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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

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Deutschland bis 1830.
Giessmeister Obrey, welcher bei Maudslay in London gearbeitet
hatte, war ein Engländer. Derselbe blieb nicht lange und wurde
nacheinander durch die Engländer Richmond, Roose und Potter
ersetzt.

Die englischen Arbeiter waren teuer und anmassend, aber sie
konnten damals bei den neuen Werkzeugmaschinen und dem Betriebe
nicht entbehrt werden. Sie waren die Lehrer für das neue Geschlecht
der märkischen Maschinenarbeiter. Harkort fand aber für sein Be-
streben, englische Maschinen in Deutschland zu bauen, weder Ver-
ständnis noch Anerkennung; im Gegenteil hielt man sein Unternehmen
für überflüssig, wenn nicht gar für schädlich, denn viele in dem
Ruhr- und Wuppergebiete standen damals noch auf dem beschränkten
Standpunkte, Maschinen und Maschinenarbeit für etwas Schädliches
anzusehen. Harkort liess sich dadurch nicht beirren, und seine
Dampfmaschinen fanden allmählich Absatz bei den Kohlenbergwerks-
besitzern. Elberfeld und Barmen erhielten ihre ersten Dampfmaschinen
aus der Fabrik zu Wetter. Man beschränkte sich nicht auf die Her-
stellung von Dampfmaschinen, sondern machte mechanische Webstühle,
Heizapparate, hydraulische Pressen u. s. w. Harkort gründete eine
Filiale in Berlin. 1822 wurde seine Maschinenfabrik in der Staats-
zeitung als "eine der merkwürdigsten und bewundernswertesten An-
stalten in Deutschland" besprochen.

Das nächste grosse Verdienst Friedrich Harkorts war die Ein-
führung des englischen Puddelprozesses in Westfalen. Ehe wir diesen
Vorgang schildern, dürfen wir nicht unterlassen hervorzuheben, dass
die preussische Regierung alle Bestrebungen zur Verbesserung der
Eisenindustrie unterstützte und auf das liberalste förderte. Nach der
grossen Niederlage im Jahre 1806 hatte Preussen sich unter dem
Einflusse des grossen Ministers Stein zu einer Reorganisation im
freiheitlichen Sinne aufgerafft. Auch auf dem Gebiete des Handels
und der Industrie brach es mit dem überlieferten beschränkten Pro-
vinzialismus und bekannte sich bereits in der "Geschäftsinstruktion"
vom 26. Dezember 1808 zu freiheitlichen Grundsätzen für Handel
und Gewerbe. Am 2. November erfolgte die Einführung der Gewerbe-
freiheit, und nachdem der Friede zurückgekehrt und Preussen eine
neue Gestalt und neue Grenzen bekommen hatte, erfolgte am 26. Mai
1818 das wichtige freisinnige Zollgesetz, welches alle Zwischenzölle
aufhob, die Landesgrenze zur Zollgrenze machte, Rohstoffen (Roheisen)
freien Eingang gestattete und verarbeitete Stoffe (Schmiedeeisen und
Stahl) mit einem mässigen Zoll von etwa 10 Prozent des damaligen

Deutschland bis 1830.
Gieſsmeister Obrey, welcher bei Maudslay in London gearbeitet
hatte, war ein Engländer. Derselbe blieb nicht lange und wurde
nacheinander durch die Engländer Richmond, Roose und Potter
ersetzt.

Die englischen Arbeiter waren teuer und anmaſsend, aber sie
konnten damals bei den neuen Werkzeugmaschinen und dem Betriebe
nicht entbehrt werden. Sie waren die Lehrer für das neue Geschlecht
der märkischen Maschinenarbeiter. Harkort fand aber für sein Be-
streben, englische Maschinen in Deutschland zu bauen, weder Ver-
ständnis noch Anerkennung; im Gegenteil hielt man sein Unternehmen
für überflüssig, wenn nicht gar für schädlich, denn viele in dem
Ruhr- und Wuppergebiete standen damals noch auf dem beschränkten
Standpunkte, Maschinen und Maschinenarbeit für etwas Schädliches
anzusehen. Harkort lieſs sich dadurch nicht beirren, und seine
Dampfmaschinen fanden allmählich Absatz bei den Kohlenbergwerks-
besitzern. Elberfeld und Barmen erhielten ihre ersten Dampfmaschinen
aus der Fabrik zu Wetter. Man beschränkte sich nicht auf die Her-
stellung von Dampfmaschinen, sondern machte mechanische Webstühle,
Heizapparate, hydraulische Pressen u. s. w. Harkort gründete eine
Filiale in Berlin. 1822 wurde seine Maschinenfabrik in der Staats-
zeitung als „eine der merkwürdigsten und bewundernswertesten An-
stalten in Deutschland“ besprochen.

