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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

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Belgien 1851 bis 1860.
gebräuchlichen einfachen Weise, dass ein eiserner Cylinder (Tremie)
in der Gicht hing und die Gase durch seitliche gemauerte Öffnungen
abgeleitet wurden. Die neuesten Winderhitzungsapparate nach dem
Calder-System hatten ovale Röhren. Die flachen Hosenröhren waren
3,05 m hoch. Die Francoisschen Verkokungsöfen waren nur 1 m breit,
was damals für sehr schmal galt.

In dem Puddel- und Walzwerk waren die meisten Puddelöfen
mit Vorwärmherden versehen. Je zwei Öfen heizten einen Cylinder-
kessel, der dahinter unter dem Boden lag. Eine Luppenmühle und
eine Rohstrecke genügten für 24 Puddelöfen. Die grossartige Schmiede
von Seraing hatte einen Dampfhammer mit beweglichem Cylinder
(Condiehammer) von 10 Tonnen Fallgewicht und einen mit Dampf be-
triebenen Aufwerfhammer. Die Radfabrikation bildete eine besondere
Abteilung. Der Bau von Lokomotiven und Schiffsmaschinen war sehr
bedeutend und erfolgte in geräumigen Werkstätten.

Die grosse Eisenhütte von Ougree war terrassenförmig angelegt.
Durch einen Tunnel unter dem Erzplatz wurden die Erze von der
Maas zugeführt und auf den Möllerboden gehoben. Vier Hochöfen
standen in einer Reihe. Bei den Hochöfen hatte man längere Zeit
den Betrieb mit intermittierendem Wind geführt (vergl. S. 837). In
den dreierlei Koksöfen wurden nur durchgerätterte Kleinkohlen verkokt.
Die alten Frommontschen Öfen mit zwei Sohlen hatten nur Seiten-
erwärmung. Das zweite Koksofensystem war mit Sohl- und Seiten-
erwärmung und mit Dampfkesselheizung eingerichtet. Bei der dritten
Ofenart heizten die Gase der einzelnen Abteilungen ihre Nachbar-
abteilungen mittels durchlaufender Züge. Diese hatten das grösste
Ausbringen im Gewicht und in Prozenten. Für das Bandagenwalzwerk
wurden die Stäbe über einer konischen Walze zu einem cylindrischen
Paket gerollt und dieses dann geschmiedet.

Die Anlage zu Sclessin zählte 6 Hochöfen, wovon 4 im Betriebe
waren, von diesen machten 3 Puddelroheisen (fonte d'affinage),
1 Giessereiroheisen (fonte de moulage). Wie auf allen Masshütten
wurde ein Brauneisenerz (minerai Violet) mit Vorliebe verschmolzen.
Die Kokskohlen wurden hier mit hydraulischen Setzsieben gewaschen.
Die ausgedehnte Koksfabrik umfasste 5 Batterien von je 48 Francois-
öfen mit Sohlen- und Seitenerwärmung. Jede Batterie war mit 3 Essen
versehen, zwischen denen Cylinderkessel lagen. Die Gichtgase der
Hochöfen wurden abgeleitet, wie zu Seraing, und zur Winderhitzung
benutzt. Der Calderapparat hatte die Eigentümlichkeit, dass die Hosen-
röhren an Höhe abnahmen, so dass das erste am höchsten, das fünfte

Belgien 1851 bis 1860.
gebräuchlichen einfachen Weise, daſs ein eiserner Cylinder (Trémie)
in der Gicht hing und die Gase durch seitliche gemauerte Öffnungen
abgeleitet wurden. Die neuesten Winderhitzungsapparate nach dem
Calder-System hatten ovale Röhren. Die flachen Hosenröhren waren
3,05 m hoch. Die Françoisschen Verkokungsöfen waren nur 1 m breit,
was damals für sehr schmal galt.

In dem Puddel- und Walzwerk waren die meisten Puddelöfen
mit Vorwärmherden versehen. Je zwei Öfen heizten einen Cylinder-
kessel, der dahinter unter dem Boden lag. Eine Luppenmühle und
eine Rohstrecke genügten für 24 Puddelöfen. Die groſsartige Schmiede
von Seraing hatte einen Dampfhammer mit beweglichem Cylinder
(Condiehammer) von 10 Tonnen Fallgewicht und einen mit Dampf be-
triebenen Aufwerfhammer. Die Radfabrikation bildete eine besondere
Abteilung. Der Bau von Lokomotiven und Schiffsmaschinen war sehr
bedeutend und erfolgte in geräumigen Werkstätten.

