Patent ausdrücklich die Zuleitung von Dampfstrahlen auf die Ober- fläche des Eisens im Puddelofen oder die Einführung des Dampfes in das flüssige Eisen bei dem Puddelprozess aus 1), denn dies war James Nasmyths Patent vom 4. Mai 1854. Auf dieses wird also von Martien indirekt verwiesen. Nasmyths Verfahren hat vielleicht Martien die Anregung zu seinem Prozess gegeben, möglicherweise auch Bessemer2). Letzterer hat also seine Gedanken nicht von Martien geborgt, sondern beide haben vielleicht aus derselben Quelle ihre Anregung erhalten. Martiens Patent hatte gar keine besondere Beachtung bei seiner Veröffentlichung in England gefunden. James Nasmyths Ruhm war aber 1854 bereits auf einer solchen Höhe, dass alles, was von ihm ausging, der Beachtung aller gebildeten Techniker Englands gewürdigt wurde. Nasmyth setzte dabei auf sein Verfahren die grösste Hoffnung und viele seiner Freunde teilten dieselbe. Es wurde in allen Fachkreisen besprochen und kann auch der Auf- merksamkeit Bessemers kaum entgangen sein. Bessemer begann seine Versuche um die Zeit, als Nasmyths Patent veröffentlicht wurde, wie aus seinen oben angeführten Zeitangaben hervorgeht.
Es ist auch richtig, dass vereinzelte Beobachtungen, die auf Bessemers Erfindung hinwiesen, schon früher gemacht worden sind. Wedding erwähnt, dass Eck auf Königshütte schon 10 Jahre zuvor durch Zufall beobachtet habe, dass ein Windstrom, der unter dem flüssigen Roheisen in einem Puddelofen ausströmte, dieses in heftiges Kochen versetzte. Später hatte Parry, Direktor der Ebbw-Vale-Eisen- gesellschaft, welche Martiens Patent erworben hatte, den Versuch gemacht, die Operation statt in dem von Martien angegebenen Kanal in dem Puddelofen selbst auszuführen. Die Reaktion, welche dabei eintrat, war aber so heftig, dass der Ofen Schaden litt und das Metall durchbrach, worauf man von einer Wiederholung des Versuchs abstand.
Auch Kelly in Kentucky (Nordamerika) soll sich schon 1851 mit Versuchen, flüssiges Eisen durch Einblasen von Luft zu entkohlen, beschäftigt haben. Alles waren aber nur Misserfolge.
Heinrich Bessemer gebührt deshalb ganz unzweifelhaft allein das grosse Verdienst der Entdeckung, dass Roheisen durch blosses Ein- blasen von Luft vollständig entkohlt werden kann und dabei soviel Wärme erzeugt wird, dass Stahl und Stabeisen so flüssig bleiben, dass
1) Versuche dieser Art hatten Guest und Evans in den Vereinigten Staaten schon 1840 gemacht.
2) Bekanntlich hat die preussische Regierung seiner Zeit das Patent von Nasmyth zum Vorwand genommen, Bessemer das nachgesuchte Patent zu verweigern.
Henry Bessemer und seine Erfindung.
Patent ausdrücklich die Zuleitung von Dampfstrahlen auf die Ober- fläche des Eisens im Puddelofen oder die Einführung des Dampfes in das flüssige Eisen bei dem Puddelprozeſs aus 1), denn dies war James Nasmyths Patent vom 4. Mai 1854. Auf dieses wird also von Martien indirekt verwiesen. Nasmyths Verfahren hat vielleicht Martien die Anregung zu seinem Prozeſs gegeben, möglicherweise auch Bessemer2). Letzterer hat also seine Gedanken nicht von Martien geborgt, sondern beide haben vielleicht aus derselben Quelle ihre Anregung erhalten. Martiens Patent hatte gar keine besondere Beachtung bei seiner Veröffentlichung in England gefunden. James Nasmyths Ruhm war aber 1854 bereits auf einer solchen Höhe, daſs alles, was von ihm ausging, der Beachtung aller gebildeten Techniker Englands gewürdigt wurde. Nasmyth setzte dabei auf sein Verfahren die gröſste Hoffnung und viele seiner Freunde teilten dieselbe. Es wurde in allen Fachkreisen besprochen und kann auch der Auf- merksamkeit Bessemers kaum entgangen sein. Bessemer begann seine Versuche um die Zeit, als Nasmyths Patent veröffentlicht wurde, wie aus seinen oben angeführten Zeitangaben hervorgeht.