Das nächste groſse Verdienst Friedrich Harkorts war die Ein-
führung des englischen Puddelprozesses in Westfalen. Ehe wir diesen
Vorgang schildern, dürfen wir nicht unterlassen hervorzuheben, daſs
die preuſsische Regierung alle Bestrebungen zur Verbesserung der
Eisenindustrie unterstützte und auf das liberalste förderte. Nach der
groſsen Niederlage im Jahre 1806 hatte Preuſsen sich unter dem
Einflusse des groſsen Ministers Stein zu einer Reorganisation im
freiheitlichen Sinne aufgerafft. Auch auf dem Gebiete des Handels
und der Industrie brach es mit dem überlieferten beschränkten Pro-
vinzialismus und bekannte sich bereits in der „Geschäftsinstruktion“
vom 26. Dezember 1808 zu freiheitlichen Grundsätzen für Handel
und Gewerbe. Am 2. November erfolgte die Einführung der Gewerbe-
freiheit, und nachdem der Friede zurückgekehrt und Preuſsen eine
neue Gestalt und neue Grenzen bekommen hatte, erfolgte am 26. Mai
1818 das wichtige freisinnige Zollgesetz, welches alle Zwischenzölle
aufhob, die Landesgrenze zur Zollgrenze machte, Rohstoffen (Roheisen)
freien Eingang gestattete und verarbeitete Stoffe (Schmiedeeisen und
Stahl) mit einem mäſsigen Zoll von etwa 10 Prozent des damaligen

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[346/0362] Deutschland bis 1830. Gieſsmeister Obrey, welcher bei Maudslay in London gearbeitet hatte, war ein Engländer. Derselbe blieb nicht lange und wurde nacheinander durch die Engländer Richmond, Roose und Potter ersetzt. Die englischen Arbeiter waren teuer und anmaſsend, aber sie konnten damals bei den neuen Werkzeugmaschinen und dem Betriebe nicht entbehrt werden. Sie waren die Lehrer für das neue Geschlecht der märkischen Maschinenarbeiter. Harkort fand aber für sein Be- streben, englische Maschinen in Deutschland zu bauen, weder Ver- ständnis noch Anerkennung; im Gegenteil hielt man sein Unternehmen für überflüssig, wenn nicht gar für schädlich, denn viele in dem Ruhr- und Wuppergebiete standen damals noch auf dem beschränkten Standpunkte, Maschinen und Maschinenarbeit für etwas Schädliches anzusehen. Harkort lieſs sich dadurch nicht beirren, und seine Dampfmaschinen fanden allmählich Absatz bei den Kohlenbergwerks- besitzern. Elberfeld und Barmen erhielten ihre ersten Dampfmaschinen aus der Fabrik zu Wetter. Man beschränkte sich nicht auf die Her- stellung von Dampfmaschinen, sondern machte mechanische Webstühle, Heizapparate, hydraulische Pressen u. s. w. Harkort gründete eine Filiale in Berlin. 1822 wurde seine Maschinenfabrik in der Staats- zeitung als „eine der merkwürdigsten und bewundernswertesten An- stalten in Deutschland“ besprochen. Das nächste groſse Verdienst Friedrich Harkorts war die Ein- führung des englischen Puddelprozesses in Westfalen. Ehe wir diesen Vorgang schildern, dürfen wir nicht unterlassen hervorzuheben, daſs die preuſsische Regierung alle Bestrebungen zur Verbesserung der Eisenindustrie unterstützte und auf das liberalste förderte. Nach der groſsen Niederlage im Jahre 1806 hatte Preuſsen sich unter dem Einflusse des groſsen Ministers Stein zu einer Reorganisation im freiheitlichen Sinne aufgerafft. Auch auf dem Gebiete des Handels und der Industrie brach es mit dem überlieferten beschränkten Pro- vinzialismus und bekannte sich bereits in der „Geschäftsinstruktion“ vom 26. Dezember 1808 zu freiheitlichen Grundsätzen für Handel und Gewerbe. Am 2. November erfolgte die Einführung der Gewerbe- freiheit, und nachdem der Friede zurückgekehrt und Preuſsen eine neue Gestalt und neue Grenzen bekommen hatte, erfolgte am 26. Mai 1818 das wichtige freisinnige Zollgesetz, welches alle Zwischenzölle aufhob, die Landesgrenze zur Zollgrenze machte, Rohstoffen (Roheisen) freien Eingang gestattete und verarbeitete Stoffe (Schmiedeeisen und Stahl) mit einem mäſsigen Zoll von etwa 10 Prozent des damaligen

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/362>, abgerufen am 24.11.2024.