Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.Italien. Für diesen Betrieb entstanden grössere Werke am Comersee inValsassina, am Iseosee und im Trombia- und Sabbiathal, die den alten Frischhütten in den Thälern der Provinzen Bergamo und Brescia empfindliche Konkurrenz machten. Die Kosten 1) einer Tonne Eisen aus selbsterblasenem Roheisen stellten sich damals auf 540 Lire, während die Herstellung aus Alteisen 341,50 Lire kostete. Die natürliche Folge war, dass die Verarbeitung des Roheisens in Frischherden und Puddel- öfen zurückging und die Verarbeitung von Alteisen, das man aus der Lombardei, aus Toskana und dem Auslande bezog, zunahm. Es ent- stand sogar eine Überproduktion von diesem "verteigten" Eisen, be- sonders nach Gründung des grossen Eisenwerkes von Volarno am Eingange des Thales Sabbia bei Bergamo im Jahre 1871, und nachdem man nicht nur Alteisen, sondern auch fremde Luppen verarbeitete. Eine weitere Konkurrenz erwuchs dem lombardischen Frischeisen, das seiner Zähigkeit und Festigkeit wegen bis dahin an den Staatswerkstätten für Geschütze und Geschosse verwendet worden war, aus dem Fluss- stahl. Hierdurch wurden die grösseren lombardischen Industriellen gezwungen, ihren alten Betrieb zu verlassen und Siemens-Martinöfen oder Pernotöfen einzuführen und Flussstahl zu machen. Da sich hierfür die Verwendung von ausländischem Roheisen billiger stellte als von einheimischem, so erfuhr der lombardische Hochofenbetrieb hier- durch eine weitere Einschränkung. Der Aufschwung in den Jahren 1872 bis 1874 brachte nur vorübergehend hierin eine Änderung. 1873 stieg die Roheisenerzeugung auf 13000 Tonnen, die doppelte Menge wie zuvor. Da aber das Roheisen sehr teuer war, verarbeiteten die Raffinierwerke um so mehr Alteisen und fremden Schrot. Als dann nach 1874 die Eisenpreise rasch fielen, war der Rückschlag um so stärker und die Roheisenproduktion ging wieder zurück, so dass sie 1878 nur noch 8000 Tonnen betrug. Auf den Werken von Gregorini zu Castro und von Glisenti zu Carcino waren Siemens-Martinöfen eingeführt. Von den übrigen Eisenwerken Italiens ist aus jener Zeit wenig zu 1) Siehe Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1899, S. 382.
Italien. Für diesen Betrieb entstanden gröſsere Werke am Comersee inValsassina, am Iseosee und im Trombia- und Sabbiathal, die den alten Frischhütten in den Thälern der Provinzen Bergamo und Brescia empfindliche Konkurrenz machten. Die Kosten 1) einer Tonne Eisen aus selbsterblasenem Roheisen stellten sich damals auf 540 Lire, während die Herstellung aus Alteisen 341,50 Lire kostete. Die natürliche Folge war, daſs die Verarbeitung des Roheisens in Frischherden und Puddel- öfen zurückging und die Verarbeitung von Alteisen, das man aus der Lombardei, aus Toskana und dem Auslande bezog, zunahm. Es ent- stand sogar eine Überproduktion von diesem „verteigten“ Eisen, be- sonders nach Gründung des groſsen Eisenwerkes von Volarno am Eingange des Thales Sabbia bei Bergamo im Jahre 1871, und nachdem man nicht nur Alteisen, sondern auch fremde Luppen verarbeitete. Eine weitere Konkurrenz erwuchs dem lombardischen Frischeisen, das seiner Zähigkeit und Festigkeit wegen bis dahin an den Staatswerkstätten für Geschütze und Geschosse verwendet worden war, aus dem Fluſs- stahl. Hierdurch wurden die gröſseren lombardischen Industriellen gezwungen, ihren alten Betrieb zu verlassen und Siemens-Martinöfen oder Pernotöfen einzuführen und Fluſsstahl zu machen. Da sich hierfür die Verwendung von ausländischem Roheisen billiger stellte als von einheimischem, so erfuhr der lombardische Hochofenbetrieb hier- durch eine weitere Einschränkung. Der Aufschwung in den Jahren 1872 bis 1874 brachte nur vorübergehend hierin eine Änderung. 1873 stieg die Roheisenerzeugung auf 13000 Tonnen, die doppelte Menge wie zuvor. Da aber das Roheisen sehr teuer war, verarbeiteten die Raffinierwerke um so mehr Alteisen und fremden Schrot. Als dann nach 1874 die Eisenpreise rasch fielen, war der Rückschlag um so stärker und die Roheisenproduktion ging wieder zurück, so daſs sie 1878 nur noch 8000 Tonnen betrug. Auf den Werken von Gregorini zu Castro und von Glisenti zu Carcino waren Siemens-Martinöfen eingeführt. Von den übrigen Eisenwerken Italiens ist aus jener Zeit wenig zu 1) Siehe Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1899, S. 382.
