Bessemerstahl und die vortrefflichen Resultate, die derselbe in Woolwich damit erzielt hatte 1), wirkten sehr vorteilhaft für Bessemers Sache.
Ebenso günstig lauteten Grills Berichte aus Schweden von 1859 2). Dort hatte man bereits durch Erfahrung die geeignetsten Roheisensorten kennen gelernt und zwar hatte sich hellgraues bis halbiertes am besten bewährt. Die Kontrolle nach der Blasezeit hatte sich als unzuver- lässig herausgestellt, weil die Bedingungen zu verschieden waren. Ein besseres Erkennungszeichen bildete die Erscheinung der Flamme und der Funken. Vor dem Eintreten des Aufkochens sind die Funken lang und kometenartig. Bei dem Aufkochen erscheinen weisse, wollige Funken mit einem bestimmten Centrum, die beim Fortschreiten des Prozesses bestimmtere Umrisse erhalten. Später nehmen die Funken mehr und mehr ab und werden klein, weiss und rund. Bei gutem Verlauf zeigt die Flamme gegen das Ende gar keine Funken mehr. Die ausgeworfenen Eisentropfen sind anfangs dunkelrot und zerspringen in der Luft, später hell, ohne zu zerspringen.
Nach Tunners Erklärung findet auch bei dem Bessemerprozess ein Schlackenfrischen statt. Aus Eisen und Silicium bildet sich durch Oxydation basische Eisenoxydulschlacke, deren plötzliche teilweise Zersetzung durch den Kohlenstoff des Eisens dann das Aufkochen infolge vermehrter Gasabscheidung bewirkt. Die rasche Abnahme des Kohlengehaltes gegen das Ende des Prozesses war auch durch Analysen nachgewiesen worden. Die zuerst durch die Verbrennung von Silicium und Eisen entwickelte Wärme bleibt ganz in der flüssigen Masse, während die durch die Oxydation des Kohlenstoffs entwickelte grössten- teils mit den Verbrennungsgasen entweicht. Deshalb findet auch während der Kochperiode keine Temperaturzunahme statt. Nach Be- endigung des Entkohlungsprozesses liefert nur noch verbrennendes Eisen Wärme. Tunner berechnet, dass von der ganzen eingeblasenen Luftmenge etwa 75 kg Sauerstoff, bei ca. 1000 kg Einsatz 1/2 Proz. Silicium, 3 Proz. Kohlenstoff und 8 Proz. Eisen verbrennen. Es ist deshalb eine ziemlich grosse Luftmenge nötig, daher der bessere Gang bei weiteren Düsen und stärkerem Blasen. Ein Mangangehalt erwies sich als sehr nützlich.
Der Bessemerprozess hat die Eisenindustrie von der Handfertigkeit des Arbeiters unabhängig gemacht und das Frischen ausschliesslich der Intelligenz unterstellt.
Die Wirkung der Erfolge von 1859 machten sich 1860 durch eine
1) Vergl. Jeans, Steel, S. 73, 75, 82.
2) Siehe Jernkont.-Annal. 1859 und Tunners Jahrbuch 1861, X, 201.
Henry Bessemer und seine Erfindung.
Bessemerstahl und die vortrefflichen Resultate, die derselbe in Woolwich damit erzielt hatte 1), wirkten sehr vorteilhaft für Bessemers Sache.
Ebenso günstig lauteten Grills Berichte aus Schweden von 1859 2). Dort hatte man bereits durch Erfahrung die geeignetsten Roheisensorten kennen gelernt und zwar hatte sich hellgraues bis halbiertes am besten bewährt. Die Kontrolle nach der Blasezeit hatte sich als unzuver- lässig herausgestellt, weil die Bedingungen zu verschieden waren. Ein besseres Erkennungszeichen bildete die Erscheinung der Flamme und der Funken. Vor dem Eintreten des Aufkochens sind die Funken lang und kometenartig. Bei dem Aufkochen erscheinen weiſse, wollige Funken mit einem bestimmten Centrum, die beim Fortschreiten des Prozesses bestimmtere Umrisse erhalten. Später nehmen die Funken mehr und mehr ab und werden klein, weiſs und rund. Bei gutem Verlauf zeigt die Flamme gegen das Ende gar keine Funken mehr. Die ausgeworfenen Eisentropfen sind anfangs dunkelrot und zerspringen in der Luft, später hell, ohne zu zerspringen.
