Die Lage der russischen Eisenindustrie war im Jahre 1870 keine günstige. Dies veranlasste die Regierung, die berühmten Eisenhütten- leute P. Tunner von Leoben und A. Grill aus Schweden zu berufen, um in Gemeinschaft mit General Raschette die russischen Eisen- industriegebiete zu bereisen und Bericht zu erstatten. Tunners Ausführung stellte fest, dass die russische Eisenindustrie in den letzten Jahren wenig Fortschritte gemacht habe, und giebt als Ursachen an: den Mangel an Kommunikationsmitteln, die Trägheit der Arbeiter, die, durch die Aufhebung der Leibeigenschaft von dem früheren Zwang befreit, die neuerworbene Freiheit am liebsten im Nichtsthun geniessen wollten, sodann den Mangel an Brennstoff und schlechte Wirtschaft im Hütten- wie im Forstwesen. Die russische Eisenindustrie war zwar durch einen Einfuhrzoll von 5 Kopeken für das Pud Roheisen und von 35 Kopeken für verarbeitetes Eisen geschützt. Derselbe reichte aber um so weniger aus, die ausländische Konkurrenz abzuhalten, als er in dem sehr entwerteten Papierkurs bezahlt werden durfte. Die uralischen Hütten waren auf ihren alten Betriebseinrichtungen stehen geblieben. Die neuen Flusseisenprozesse waren nur in geringem Masse zur Einführung gelangt. In Finnland verschmolz man meist noch Seeerze in alter Weise.
In diesen Zuständen trat auch in den folgenden Jahren noch keine Besserung ein. Von grosser Bedeutung für die Zukunft war es aller- dings, dass 1871 ein Engländer Hughes ein Hüttenwerk in dem kaum erschlossenen Steinkohlengebiet Südrusslands am Dnjepr errichtete.
In den folgenden Jahren wurde vom Staat ein grosses Tiegel- gussstahlwerk in Motovilicha bei Perm an der Kama zur Herstellung von Kriegsmaterial erbaut. Hier wurden die ersten Stahlgeschütze in Russland gegossen.
Im Jahre 1877 ging die russische Regierung zu schärferen Mass- regeln zum Schutze der russischen Eisenindustrie über und zwar zunächst dadurch, dass sie die Zahlung der Zölle in Gold verlangte, was gegen den früheren Zustand einem Zollaufschlag von 30 Prozent gleichkam. In den darauf folgenden Jahren erfolgte ein rascher Auf- schwung der Flusseisenerzeugung, sowohl im Konverter wie im Flamm- ofen. Vom Jahre 1878 zum Jahre 1879 stieg die Flusseisenproduktion von 64283 Tonnen auf 210177 Tonnen. Im Jahre 1880 hatte das Flusseisen das Schweisseisen bereits überflügelt, allerdings nur für
Ruſsland.
Ruſsland.
Die Lage der russischen Eisenindustrie war im Jahre 1870 keine günstige. Dies veranlaſste die Regierung, die berühmten Eisenhütten- leute P. Tunner von Leoben und A. Grill aus Schweden zu berufen, um in Gemeinschaft mit General Raschette die russischen Eisen- industriegebiete zu bereisen und Bericht zu erstatten. Tunners Ausführung stellte fest, daſs die russische Eisenindustrie in den letzten Jahren wenig Fortschritte gemacht habe, und giebt als Ursachen an: den Mangel an Kommunikationsmitteln, die Trägheit der Arbeiter, die, durch die Aufhebung der Leibeigenschaft von dem früheren Zwang befreit, die neuerworbene Freiheit am liebsten im Nichtsthun genieſsen wollten, sodann den Mangel an Brennstoff und schlechte Wirtschaft im Hütten- wie im Forstwesen. Die russische Eisenindustrie war zwar durch einen Einfuhrzoll von 5 Kopeken für das Pud Roheisen und von 35 Kopeken für verarbeitetes Eisen geschützt. Derselbe reichte aber um so weniger aus, die ausländische Konkurrenz abzuhalten, als er in dem sehr entwerteten Papierkurs bezahlt werden durfte. Die uralischen Hütten waren auf ihren alten Betriebseinrichtungen stehen geblieben. Die neuen Fluſseisenprozesse waren nur in geringem Maſse zur Einführung gelangt. In Finnland verschmolz man meist noch Seeerze in alter Weise.
