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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Deutschland (mit Luxemburg).
ab, dass sie durch Vervollkommnung aller ihrer Betriebe Eisen und
Stahlwaren von immer grösserer Güte und Vollkommenheit lieferte
und darin die Leistungen des Auslandes nicht nur erreichte, sondern
vielfach übertraf.

Im Jahre 1876 hatte Professor Reuleaux, der deutsche Reichs-
kommissar bei der ersten amerikanischen Welt-Industrieausstellung
zu Philadelphia, den deutschen Erzeugnissen das Zeugnis "billig
und schlecht" ausgestellt. Wenn dieses Urteil in seiner Allgemein-
heit auch übertrieben und ungerecht und der Reichskommissar wohl
allzu sehr durch die Stimmen neidischer Konkurrenten in den
amerikanischen Zeitungen beeinflusst war, so konnte doch damals
dieses harte Urteil auch in Deutschland noch ein Echo finden.
Zehn Jahre später wäre dies nicht mehr möglich gewesen. Durch
die wohlthätige Wirtschaftspolitik des Reiches wurde die deutsche
Industrie immer mehr exportfähig und dehnte ihren Welthandel
derart aus, dass dies die britische Industrie zu beunruhigen begann.
England glaubte der deutschen Konkurrenz einen gewaltigen Schlag
versetzen zu können, dass es das Parlament und die Regierung
zum Erlass eines Markengesetzes, wonach jede Ausfuhrware mit dem
Lande ihrer Herkunft bezeichnet werden musste, veranlasste. Die
Signatur "made in Germany" sollte nach englischer Ansicht das
Brandmal werden, das die deutsche Konkurrenz in England und den
englischen Kolonieen vernichten sollte. Der Erfolg war aber ein
entgegengesetzter. Der Stempel zeigte erst dem Auslande, wieviel
gute, unentbehrliche Artikel von Deutschland kamen und bald wurde
die Bezeichnung "made in Germany" ein Ehrenzeichen für die
deutsche Industrie, das nur dazu beitrug, ihren Absatz immer mehr
zu steigern.

Aber nicht nur die Ausfuhr stieg, sondern auch der Verbrauch
an Eisen im Inlande und zwar in überraschender Weise. Die Statistik
giebt hierfür den Zahlenbeweis. Deutschland besitzt für seine Eisen-
industrie eine gute und vielseitige Statistik, einmal von dem Kaiser-
lichen statistischen Amt, sodann von den Landesregierungen und
endlich von dem Verein deutscher Eisen- und Stahlindustrieller,
welche von Dr. H. Rentzsch in gediegener, gründlicher Weise be-
arbeitet ist. Nach den Angaben des letzteren ist der Verbrauch auf
den Kopf von 1871 bis 1899 von 47,5 auf 128,4 kg gestiegen, während
die Eisenerzeugung von 31,7 kg auf 150,8 kg sich erhöht hat.

In dem Vorhergehenden ist in knappen Strichen der äussere
Rahmen gezeichnet, in dem sich die deutsche Eisenindustrie der

Deutschland (mit Luxemburg).
ab, daſs sie durch Vervollkommnung aller ihrer Betriebe Eisen und
Stahlwaren von immer gröſserer Güte und Vollkommenheit lieferte
und darin die Leistungen des Auslandes nicht nur erreichte, sondern
vielfach übertraf.

Im Jahre 1876 hatte Professor Reuleaux, der deutsche Reichs-
kommissar bei der ersten amerikanischen Welt-Industrieausstellung
zu Philadelphia, den deutschen Erzeugnissen das Zeugnis „billig
und schlecht“ ausgestellt. Wenn dieses Urteil in seiner Allgemein-
heit auch übertrieben und ungerecht und der Reichskommissar wohl
allzu sehr durch die Stimmen neidischer Konkurrenten in den
amerikanischen Zeitungen beeinfluſst war, so konnte doch damals
dieses harte Urteil auch in Deutschland noch ein Echo finden.
Zehn Jahre später wäre dies nicht mehr möglich gewesen. Durch
die wohlthätige Wirtschaftspolitik des Reiches wurde die deutsche
Industrie immer mehr exportfähig und dehnte ihren Welthandel
derart aus, daſs dies die britische Industrie zu beunruhigen begann.
England glaubte der deutschen Konkurrenz einen gewaltigen Schlag
versetzen zu können, daſs es das Parlament und die Regierung
zum Erlaſs eines Markengesetzes, wonach jede Ausfuhrware mit dem
Lande ihrer Herkunft bezeichnet werden muſste, veranlaſste. Die
Signatur „made in Germany“ sollte nach englischer Ansicht das
Brandmal werden, das die deutsche Konkurrenz in England und den
englischen Kolonieen vernichten sollte. Der Erfolg war aber ein
entgegengesetzter. Der Stempel zeigte erst dem Auslande, wieviel
gute, unentbehrliche Artikel von Deutschland kamen und bald wurde
die Bezeichnung „made in Germany“ ein Ehrenzeichen für die
deutsche Industrie, das nur dazu beitrug, ihren Absatz immer mehr
zu steigern.

