die französische Waffenfabrikation. Die drei grossen staatlichen Kanonengiessereien waren zu Ruelle bei Angouleme, zu Nevers und zu St. Gervais. Dieselben lieferten (1839) gusseiserne Kanonen, welche an Güte den schwedischen nicht nachstanden. Die Produktion hatte 1835 1414710 kg betragen. 1847 hatte die französische Eisen- industrie durch die politischen Unruhen schwer zu leiden und dieser kritische Zustand dauerte bis zum Schlusse dieses Zeitabschnittes. Von 1847 bis 1850 stockte der Hüttenbetrieb und hatten namentlich die mit Holzkohlen betriebenen Werke einen schweren Stand.
Belgien 1831 bis 1850.
In Belgien nahm die Eisenindustrie in dieser Periode einen ganz ausserordentlichen Aufschwung. Eine Entwickelung, wie sie die belgische Eisenindustrie in den wenigen Jahren von 1836 bis 1840 nahm, hat wohl kaum ein anderes Land aufzuweisen. Wohl hatten unternehmende Männer, an ihrer Spitze John Cockerill, schon in den 20er Jahren den Grund gelegt und den Samen für diese Blüte ausgestreut, aber die Revolution von 1830 schien alle die kaum begonnenen Unter- nehmungen wieder in Frage zu stellen. Belgien riss sich von Holland los und vertrieb seinen König Wilhelm, der so viel für die Eisen- industrie Belgiens gethan hatte. Er war an den grossen Gründungen Cockerills, namentlich an dem grossen Eisenwerke zu Seraing persönlich mit grossen Summen beteiligt. Die Auflösung dieser Ver- bindung musste die Existenz dieser Werke in Frage stellen. Mehrere Jahre dauerte der Zustand der Sorge und Ungewissheit, bis 1833 die belgische Regierung in richtiger Erkenntnis der Bedeutung Seraings für den belgischen Staat, den Anteil des Königs von Holland über- nahm. Nun blühten die Werke, unterstützt von der klugen und unter- nehmenden neuen Regierung, in überraschender Weise auf. Schon 1831 war ein neuer Zolltarif erlassen worden, der für die Eisen- industrie des Landes sehr günstig war, der Einfuhrzoll für Roheisen wurde von 55 Ctm. auf 2 Frcs. 42 Ctm. pro 100 kg, der des Stab- eisens von 9 Frcs. auf 12 Frcs. 72 Ctm. erhöht. Bald danach fasste man den Plan, Eisenbahnen zu bauen. König Leopold lud 1834 George Stephenson ein, nach Belgien zu kommen und dieser entwarf ein einheitliches Eisenbahnnetz. Der junge Staat, ungehindert durch Vorurteile der Vergangenheit und kühn aufstrebend, nahm die Ausführung dieses Eisenbahnnetzes selbst in die Hand. So entstand das erste Staatsbahnnetz und nicht nur das, sondern überhaupt das
Belgien 1831 bis 1850.
die französische Waffenfabrikation. Die drei groſsen staatlichen Kanonengieſsereien waren zu Ruelle bei Angoulème, zu Nevers und zu St. Gervais. Dieselben lieferten (1839) guſseiserne Kanonen, welche an Güte den schwedischen nicht nachstanden. Die Produktion hatte 1835 1414710 kg betragen. 1847 hatte die französische Eisen- industrie durch die politischen Unruhen schwer zu leiden und dieser kritische Zustand dauerte bis zum Schlusse dieses Zeitabschnittes. Von 1847 bis 1850 stockte der Hüttenbetrieb und hatten namentlich die mit Holzkohlen betriebenen Werke einen schweren Stand.
Belgien 1831 bis 1850.