Es ist auch richtig, daſs vereinzelte Beobachtungen, die auf Bessemers Erfindung hinwiesen, schon früher gemacht worden sind. Wedding erwähnt, daſs Eck auf Königshütte schon 10 Jahre zuvor durch Zufall beobachtet habe, daſs ein Windstrom, der unter dem flüssigen Roheisen in einem Puddelofen ausströmte, dieses in heftiges Kochen versetzte. Später hatte Parry, Direktor der Ebbw-Vale-Eisen- gesellschaft, welche Martiens Patent erworben hatte, den Versuch gemacht, die Operation statt in dem von Martien angegebenen Kanal in dem Puddelofen selbst auszuführen. Die Reaktion, welche dabei eintrat, war aber so heftig, daſs der Ofen Schaden litt und das Metall durchbrach, worauf man von einer Wiederholung des Versuchs abstand.
Auch Kelly in Kentucky (Nordamerika) soll sich schon 1851 mit Versuchen, flüssiges Eisen durch Einblasen von Luft zu entkohlen, beschäftigt haben. Alles waren aber nur Miſserfolge.
Heinrich Bessemer gebührt deshalb ganz unzweifelhaft allein das groſse Verdienst der Entdeckung, daſs Roheisen durch bloſses Ein- blasen von Luft vollständig entkohlt werden kann und dabei soviel Wärme erzeugt wird, daſs Stahl und Stabeisen so flüssig bleiben, daſs
1) Versuche dieser Art hatten Guest und Evans in den Vereinigten Staaten schon 1840 gemacht.
2) Bekanntlich hat die preuſsische Regierung seiner Zeit das Patent von Nasmyth zum Vorwand genommen, Bessemer das nachgesuchte Patent zu verweigern.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0926"n="910"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Henry Bessemer</hi> und seine Erfindung.</fw><lb/>
Patent ausdrücklich die Zuleitung von Dampfstrahlen auf die Ober-<lb/>
fläche des Eisens im Puddelofen oder die Einführung des Dampfes in<lb/>
das flüssige Eisen bei dem Puddelprozeſs aus <noteplace="foot"n="1)">Versuche dieser Art hatten <hirendition="#g">Guest</hi> und <hirendition="#g">Evans</hi> in den Vereinigten Staaten<lb/>
schon 1840 gemacht.</note>, denn dies war <hirendition="#g">James<lb/>
Nasmyths</hi> Patent vom 4. Mai 1854. Auf dieses wird also von<lb/><hirendition="#g">Martien</hi> indirekt verwiesen. <hirendition="#g">Nasmyths</hi> Verfahren hat vielleicht<lb/><hirendition="#g">Martien</hi> die Anregung zu seinem Prozeſs gegeben, möglicherweise<lb/>
auch <hirendition="#g">Bessemer</hi><noteplace="foot"n="2)">Bekanntlich hat die preuſsische Regierung seiner Zeit das Patent von <hirendition="#g">Nasmyth</hi><lb/>
zum Vorwand genommen, <hirendition="#g">Bessemer</hi> das nachgesuchte Patent zu verweigern.</note>. Letzterer hat also seine Gedanken nicht von<lb/><hirendition="#g">Martien</hi> geborgt, sondern beide haben vielleicht aus derselben Quelle<lb/>
ihre Anregung erhalten. <hirendition="#g">Martiens</hi> Patent hatte gar keine besondere<lb/>
Beachtung bei seiner Veröffentlichung in England gefunden. <hirendition="#g">James<lb/>
Nasmyths</hi> Ruhm war aber 1854 bereits auf einer solchen Höhe, daſs<lb/>
alles, was von ihm ausging, der Beachtung aller gebildeten Techniker<lb/>
Englands gewürdigt wurde. <hirendition="#g">Nasmyth</hi> setzte dabei auf sein Verfahren<lb/>
die gröſste Hoffnung und viele seiner Freunde teilten dieselbe. Es<lb/>
wurde in allen Fachkreisen besprochen und kann auch der Auf-<lb/>
merksamkeit <hirendition="#g">Bessemers</hi> kaum entgangen sein. <hirendition="#g">Bessemer</hi> begann<lb/>
seine Versuche um die Zeit, als <hirendition="#g">Nasmyths</hi> Patent veröffentlicht wurde,<lb/>
wie aus seinen oben angeführten Zeitangaben hervorgeht.</p><lb/><p>Es ist auch richtig, daſs vereinzelte Beobachtungen, die auf<lb/><hirendition="#g">Bessemers</hi> Erfindung hinwiesen, schon früher gemacht worden sind.<lb/><hirendition="#g">Wedding</hi> erwähnt, daſs <hirendition="#g">Eck</hi> auf Königshütte schon 10 Jahre zuvor<lb/>
durch Zufall beobachtet habe, daſs ein Windstrom, der unter dem<lb/>
flüssigen Roheisen in einem Puddelofen ausströmte, dieses in heftiges<lb/>