Aber nicht nur die Ausfuhr stieg, sondern auch der Verbrauch
an Eisen im Inlande und zwar in überraschender Weise. Die Statistik
giebt hierfür den Zahlenbeweis. Deutschland besitzt für seine Eisen-
industrie eine gute und vielseitige Statistik, einmal von dem Kaiser-
lichen statistischen Amt, sodann von den Landesregierungen und
endlich von dem Verein deutscher Eisen- und Stahlindustrieller,
welche von Dr. H. Rentzsch in gediegener, gründlicher Weise be-
arbeitet ist. Nach den Angaben des letzteren ist der Verbrauch auf
den Kopf von 1871 bis 1899 von 47,5 auf 128,4 kg gestiegen, während
die Eisenerzeugung von 31,7 kg auf 150,8 kg sich erhöht hat.

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[984/1000] Deutschland (mit Luxemburg). ab, daſs sie durch Vervollkommnung aller ihrer Betriebe Eisen und Stahlwaren von immer gröſserer Güte und Vollkommenheit lieferte und darin die Leistungen des Auslandes nicht nur erreichte, sondern vielfach übertraf. Im Jahre 1876 hatte Professor Reuleaux, der deutsche Reichs- kommissar bei der ersten amerikanischen Welt-Industrieausstellung zu Philadelphia, den deutschen Erzeugnissen das Zeugnis „billig und schlecht“ ausgestellt. Wenn dieses Urteil in seiner Allgemein- heit auch übertrieben und ungerecht und der Reichskommissar wohl allzu sehr durch die Stimmen neidischer Konkurrenten in den amerikanischen Zeitungen beeinfluſst war, so konnte doch damals dieses harte Urteil auch in Deutschland noch ein Echo finden. Zehn Jahre später wäre dies nicht mehr möglich gewesen. Durch die wohlthätige Wirtschaftspolitik des Reiches wurde die deutsche Industrie immer mehr exportfähig und dehnte ihren Welthandel derart aus, daſs dies die britische Industrie zu beunruhigen begann. England glaubte der deutschen Konkurrenz einen gewaltigen Schlag versetzen zu können, daſs es das Parlament und die Regierung zum Erlaſs eines Markengesetzes, wonach jede Ausfuhrware mit dem Lande ihrer Herkunft bezeichnet werden muſste, veranlaſste. Die Signatur „made in Germany“ sollte nach englischer Ansicht das Brandmal werden, das die deutsche Konkurrenz in England und den englischen Kolonieen vernichten sollte. Der Erfolg war aber ein entgegengesetzter. Der Stempel zeigte erst dem Auslande, wieviel gute, unentbehrliche Artikel von Deutschland kamen und bald wurde die Bezeichnung „made in Germany“ ein Ehrenzeichen für die deutsche Industrie, das nur dazu beitrug, ihren Absatz immer mehr zu steigern. Aber nicht nur die Ausfuhr stieg, sondern auch der Verbrauch an Eisen im Inlande und zwar in überraschender Weise. Die Statistik giebt hierfür den Zahlenbeweis. Deutschland besitzt für seine Eisen- industrie eine gute und vielseitige Statistik, einmal von dem Kaiser- lichen statistischen Amt, sodann von den Landesregierungen und endlich von dem Verein deutscher Eisen- und Stahlindustrieller, welche von Dr. H. Rentzsch in gediegener, gründlicher Weise be- arbeitet ist. Nach den Angaben des letzteren ist der Verbrauch auf den Kopf von 1871 bis 1899 von 47,5 auf 128,4 kg gestiegen, während die Eisenerzeugung von 31,7 kg auf 150,8 kg sich erhöht hat. In dem Vorhergehenden ist in knappen Strichen der äuſsere Rahmen gezeichnet, in dem sich die deutsche Eisenindustrie der

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 984. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/1000>, abgerufen am 22.11.2024.