In Belgien nahm die Eisenindustrie in dieser Periode einen ganz auſserordentlichen Aufschwung. Eine Entwickelung, wie sie die belgische Eisenindustrie in den wenigen Jahren von 1836 bis 1840 nahm, hat wohl kaum ein anderes Land aufzuweisen. Wohl hatten unternehmende Männer, an ihrer Spitze John Cockerill, schon in den 20er Jahren den Grund gelegt und den Samen für diese Blüte ausgestreut, aber die Revolution von 1830 schien alle die kaum begonnenen Unter- nehmungen wieder in Frage zu stellen. Belgien riſs sich von Holland los und vertrieb seinen König Wilhelm, der so viel für die Eisen- industrie Belgiens gethan hatte. Er war an den groſsen Gründungen Cockerills, namentlich an dem groſsen Eisenwerke zu Seraing persönlich mit groſsen Summen beteiligt. Die Auflösung dieser Ver- bindung muſste die Existenz dieser Werke in Frage stellen. Mehrere Jahre dauerte der Zustand der Sorge und Ungewiſsheit, bis 1833 die belgische Regierung in richtiger Erkenntnis der Bedeutung Seraings für den belgischen Staat, den Anteil des Königs von Holland über- nahm. Nun blühten die Werke, unterstützt von der klugen und unter- nehmenden neuen Regierung, in überraschender Weise auf. Schon 1831 war ein neuer Zolltarif erlassen worden, der für die Eisen- industrie des Landes sehr günstig war, der Einfuhrzoll für Roheisen wurde von 55 Ctm. auf 2 Frcs. 42 Ctm. pro 100 kg, der des Stab- eisens von 9 Frcs. auf 12 Frcs. 72 Ctm. erhöht. Bald danach faſste man den Plan, Eisenbahnen zu bauen. König Leopold lud 1834 George Stephenson ein, nach Belgien zu kommen und dieser entwarf ein einheitliches Eisenbahnnetz. Der junge Staat, ungehindert durch Vorurteile der Vergangenheit und kühn aufstrebend, nahm die Ausführung dieses Eisenbahnnetzes selbst in die Hand. So entstand das erste Staatsbahnnetz und nicht nur das, sondern überhaupt das
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Belgien 1831 bis 1850.
die französische Waffenfabrikation. Die drei groſsen staatlichen
Kanonengieſsereien waren zu Ruelle bei Angoulème, zu Nevers und
zu St. Gervais. Dieselben lieferten (1839) guſseiserne Kanonen,
welche an Güte den schwedischen nicht nachstanden. Die Produktion
hatte 1835 1414710 kg betragen. 1847 hatte die französische Eisen-
industrie durch die politischen Unruhen schwer zu leiden und dieser
kritische Zustand dauerte bis zum Schlusse dieses Zeitabschnittes.
Von 1847 bis 1850 stockte der Hüttenbetrieb und hatten namentlich
die mit Holzkohlen betriebenen Werke einen schweren Stand.
Belgien 1831 bis 1850.
In Belgien nahm die Eisenindustrie in dieser Periode einen ganz
auſserordentlichen Aufschwung. Eine Entwickelung, wie sie die belgische
Eisenindustrie in den wenigen Jahren von 1836 bis 1840 nahm, hat
wohl kaum ein anderes Land aufzuweisen. Wohl hatten unternehmende
Männer, an ihrer Spitze John Cockerill, schon in den 20er Jahren
den Grund gelegt und den Samen für diese Blüte ausgestreut, aber
die Revolution von 1830 schien alle die kaum begonnenen Unter-
nehmungen wieder in Frage zu stellen. Belgien riſs sich von Holland
los und vertrieb seinen König Wilhelm, der so viel für die Eisen-
industrie Belgiens gethan hatte. Er war an den groſsen Gründungen
Cockerills, namentlich an dem groſsen Eisenwerke zu Seraing
persönlich mit groſsen Summen beteiligt. Die Auflösung dieser Ver-
bindung muſste die Existenz dieser Werke in Frage stellen. Mehrere
Jahre dauerte der Zustand der Sorge und Ungewiſsheit, bis 1833 die
belgische Regierung in richtiger Erkenntnis der Bedeutung Seraings
für den belgischen Staat, den Anteil des Königs von Holland über-
nahm. Nun blühten die Werke, unterstützt von der klugen und unter-
nehmenden neuen Regierung, in überraschender Weise auf. Schon
1831 war ein neuer Zolltarif erlassen worden, der für die Eisen-
industrie des Landes sehr günstig war, der Einfuhrzoll für Roheisen
wurde von 55 Ctm. auf 2 Frcs. 42 Ctm. pro 100 kg, der des Stab-
eisens von 9 Frcs. auf 12 Frcs. 72 Ctm. erhöht. Bald danach faſste
man den Plan, Eisenbahnen zu bauen. König Leopold lud 1834
George Stephenson ein, nach Belgien zu kommen und dieser
entwarf ein einheitliches Eisenbahnnetz. Der junge Staat, ungehindert
durch Vorurteile der Vergangenheit und kühn aufstrebend, nahm die
Ausführung dieses Eisenbahnnetzes selbst in die Hand. So entstand
das erste Staatsbahnnetz und nicht nur das, sondern überhaupt das
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 679. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/695>, abgerufen am 22.11.2024.
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