Nach Tunners Erklärung findet auch bei dem Bessemerprozeſs ein Schlackenfrischen statt. Aus Eisen und Silicium bildet sich durch Oxydation basische Eisenoxydulschlacke, deren plötzliche teilweise Zersetzung durch den Kohlenstoff des Eisens dann das Aufkochen infolge vermehrter Gasabscheidung bewirkt. Die rasche Abnahme des Kohlengehaltes gegen das Ende des Prozesses war auch durch Analysen nachgewiesen worden. Die zuerst durch die Verbrennung von Silicium und Eisen entwickelte Wärme bleibt ganz in der flüssigen Masse, während die durch die Oxydation des Kohlenstoffs entwickelte gröſsten- teils mit den Verbrennungsgasen entweicht. Deshalb findet auch während der Kochperiode keine Temperaturzunahme statt. Nach Be- endigung des Entkohlungsprozesses liefert nur noch verbrennendes Eisen Wärme. Tunner berechnet, daſs von der ganzen eingeblasenen Luftmenge etwa 75 kg Sauerstoff, bei ca. 1000 kg Einsatz ½ Proz. Silicium, 3 Proz. Kohlenstoff und 8 Proz. Eisen verbrennen. Es ist deshalb eine ziemlich groſse Luftmenge nötig, daher der bessere Gang bei weiteren Düsen und stärkerem Blasen. Ein Mangangehalt erwies sich als sehr nützlich.
Der Bessemerprozeſs hat die Eisenindustrie von der Handfertigkeit des Arbeiters unabhängig gemacht und das Frischen ausschlieſslich der Intelligenz unterstellt.
Die Wirkung der Erfolge von 1859 machten sich 1860 durch eine
1) Vergl. Jeans, Steel, S. 73, 75, 82.
2) Siehe Jernkont.-Annal. 1859 und Tunners Jahrbuch 1861, X, 201.
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Ebenso günstig lauteten Grills Berichte aus Schweden von 1859 2).
Dort hatte man bereits durch Erfahrung die geeignetsten Roheisensorten
kennen gelernt und zwar hatte sich hellgraues bis halbiertes am besten
bewährt. Die Kontrolle nach der Blasezeit hatte sich als unzuver-
lässig herausgestellt, weil die Bedingungen zu verschieden waren. Ein
besseres Erkennungszeichen bildete die Erscheinung der Flamme und
der Funken. Vor dem Eintreten des Aufkochens sind die Funken
lang und kometenartig. Bei dem Aufkochen erscheinen weiſse, wollige
Funken mit einem bestimmten Centrum, die beim Fortschreiten des
Prozesses bestimmtere Umrisse erhalten. Später nehmen die Funken
mehr und mehr ab und werden klein, weiſs und rund. Bei gutem
Verlauf zeigt die Flamme gegen das Ende gar keine Funken mehr.
Die ausgeworfenen Eisentropfen sind anfangs dunkelrot und zerspringen
in der Luft, später hell, ohne zu zerspringen.
Nach Tunners Erklärung findet auch bei dem Bessemerprozeſs
ein Schlackenfrischen statt. Aus Eisen und Silicium bildet sich durch
Oxydation basische Eisenoxydulschlacke, deren plötzliche teilweise
Zersetzung durch den Kohlenstoff des Eisens dann das Aufkochen
infolge vermehrter Gasabscheidung bewirkt. Die rasche Abnahme des
Kohlengehaltes gegen das Ende des Prozesses war auch durch Analysen
nachgewiesen worden. Die zuerst durch die Verbrennung von Silicium
und Eisen entwickelte Wärme bleibt ganz in der flüssigen Masse,
während die durch die Oxydation des Kohlenstoffs entwickelte gröſsten-
teils mit den Verbrennungsgasen entweicht. Deshalb findet auch
während der Kochperiode keine Temperaturzunahme statt. Nach Be-
endigung des Entkohlungsprozesses liefert nur noch verbrennendes
Eisen Wärme. Tunner berechnet, daſs von der ganzen eingeblasenen
Luftmenge etwa 75 kg Sauerstoff, bei ca. 1000 kg Einsatz ½ Proz.
Silicium, 3 Proz. Kohlenstoff und 8 Proz. Eisen verbrennen. Es ist
deshalb eine ziemlich groſse Luftmenge nötig, daher der bessere Gang
bei weiteren Düsen und stärkerem Blasen. Ein Mangangehalt erwies
sich als sehr nützlich.
Der Bessemerprozeſs hat die Eisenindustrie von der Handfertigkeit
des Arbeiters unabhängig gemacht und das Frischen ausschlieſslich
der Intelligenz unterstellt.
Die Wirkung der Erfolge von 1859 machten sich 1860 durch eine
1) Vergl. Jeans, Steel, S. 73, 75, 82.
2) Siehe Jernkont.-Annal. 1859 und Tunners Jahrbuch 1861, X, 201.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 941. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/957>, abgerufen am 22.11.2024.
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