Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
von Stabeisen 18 bis 22 Prozent, also weniger als im Frisch- und Schweissherd betrage; 5. dass in 5 bis 10 Minuten 15 bis 20 Centner flüssiges Roheisen ohne irgend welches Brennmaterial als das zum Anwärmen des Ofens und der Gusspfannen erforderliche in Stahl ver- wandelt werde. Die Windpressung betrage 1/2 bis 11/2 Atmosphären Überdruck, die Windmenge 800 bis 1200 Kubikfuss; bis jetzt sei nur kalter Wind mit Erfolg verwendet worden.
Nicht minder grossen Eindruck machte es, dass bedeutende Eisen- industrielle wie namentlich John Brown in Sheffield und W. Jackson zu St. Seurin sur l'Isle schon 1860 grosse Anlagen für die Bessemer- stahlfabrikation errichteten.
1861 wurde sogar bereits in Ostindien von der Beypore-Eisen- Gesellschaft zu Madras nach dem schwedischen Verfahren Bessemer- stahl dargestellt und 1862 in der Weltausstellung zu London vor- geführt.
Im Jahre 1861 begann auch Alfred Krupp in Essen, der sich mit Bessemer, dem unbegreiflicherweise ein Patent für Preussen
[Abbildung]
Fig. 87.
verweigert worden war, verständigt hatte, in aller Stille ein für damalige Verhältnisse grosses Bessemerwerk mit vier Konvertern zu 21/2 Tonnen zu erbauen, in dem am 16. Mai 1862 die erste Charge erblasen wurde. 1)
Sowohl Bessemer als die schwedischen Ingenieure waren eifrig bemüht, ihre Methoden zu vervollkommnen. Ersterer hat in seinem wichtigen Patent vom 1. März 1860 den Konverter (die Birne) bereits in der Form beschrieben, wie er später allgemeine Ver- breitung fand und sich bis heute erhalten hat. Die Gefässe sind birnförmig mit schief- stehendem Mundstück (Fig. 87), von Eisen oder Stahlplatten, im Innern mit "Ganister" ausgekleidet. Der Windkasten (twyer box) aus Eisen oder Stahl ist an dem Boden so befestigt, dass er abgenommen werden kann. Sieben besondere Formen (Ferne oder Feren), jede mit fünf Windöffnungen, sind im Boden des Gefässes eingelassen und mit Ganistermasse unter sich und mit den Wänden verbunden. Die Herstellung dieser Ferne wird eingehend beschrieben. Die Art der Aufhängung des Gefässes und der Windzuführung wird
1) D. Bädeker, Alfred Krupp, 1889, S. 56.
Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
von Stabeisen 18 bis 22 Prozent, also weniger als im Frisch- und Schweiſsherd betrage; 5. daſs in 5 bis 10 Minuten 15 bis 20 Centner flüssiges Roheisen ohne irgend welches Brennmaterial als das zum Anwärmen des Ofens und der Guſspfannen erforderliche in Stahl ver- wandelt werde. Die Windpressung betrage ½ bis 1½ Atmosphären Überdruck, die Windmenge 800 bis 1200 Kubikfuſs; bis jetzt sei nur kalter Wind mit Erfolg verwendet worden.
Nicht minder groſsen Eindruck machte es, daſs bedeutende Eisen- industrielle wie namentlich John Brown in Sheffield und W. Jackson zu St. Seurin sur l’Isle schon 1860 groſse Anlagen für die Bessemer- stahlfabrikation errichteten.
1861 wurde sogar bereits in Ostindien von der Beypore-Eisen- Gesellschaft zu Madras nach dem schwedischen Verfahren Bessemer- stahl dargestellt und 1862 in der Weltausstellung zu London vor- geführt.