Die groſse Eisenhütte von Ougrée war terrassenförmig angelegt.
Durch einen Tunnel unter dem Erzplatz wurden die Erze von der
Maas zugeführt und auf den Möllerboden gehoben. Vier Hochöfen
standen in einer Reihe. Bei den Hochöfen hatte man längere Zeit
den Betrieb mit intermittierendem Wind geführt (vergl. S. 837). In
den dreierlei Koksöfen wurden nur durchgerätterte Kleinkohlen verkokt.
Die alten Frommontschen Öfen mit zwei Sohlen hatten nur Seiten-
erwärmung. Das zweite Koksofensystem war mit Sohl- und Seiten-
erwärmung und mit Dampfkesselheizung eingerichtet. Bei der dritten
Ofenart heizten die Gase der einzelnen Abteilungen ihre Nachbar-
abteilungen mittels durchlaufender Züge. Diese hatten das gröſste
Ausbringen im Gewicht und in Prozenten. Für das Bandagenwalzwerk
wurden die Stäbe über einer konischen Walze zu einem cylindrischen
Paket gerollt und dieses dann geschmiedet.

Die Anlage zu Sclessin zählte 6 Hochöfen, wovon 4 im Betriebe
waren, von diesen machten 3 Puddelroheisen (fonte d’affinage),
1 Gieſsereiroheisen (fonte de moulage). Wie auf allen Maſshütten
wurde ein Brauneisenerz (minerai Violet) mit Vorliebe verschmolzen.
Die Kokskohlen wurden hier mit hydraulischen Setzsieben gewaschen.
Die ausgedehnte Koksfabrik umfaſste 5 Batterien von je 48 François-
öfen mit Sohlen- und Seitenerwärmung. Jede Batterie war mit 3 Essen
versehen, zwischen denen Cylinderkessel lagen. Die Gichtgase der
Hochöfen wurden abgeleitet, wie zu Seraing, und zur Winderhitzung
benutzt. Der Calderapparat hatte die Eigentümlichkeit, daſs die Hosen-
röhren an Höhe abnahmen, so daſs das erste am höchsten, das fünfte

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[976/0992] Belgien 1851 bis 1860. gebräuchlichen einfachen Weise, daſs ein eiserner Cylinder (Trémie) in der Gicht hing und die Gase durch seitliche gemauerte Öffnungen abgeleitet wurden. Die neuesten Winderhitzungsapparate nach dem Calder-System hatten ovale Röhren. Die flachen Hosenröhren waren 3,05 m hoch. Die Françoisschen Verkokungsöfen waren nur 1 m breit, was damals für sehr schmal galt. In dem Puddel- und Walzwerk waren die meisten Puddelöfen mit Vorwärmherden versehen. Je zwei Öfen heizten einen Cylinder- kessel, der dahinter unter dem Boden lag. Eine Luppenmühle und eine Rohstrecke genügten für 24 Puddelöfen. Die groſsartige Schmiede von Seraing hatte einen Dampfhammer mit beweglichem Cylinder (Condiehammer) von 10 Tonnen Fallgewicht und einen mit Dampf be- triebenen Aufwerfhammer. Die Radfabrikation bildete eine besondere Abteilung. Der Bau von Lokomotiven und Schiffsmaschinen war sehr bedeutend und erfolgte in geräumigen Werkstätten. Die groſse Eisenhütte von Ougrée war terrassenförmig angelegt. Durch einen Tunnel unter dem Erzplatz wurden die Erze von der Maas zugeführt und auf den Möllerboden gehoben. Vier Hochöfen standen in einer Reihe. Bei den Hochöfen hatte man längere Zeit den Betrieb mit intermittierendem Wind geführt (vergl. S. 837). In den dreierlei Koksöfen wurden nur durchgerätterte Kleinkohlen verkokt. Die alten Frommontschen Öfen mit zwei Sohlen hatten nur Seiten- erwärmung. Das zweite Koksofensystem war mit Sohl- und Seiten- erwärmung und mit Dampfkesselheizung eingerichtet. Bei der dritten Ofenart heizten die Gase der einzelnen Abteilungen ihre Nachbar- abteilungen mittels durchlaufender Züge. Diese hatten das gröſste Ausbringen im Gewicht und in Prozenten. Für das Bandagenwalzwerk wurden die Stäbe über einer konischen Walze zu einem cylindrischen Paket gerollt und dieses dann geschmiedet. Die Anlage zu Sclessin zählte 6 Hochöfen, wovon 4 im Betriebe waren, von diesen machten 3 Puddelroheisen (fonte d’affinage), 1 Gieſsereiroheisen (fonte de moulage). Wie auf allen Maſshütten wurde ein Brauneisenerz (minerai Violet) mit Vorliebe verschmolzen. Die Kokskohlen wurden hier mit hydraulischen Setzsieben gewaschen. Die ausgedehnte Koksfabrik umfaſste 5 Batterien von je 48 François- öfen mit Sohlen- und Seitenerwärmung. Jede Batterie war mit 3 Essen versehen, zwischen denen Cylinderkessel lagen. Die Gichtgase der Hochöfen wurden abgeleitet, wie zu Seraing, und zur Winderhitzung benutzt. Der Calderapparat hatte die Eigentümlichkeit, daſs die Hosen- röhren an Höhe abnahmen, so daſs das erste am höchsten, das fünfte

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 976. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/992>, abgerufen am 22.11.2024.