Um besseren Werkzeugstahl zu machen, goss man den erblasenen Stahl in Wasser und schmolz die Granalien in Tiegeln zu Gussstahl um. In England würde ein für den Bessemerprozess sehr geeignetes Roh- eisen zu Workington (Cumberland) dargestellt, welches in letzterer Zeit hauptsächlich verarbeitet worden sei. Auch die Werke zu Cleator- Moor, zu Weardale und Forrest of Dean lieferten gute Roheisensorten. Der Behälter sei jetzt eine Retorte, die in Achsen hänge. Dieselbe bestehe aus einem Blechmantel, der innen mit Chausseestaub aus- gefüttert sei. Ein solches Gefäss halte 30 bis 40 Stahlchargen aus. Die Retorte werde beim Beginn der Operation so gekippt, dass die Formen über dem Metallbade stünden. Dann liess man den Wind an und richtete das Gefäss auf. Der Sauerstoff der Luft oxydierte den Kohlenstoff und das Silicium. In 10 bis 12 Minuten würde die höchste Hitze erreicht. Die Entkohlung lasse sich mit grosser Genauigkeit durch eine Gasuhr regulieren, welche auf einem Zifferblatt die Anzahl der Kubikfuss der eingeblasenen Luft zeige. Hierdurch könne man Stahl von jeder Beschaffenheit und Härte mit der grössten Sicherheit darstellen. Sobald das Metall nach der Uhr die gewünschte Entkohlung erlangt habe, werde das Gefäss gekippt und das Metall in eine Giess- pfanne, welche am Boden durch einen Pfropf geschlossen war, aus- gegossen.
Bessemer zeigte viele Proben, namentlich auch Stahlblech vor. Für die schweren Schiffsbleche, welche bei der seitherigen Fabri- kation sehr teuer waren, habe es sich besonders bewährt. Ebenso für Kanonen. Bessemer goss direkt Cylinder und erhielt so Kanonen- rohre ohne Schweissnähte. Oberst Eardley Wilmot zu Woolwich habe sich für diese Sache besonders interessiert. In Schweden habe die Firma Daniel Elfstrand & Komp. das Patent erworben und arbeite zu Edsken mit dem besten Erfolge. Ebenso hätten James Jackson et fils das Bessemerverfahren jetzt in der Nähe von Bordeaux eingeführt und wollten es auch in grossem Massstabe bei den Hoch- öfen im Departement des Landes verwenden. Sehr gute Resultate habe man auch mit Roheisen aus Algier und aus dem Siegerland er- zielt. In Belgien mache man zu Lüttich Stahl aus dortigem Koks- roheisen. Es war dies Eisen von der Hütte Esperance, welches ein Herr Margeston mit Erfolg verarbeitete.
Der Eindruck dieses zweiten Vortrages Bessemers war ein be- deutender, aber das Misstrauen gegen das neue Verfahren war in Eng- land so tief gewurzelt, dass es trotzdem nur ganz allmählich schwand. Das energische Eintreten des Obersten Eardley Wilmot für den
Henry Bessemer und seine Erfindung.
Um besseren Werkzeugstahl zu machen, goſs man den erblasenen Stahl in Wasser und schmolz die Granalien in Tiegeln zu Guſsstahl um. In England würde ein für den Bessemerprozeſs sehr geeignetes Roh- eisen zu Workington (Cumberland) dargestellt, welches in letzterer Zeit hauptsächlich verarbeitet worden sei. Auch die Werke zu Cleator- Moor, zu Weardale und Forrest of Dean lieferten gute Roheisensorten. Der Behälter sei jetzt eine Retorte, die in Achsen hänge. Dieselbe bestehe aus einem Blechmantel, der innen mit Chausseestaub aus- gefüttert sei. Ein solches Gefäſs halte 30 bis 40 Stahlchargen aus. Die Retorte werde beim Beginn der Operation so gekippt, daſs die Formen über dem Metallbade stünden. Dann lieſs man den Wind an und richtete das Gefäſs auf. Der Sauerstoff der Luft oxydierte den Kohlenstoff und das Silicium. In 10 bis 12 Minuten würde die höchste Hitze erreicht. Die Entkohlung lasse sich mit groſser Genauigkeit durch eine Gasuhr regulieren, welche auf einem Zifferblatt die Anzahl der Kubikfuſs der eingeblasenen Luft zeige. Hierdurch könne man Stahl von jeder Beschaffenheit und Härte mit der gröſsten Sicherheit darstellen. Sobald das Metall nach der Uhr die gewünschte Entkohlung erlangt habe, werde das Gefäſs gekippt und das Metall in eine Gieſs- pfanne, welche am Boden durch einen Pfropf geschlossen war, aus- gegossen.