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Italien.
Für diesen Betrieb entstanden gröſsere Werke am Comersee in
Valsassina, am Iseosee und im Trombia- und Sabbiathal, die den alten
Frischhütten in den Thälern der Provinzen Bergamo und Brescia
empfindliche Konkurrenz machten. Die Kosten 1) einer Tonne Eisen aus
selbsterblasenem Roheisen stellten sich damals auf 540 Lire, während
die Herstellung aus Alteisen 341,50 Lire kostete. Die natürliche Folge
war, daſs die Verarbeitung des Roheisens in Frischherden und Puddel-
öfen zurückging und die Verarbeitung von Alteisen, das man aus der
Lombardei, aus Toskana und dem Auslande bezog, zunahm. Es ent-
stand sogar eine Überproduktion von diesem „verteigten“ Eisen, be-
sonders nach Gründung des groſsen Eisenwerkes von Volarno am
Eingange des Thales Sabbia bei Bergamo im Jahre 1871, und nachdem
man nicht nur Alteisen, sondern auch fremde Luppen verarbeitete. Eine
weitere Konkurrenz erwuchs dem lombardischen Frischeisen, das seiner
Zähigkeit und Festigkeit wegen bis dahin an den Staatswerkstätten
für Geschütze und Geschosse verwendet worden war, aus dem Fluſs-
stahl. Hierdurch wurden die gröſseren lombardischen Industriellen
gezwungen, ihren alten Betrieb zu verlassen und Siemens-Martinöfen
oder Pernotöfen einzuführen und Fluſsstahl zu machen. Da sich hierfür
die Verwendung von ausländischem Roheisen billiger stellte als von
einheimischem, so erfuhr der lombardische Hochofenbetrieb hier-
durch eine weitere Einschränkung. Der Aufschwung in den Jahren
1872 bis 1874 brachte nur vorübergehend hierin eine Änderung.
1873 stieg die Roheisenerzeugung auf 13000 Tonnen, die doppelte
Menge wie zuvor. Da aber das Roheisen sehr teuer war, verarbeiteten
die Raffinierwerke um so mehr Alteisen und fremden Schrot. Als dann
nach 1874 die Eisenpreise rasch fielen, war der Rückschlag um so stärker
und die Roheisenproduktion ging wieder zurück, so daſs sie 1878 nur
noch 8000 Tonnen betrug. Auf den Werken von Gregorini zu Castro
und von Glisenti zu Carcino waren Siemens-Martinöfen eingeführt.
Von den übrigen Eisenwerken Italiens ist aus jener Zeit wenig zu
berichten. Die von Piombino hatten schon 1866 und 1868 Bessemer-
stahl aus elbanischem Roheisen erzeugt. 1876 verarbeitete S. Bozzo
Roheisen im Pernotofen zu gutem Walzdraht. Gigli und Ponsard
schmolzen 1878 auf ihren Hütten zu Ponte Rifrudi bei Florenz Ferro-
mangan, das sie auf der Weltausstellung in Paris vorführten. 1878
wurden in Mittelitalien drei neue Eisenwerke für Wasserkraft-
betrieb erbaut: Terni an der Newa, 193 km von Civita Vecchia,
1) Siehe Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1899, S. 382.
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