes Stück Wootzstahl, um aus- zumitteln, ob ausser dem Kohlenstoff noch andere Substanzen mit dem Eisen verbunden seien 5). Er fand eine geringe Menge (etwa 1 Proz.) Thonerde und Kieselerde darin, und schloss daraus auf eine Legierung von Aluminium mit Eisen. Dies gab Faraday Ver-
1) Annales of philosophy, july 1818. S. Parkes and Martin, Essais Chymiques II, 352; Annales des mines 1812, p. 601; siehe Karstens Archiv III, 81.
2)Th. Gills Erfahrungen über Gussstahlfabrikation (1822) findet man in Dinglers Polyt. Journ. IX, 93.
3) Buchanans Journey from Madras through the countries of Mysore, Canara and Malabar, Bd. I bis III, London 1807. Auszug daraus in Karstens Archiv, IX, 265.
4) Historical and statistical tracts on India; with journal of several tours through various parts of the peninsula by B. Heyne, London 1814; Karsten, l. c., S. 287.
5) An Analysis of Wootz or Indian Steel in dem Quarterly Journal of Litterature, Science and the Arts VII, 288.
Die Stahlbereitung 1816 bis 1830.
Hinsichtlich der Härtung des Stahls hatte Th. Gill die Er- fahrung gemacht 1), daſs man den richtigen Härtegrad ohne Anlassen erreicht, wenn man den bis zum Härten erforderlichen Grad der Temperatur erhitzten Stahl in ein geschmolzenes, bis zur entsprechen- den Temperatur erhitztes Metallbad einer leichtflüssigen Mischung von Blei und Zinn eintaucht. Er gab für verschiedene Gegenstände und Härtegrade verschiedene Mischungsverhältnisse an 2). Mit dem Stahlguſs beschäftigte sich zuerst Needham in London 1824. John Thompson in London erfand 1822 ein Walzwerk zur Herstellung keilförmiger Wagenfedern. Wichtig waren die theoretischen Unter- suchungen, welche von der Untersuchung des Damascenerstahls ihren Ausgang nahmen.
Der indische Wootzstahl hatte unausgesetzt die Aufmerksam- keit der Engländer auf sich gezogen. Durch die Reisebeschreibungen und Beobachtungen von Buchanan3) und Heyne4) hatte die von Pearson 1795 ausgesprochene Ansicht, daſs der Wootz eine Art von Guſsstahl sei, welcher mit den primitivsten Vorrichtungen von den eingeborenen Indiern bereitet und verarbeitet würde (siehe Bd. I, S. 241), ihre Bestätigung gefunden. Über die chemische Zusammen- setzung des Wootzstahls blieb man aber im Dunkeln, bis Faraday und Stodart im Jahre 1819 dieser Frage näher traten. Der ge- schickte Messerschmied Stodart hatte schon auf Pearsons Veran- lassung aus dem von Dr. Scott in Bombay übersandten Wootzstahl ein Federmesser von vorzüglicher Schneide geschmiedet. Faraday untersuchte ein von Stodart erhaltenes Stück Wootzstahl, um aus- zumitteln, ob auſser dem Kohlenstoff noch andere Substanzen mit dem Eisen verbunden seien 5). Er fand eine geringe Menge (etwa 1 Proz.) Thonerde und Kieselerde darin, und schloſs daraus auf eine Legierung von Aluminium mit Eisen. Dies gab Faraday Ver-
1) Annales of philosophy, july 1818. S. Parkes and Martin, Essais Chymiques II, 352; Annales des mines 1812, p. 601; siehe Karstens Archiv III, 81.
2)Th. Gills Erfahrungen über Guſsstahlfabrikation (1822) findet man in Dinglers Polyt. Journ. IX, 93.
3) Buchanans Journey from Madras through the countries of Mysore, Canara and Malabar, Bd. I bis III, London 1807. Auszug daraus in Karstens Archiv, IX, 265.
4) Historical and statistical tracts on India; with journal of several tours through various parts of the peninsula by B. Heyne, London 1814; Karsten, l. c., S. 287.
5) An Analysis of Wootz or Indian Steel in dem Quarterly Journal of Litterature, Science and the Arts VII, 288.
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Hinsichtlich der Härtung des Stahls hatte Th. Gill die Er-
fahrung gemacht 1), daſs man den richtigen Härtegrad ohne Anlassen
erreicht, wenn man den bis zum Härten erforderlichen Grad der
Temperatur erhitzten Stahl in ein geschmolzenes, bis zur entsprechen-
den Temperatur erhitztes Metallbad einer leichtflüssigen Mischung
von Blei und Zinn eintaucht. Er gab für verschiedene Gegenstände
und Härtegrade verschiedene Mischungsverhältnisse an 2). Mit dem
Stahlguſs beschäftigte sich zuerst Needham in London 1824. John
Thompson in London erfand 1822 ein Walzwerk zur Herstellung
keilförmiger Wagenfedern. Wichtig waren die theoretischen Unter-
suchungen, welche von der Untersuchung des Damascenerstahls ihren
Ausgang nahmen.
Der indische Wootzstahl hatte unausgesetzt die Aufmerksam-
keit der Engländer auf sich gezogen. Durch die Reisebeschreibungen
und Beobachtungen von Buchanan 3) und Heyne 4) hatte die von
Pearson 1795 ausgesprochene Ansicht, daſs der Wootz eine Art
von Guſsstahl sei, welcher mit den primitivsten Vorrichtungen von
den eingeborenen Indiern bereitet und verarbeitet würde (siehe Bd. I,
S. 241), ihre Bestätigung gefunden. Über die chemische Zusammen-
setzung des Wootzstahls blieb man aber im Dunkeln, bis Faraday
und Stodart im Jahre 1819 dieser Frage näher traten. Der ge-
schickte Messerschmied Stodart hatte schon auf Pearsons Veran-
lassung aus dem von Dr. Scott in Bombay übersandten Wootzstahl
ein Federmesser von vorzüglicher Schneide geschmiedet. Faraday
untersuchte ein von Stodart erhaltenes Stück Wootzstahl, um aus-
zumitteln, ob auſser dem Kohlenstoff noch andere Substanzen mit
dem Eisen verbunden seien 5). Er fand eine geringe Menge (etwa
1 Proz.) Thonerde und Kieselerde darin, und schloſs daraus auf
eine Legierung von Aluminium mit Eisen. Dies gab Faraday Ver-
1) Annales of philosophy, july 1818. S. Parkes and Martin, Essais
Chymiques II, 352; Annales des mines 1812, p. 601; siehe Karstens Archiv
III, 81.
2) Th. Gills Erfahrungen über Guſsstahlfabrikation (1822) findet man in
Dinglers Polyt. Journ. IX, 93.
3) Buchanans Journey from Madras through the countries of Mysore,
Canara and Malabar, Bd. I bis III, London 1807. Auszug daraus in Karstens
Archiv, IX, 265.
4) Historical and statistical tracts on India; with journal of several tours
through various parts of the peninsula by B. Heyne, London 1814; Karsten,
l. c., S. 287.
5) An Analysis of Wootz or Indian Steel in dem Quarterly Journal of
Litterature, Science and the Arts VII, 288.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/296>, abgerufen am 25.11.2024.
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