In diesen Zuständen trat auch in den folgenden Jahren noch keine Besserung ein. Von groſser Bedeutung für die Zukunft war es aller- dings, daſs 1871 ein Engländer Hughes ein Hüttenwerk in dem kaum erschlossenen Steinkohlengebiet Südruſslands am Dnjepr errichtete.
In den folgenden Jahren wurde vom Staat ein groſses Tiegel- guſsstahlwerk in Motovilicha bei Perm an der Kama zur Herstellung von Kriegsmaterial erbaut. Hier wurden die ersten Stahlgeschütze in Ruſsland gegossen.
Im Jahre 1877 ging die russische Regierung zu schärferen Maſs- regeln zum Schutze der russischen Eisenindustrie über und zwar zunächst dadurch, daſs sie die Zahlung der Zölle in Gold verlangte, was gegen den früheren Zustand einem Zollaufschlag von 30 Prozent gleichkam. In den darauf folgenden Jahren erfolgte ein rascher Auf- schwung der Fluſseisenerzeugung, sowohl im Konverter wie im Flamm- ofen. Vom Jahre 1878 zum Jahre 1879 stieg die Fluſseisenproduktion von 64283 Tonnen auf 210177 Tonnen. Im Jahre 1880 hatte das Fluſseisen das Schweiſseisen bereits überflügelt, allerdings nur für
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Ruſsland.
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Die Lage der russischen Eisenindustrie war im Jahre 1870 keine
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leute P. Tunner von Leoben und A. Grill aus Schweden zu berufen,
um in Gemeinschaft mit General Raschette die russischen Eisen-
industriegebiete zu bereisen und Bericht zu erstatten. Tunners
Ausführung stellte fest, daſs die russische Eisenindustrie in den
letzten Jahren wenig Fortschritte gemacht habe, und giebt als Ursachen
an: den Mangel an Kommunikationsmitteln, die Trägheit der Arbeiter,
die, durch die Aufhebung der Leibeigenschaft von dem früheren Zwang
befreit, die neuerworbene Freiheit am liebsten im Nichtsthun genieſsen
wollten, sodann den Mangel an Brennstoff und schlechte Wirtschaft
im Hütten- wie im Forstwesen. Die russische Eisenindustrie war zwar
durch einen Einfuhrzoll von 5 Kopeken für das Pud Roheisen und von
35 Kopeken für verarbeitetes Eisen geschützt. Derselbe reichte aber
um so weniger aus, die ausländische Konkurrenz abzuhalten, als er in
dem sehr entwerteten Papierkurs bezahlt werden durfte. Die
uralischen Hütten waren auf ihren alten Betriebseinrichtungen stehen
geblieben. Die neuen Fluſseisenprozesse waren nur in geringem Maſse
zur Einführung gelangt. In Finnland verschmolz man meist noch
Seeerze in alter Weise.
In diesen Zuständen trat auch in den folgenden Jahren noch keine
Besserung ein. Von groſser Bedeutung für die Zukunft war es aller-
dings, daſs 1871 ein Engländer Hughes ein Hüttenwerk in dem kaum
erschlossenen Steinkohlengebiet Südruſslands am Dnjepr errichtete.
In den folgenden Jahren wurde vom Staat ein groſses Tiegel-
guſsstahlwerk in Motovilicha bei Perm an der Kama zur Herstellung
von Kriegsmaterial erbaut. Hier wurden die ersten Stahlgeschütze
in Ruſsland gegossen.
Im Jahre 1877 ging die russische Regierung zu schärferen Maſs-
regeln zum Schutze der russischen Eisenindustrie über und zwar
zunächst dadurch, daſs sie die Zahlung der Zölle in Gold verlangte,
was gegen den früheren Zustand einem Zollaufschlag von 30 Prozent
gleichkam. In den darauf folgenden Jahren erfolgte ein rascher Auf-
schwung der Fluſseisenerzeugung, sowohl im Konverter wie im Flamm-
ofen. Vom Jahre 1878 zum Jahre 1879 stieg die Fluſseisenproduktion
von 64283 Tonnen auf 210177 Tonnen. Im Jahre 1880 hatte das
Fluſseisen das Schweiſseisen bereits überflügelt, allerdings nur für
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 1205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/1221>, abgerufen am 22.11.2024.
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