Bessemer zeigte viele Proben, namentlich auch Stahlblech vor. Für die schweren Schiffsbleche, welche bei der seitherigen Fabri- kation sehr teuer waren, habe es sich besonders bewährt. Ebenso für Kanonen. Bessemer goſs direkt Cylinder und erhielt so Kanonen- rohre ohne Schweiſsnähte. Oberst Eardley Wilmot zu Woolwich habe sich für diese Sache besonders interessiert. In Schweden habe die Firma Daniel Elfstrand & Komp. das Patent erworben und arbeite zu Edsken mit dem besten Erfolge. Ebenso hätten James Jackson et fils das Bessemerverfahren jetzt in der Nähe von Bordeaux eingeführt und wollten es auch in groſsem Maſsstabe bei den Hoch- öfen im Departement des Landes verwenden. Sehr gute Resultate habe man auch mit Roheisen aus Algier und aus dem Siegerland er- zielt. In Belgien mache man zu Lüttich Stahl aus dortigem Koks- roheisen. Es war dies Eisen von der Hütte Esperance, welches ein Herr Margeston mit Erfolg verarbeitete.
Der Eindruck dieses zweiten Vortrages Bessemers war ein be- deutender, aber das Miſstrauen gegen das neue Verfahren war in Eng- land so tief gewurzelt, daſs es trotzdem nur ganz allmählich schwand. Das energische Eintreten des Obersten Eardley Wilmot für den
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[940/0956]
Henry Bessemer und seine Erfindung.
Um besseren Werkzeugstahl zu machen, goſs man den erblasenen
Stahl in Wasser und schmolz die Granalien in Tiegeln zu Guſsstahl um.
In England würde ein für den Bessemerprozeſs sehr geeignetes Roh-
eisen zu Workington (Cumberland) dargestellt, welches in letzterer
Zeit hauptsächlich verarbeitet worden sei. Auch die Werke zu Cleator-
Moor, zu Weardale und Forrest of Dean lieferten gute Roheisensorten.
Der Behälter sei jetzt eine Retorte, die in Achsen hänge. Dieselbe
bestehe aus einem Blechmantel, der innen mit Chausseestaub aus-
gefüttert sei. Ein solches Gefäſs halte 30 bis 40 Stahlchargen aus.
Die Retorte werde beim Beginn der Operation so gekippt, daſs die
Formen über dem Metallbade stünden. Dann lieſs man den Wind an
und richtete das Gefäſs auf. Der Sauerstoff der Luft oxydierte den
Kohlenstoff und das Silicium. In 10 bis 12 Minuten würde die höchste
Hitze erreicht. Die Entkohlung lasse sich mit groſser Genauigkeit
durch eine Gasuhr regulieren, welche auf einem Zifferblatt die Anzahl
der Kubikfuſs der eingeblasenen Luft zeige. Hierdurch könne man
Stahl von jeder Beschaffenheit und Härte mit der gröſsten Sicherheit
darstellen. Sobald das Metall nach der Uhr die gewünschte Entkohlung
erlangt habe, werde das Gefäſs gekippt und das Metall in eine Gieſs-
pfanne, welche am Boden durch einen Pfropf geschlossen war, aus-
gegossen.
Bessemer zeigte viele Proben, namentlich auch Stahlblech vor.
Für die schweren Schiffsbleche, welche bei der seitherigen Fabri-
kation sehr teuer waren, habe es sich besonders bewährt. Ebenso für
Kanonen. Bessemer goſs direkt Cylinder und erhielt so Kanonen-
rohre ohne Schweiſsnähte. Oberst Eardley Wilmot zu Woolwich
habe sich für diese Sache besonders interessiert. In Schweden habe
die Firma Daniel Elfstrand & Komp. das Patent erworben und
arbeite zu Edsken mit dem besten Erfolge. Ebenso hätten James
Jackson et fils das Bessemerverfahren jetzt in der Nähe von Bordeaux
eingeführt und wollten es auch in groſsem Maſsstabe bei den Hoch-
öfen im Departement des Landes verwenden. Sehr gute Resultate
habe man auch mit Roheisen aus Algier und aus dem Siegerland er-
zielt. In Belgien mache man zu Lüttich Stahl aus dortigem Koks-
roheisen. Es war dies Eisen von der Hütte Esperance, welches ein
Herr Margeston mit Erfolg verarbeitete.
Der Eindruck dieses zweiten Vortrages Bessemers war ein be-
deutender, aber das Miſstrauen gegen das neue Verfahren war in Eng-
land so tief gewurzelt, daſs es trotzdem nur ganz allmählich schwand.
Das energische Eintreten des Obersten Eardley Wilmot für den
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 940. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/956>, abgerufen am 22.11.2024.
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