Kochen versetzte. Später hatte <hirendition="#g">Parry</hi>, Direktor der Ebbw-Vale-Eisen-<lb/>
gesellschaft, welche <hirendition="#g">Martiens</hi> Patent erworben hatte, den Versuch<lb/>
gemacht, die Operation statt in dem von <hirendition="#g">Martien</hi> angegebenen Kanal<lb/>
in dem Puddelofen selbst auszuführen. Die Reaktion, welche dabei<lb/>
eintrat, war aber so heftig, daſs der Ofen Schaden litt und das Metall<lb/>
durchbrach, worauf man von einer Wiederholung des Versuchs abstand.</p><lb/><p>Auch <hirendition="#g">Kelly</hi> in Kentucky (Nordamerika) soll sich schon 1851 mit<lb/>
Versuchen, flüssiges Eisen durch Einblasen von Luft zu entkohlen,<lb/>
beschäftigt haben. Alles waren aber nur Miſserfolge.</p><lb/><p><hirendition="#g">Heinrich Bessemer</hi> gebührt deshalb ganz unzweifelhaft allein<lb/>
das groſse Verdienst der Entdeckung, daſs Roheisen durch bloſses Ein-<lb/>
blasen von Luft vollständig entkohlt werden kann und dabei soviel<lb/>
Wärme erzeugt wird, daſs Stahl und Stabeisen so flüssig bleiben, daſs<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[910/0926]
Henry Bessemer und seine Erfindung.
Patent ausdrücklich die Zuleitung von Dampfstrahlen auf die Ober-
fläche des Eisens im Puddelofen oder die Einführung des Dampfes in
das flüssige Eisen bei dem Puddelprozeſs aus 1), denn dies war James
Nasmyths Patent vom 4. Mai 1854. Auf dieses wird also von
Martien indirekt verwiesen. Nasmyths Verfahren hat vielleicht
Martien die Anregung zu seinem Prozeſs gegeben, möglicherweise
auch Bessemer 2). Letzterer hat also seine Gedanken nicht von
Martien geborgt, sondern beide haben vielleicht aus derselben Quelle
ihre Anregung erhalten. Martiens Patent hatte gar keine besondere
Beachtung bei seiner Veröffentlichung in England gefunden. James
Nasmyths Ruhm war aber 1854 bereits auf einer solchen Höhe, daſs
alles, was von ihm ausging, der Beachtung aller gebildeten Techniker
Englands gewürdigt wurde. Nasmyth setzte dabei auf sein Verfahren
die gröſste Hoffnung und viele seiner Freunde teilten dieselbe. Es
wurde in allen Fachkreisen besprochen und kann auch der Auf-
merksamkeit Bessemers kaum entgangen sein. Bessemer begann
seine Versuche um die Zeit, als Nasmyths Patent veröffentlicht wurde,
wie aus seinen oben angeführten Zeitangaben hervorgeht.
Es ist auch richtig, daſs vereinzelte Beobachtungen, die auf
Bessemers Erfindung hinwiesen, schon früher gemacht worden sind.
Wedding erwähnt, daſs Eck auf Königshütte schon 10 Jahre zuvor
durch Zufall beobachtet habe, daſs ein Windstrom, der unter dem
flüssigen Roheisen in einem Puddelofen ausströmte, dieses in heftiges
Kochen versetzte. Später hatte Parry, Direktor der Ebbw-Vale-Eisen-
gesellschaft, welche Martiens Patent erworben hatte, den Versuch
gemacht, die Operation statt in dem von Martien angegebenen Kanal
in dem Puddelofen selbst auszuführen. Die Reaktion, welche dabei
eintrat, war aber so heftig, daſs der Ofen Schaden litt und das Metall
durchbrach, worauf man von einer Wiederholung des Versuchs abstand.
Auch Kelly in Kentucky (Nordamerika) soll sich schon 1851 mit
Versuchen, flüssiges Eisen durch Einblasen von Luft zu entkohlen,
beschäftigt haben. Alles waren aber nur Miſserfolge.
Heinrich Bessemer gebührt deshalb ganz unzweifelhaft allein
das groſse Verdienst der Entdeckung, daſs Roheisen durch bloſses Ein-
blasen von Luft vollständig entkohlt werden kann und dabei soviel
Wärme erzeugt wird, daſs Stahl und Stabeisen so flüssig bleiben, daſs
1) Versuche dieser Art hatten Guest und Evans in den Vereinigten Staaten
schon 1840 gemacht.
2) Bekanntlich hat die preuſsische Regierung seiner Zeit das Patent von Nasmyth
zum Vorwand genommen, Bessemer das nachgesuchte Patent zu verweigern.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 910. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/926>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.