Im Jahre 1861 begann auch Alfred Krupp in Essen, der sich mit Bessemer, dem unbegreiflicherweise ein Patent für Preuſsen
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Fig. 87.
verweigert worden war, verständigt hatte, in aller Stille ein für damalige Verhältnisse groſses Bessemerwerk mit vier Konvertern zu 2½ Tonnen zu erbauen, in dem am 16. Mai 1862 die erste Charge erblasen wurde. 1)
Sowohl Bessemer als die schwedischen Ingenieure waren eifrig bemüht, ihre Methoden zu vervollkommnen. Ersterer hat in seinem wichtigen Patent vom 1. März 1860 den Konverter (die Birne) bereits in der Form beschrieben, wie er später allgemeine Ver- breitung fand und sich bis heute erhalten hat. Die Gefäſse sind birnförmig mit schief- stehendem Mundstück (Fig. 87), von Eisen oder Stahlplatten, im Innern mit „Ganister“ ausgekleidet. Der Windkasten (twyer box) aus Eisen oder Stahl ist an dem Boden so befestigt, daſs er abgenommen werden kann. Sieben besondere Formen (Ferne oder Feren), jede mit fünf Windöffnungen, sind im Boden des Gefäſses eingelassen und mit Ganistermasse unter sich und mit den Wänden verbunden. Die Herstellung dieser Ferne wird eingehend beschrieben. Die Art der Aufhängung des Gefäſses und der Windzuführung wird
1) D. Bädeker, Alfred Krupp, 1889, S. 56.
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Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
von Stabeisen 18 bis 22 Prozent, also weniger als im Frisch- und
Schweiſsherd betrage; 5. daſs in 5 bis 10 Minuten 15 bis 20 Centner
flüssiges Roheisen ohne irgend welches Brennmaterial als das zum
Anwärmen des Ofens und der Guſspfannen erforderliche in Stahl ver-
wandelt werde. Die Windpressung betrage ½ bis 1½ Atmosphären
Überdruck, die Windmenge 800 bis 1200 Kubikfuſs; bis jetzt sei nur
kalter Wind mit Erfolg verwendet worden.
Nicht minder groſsen Eindruck machte es, daſs bedeutende Eisen-
industrielle wie namentlich John Brown in Sheffield und W. Jackson
zu St. Seurin sur l’Isle schon 1860 groſse Anlagen für die Bessemer-
stahlfabrikation errichteten.
1861 wurde sogar bereits in Ostindien von der Beypore-Eisen-
Gesellschaft zu Madras nach dem schwedischen Verfahren Bessemer-
stahl dargestellt und 1862 in der Weltausstellung zu London vor-
geführt.
Im Jahre 1861 begann auch Alfred Krupp in Essen, der sich
mit Bessemer, dem unbegreiflicherweise ein Patent für Preuſsen
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verweigert worden war, verständigt hatte, in
aller Stille ein für damalige Verhältnisse
groſses Bessemerwerk mit vier Konvertern zu
2½ Tonnen zu erbauen, in dem am 16. Mai
1862 die erste Charge erblasen wurde. 1)
Sowohl Bessemer als die schwedischen
Ingenieure waren eifrig bemüht, ihre Methoden
zu vervollkommnen. Ersterer hat in seinem
wichtigen Patent vom 1. März 1860 den
Konverter (die Birne) bereits in der Form
beschrieben, wie er später allgemeine Ver-
breitung fand und sich bis heute erhalten
hat. Die Gefäſse sind birnförmig mit schief-
stehendem Mundstück (Fig. 87), von Eisen oder
Stahlplatten, im Innern mit „Ganister“ ausgekleidet. Der Windkasten
(twyer box) aus Eisen oder Stahl ist an dem Boden so befestigt,
daſs er abgenommen werden kann. Sieben besondere Formen (Ferne
oder Feren), jede mit fünf Windöffnungen, sind im Boden des Gefäſses
eingelassen und mit Ganistermasse unter sich und mit den Wänden
verbunden. Die Herstellung dieser Ferne wird eingehend beschrieben.
Die Art der Aufhängung des Gefäſses und der Windzuführung wird
1) D. Bädeker, Alfred Krupp, 1889, S. 56.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/140>, abgerufen am 24.11.2024.
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