Bequemlichkeit pflegt man das Verfahren kurzweg den Martinprozess oder das Martinieren zu nennen.
Am 8. April 1864 war es den Gebrüdern Martin auf ihrem Werk zu Sireuil gelungen, mit ihrem Ofen Stahl zu erzeugen, und am 10. April liessen sie sich das Verfahren für Frankreich patentieren.
Das erste englische Patent, welches R. A. Brooman für sie nahm, ist vom 15. August 1864. Es lautet: "Die direkte Darstellung des Stahls wird in einem Flammofen, vorzugsweise in einem Siemens-Gas- ofen bewirkt, indem Gusseisen eingeschmolzen wird, um ein Bad zu bilden, in dem kalte oder vorgewärmte Stücke von Schmiedeeisen, Rohstahl, Eisen- oder Stahldrehspäne, Abfälle oder vorzugsweise gepuddelte und in Stücke zerschnittene Luppen aufgelöst werden, bis ein Stahlbad erlangt ist. Es wird alsdann nur ein Teil dieses Bades abgestochen und eine weitere Menge von Schmiedeeisen, Stahl oder wenn nötig von Gusseisen nachgesetzt, um das abgestochene Metall zu ersetzen, worauf von neuem ein Teil des gebildeten Stahls abgestochen und in derselben Weise fortgefahren wird. Die Temperatur des Bades muss auf 1500° bis 1800° C. gesteigert werden; auch ist es nötig, die schwarze, mit Eisenoxyd überladene Schlacke abzustechen und sie durch reine, oxydfreie Schlacke zu ersetzen. Wendet man hierfür einen geeigneten Fluss an, wie besonders Schlacke von Holzkohlen- hochöfen, so erleichtert dies die Steigerung der Temperatur, während gleichzeitig durch Auflösung der Oxyde in der Schlacke die Masse gereinigt und verbessert wird.
Man kann auch oxydische Schlacke, Oxyde oder Silikate von Eisen, Mangan oder Blei, oder oxydierende Salze auf Gusseisen in einem Puddel- oder anderen Ofen wirken lassen. Wenn das Eisen teigig wird, sticht man die Schlacke ab und ersetzt sie durch Flüsse, wie Hochofenschlacke, Glasmasse, Soda, Pottasche, Kalk und der- gleichen. Diese Glasflüsse haben die Eigenschaft, die Oxydation zu unterbrechen und eine bestimmte Qualität Gussstahl zu sichern.
Man kann auch hämmer- und schmiedbares Eisen in Kupol- und ähnlichen Öfen in ähnlicher Weise bereiten, indem man Puddelluppen oder sonstiges weiches Eisen oder Stahl mit oder ohne Gusseisen schmilzt unter Zusatz eines Flusses, bis die Schlacke hell wird. Auf diese Art kann man Produkte von verschiedener Schmiedbarkeit erhalten. Mangan, Chloride, Fluoride, Nitrate und verschiedene Metalle können dem Roheisenbad zugesetzt werden. Kohlenhaltige Substanzen oder andere Reduktionsmittel können der Schlacke zur Entfernung der Oxyde zugefügt werden."
Flammofenstahlschmelzen.
Bequemlichkeit pflegt man das Verfahren kurzweg den Martinprozeſs oder das Martinieren zu nennen.
Am 8. April 1864 war es den Gebrüdern Martin auf ihrem Werk zu Sireuil gelungen, mit ihrem Ofen Stahl zu erzeugen, und am 10. April lieſsen sie sich das Verfahren für Frankreich patentieren.
Das erste englische Patent, welches R. A. Brooman für sie nahm, ist vom 15. August 1864. Es lautet: „Die direkte Darstellung des Stahls wird in einem Flammofen, vorzugsweise in einem Siemens-Gas- ofen bewirkt, indem Guſseisen eingeschmolzen wird, um ein Bad zu bilden, in dem kalte oder vorgewärmte Stücke von Schmiedeeisen, Rohstahl, Eisen- oder Stahldrehspäne, Abfälle oder vorzugsweise gepuddelte und in Stücke zerschnittene Luppen aufgelöst werden, bis ein Stahlbad erlangt ist. Es wird alsdann nur ein Teil dieses Bades abgestochen und eine weitere Menge von Schmiedeeisen, Stahl oder wenn nötig von Guſseisen nachgesetzt, um das abgestochene Metall zu ersetzen, worauf von neuem ein Teil des gebildeten Stahls abgestochen und in derselben Weise fortgefahren wird. Die Temperatur des Bades muſs auf 1500° bis 1800° C. gesteigert werden; auch ist es nötig, die schwarze, mit Eisenoxyd überladene Schlacke abzustechen und sie durch reine, oxydfreie Schlacke zu ersetzen. Wendet man hierfür einen geeigneten Fluſs an, wie besonders Schlacke von Holzkohlen- hochöfen, so erleichtert dies die Steigerung der Temperatur, während gleichzeitig durch Auflösung der Oxyde in der Schlacke die Masse gereinigt und verbessert wird.
Man kann auch oxydische Schlacke, Oxyde oder Silikate von Eisen, Mangan oder Blei, oder oxydierende Salze auf Guſseisen in einem Puddel- oder anderen Ofen wirken lassen. Wenn das Eisen teigig wird, sticht man die Schlacke ab und ersetzt sie durch Flüsse, wie Hochofenschlacke, Glasmasse, Soda, Pottasche, Kalk und der- gleichen. Diese Glasflüsse haben die Eigenschaft, die Oxydation zu unterbrechen und eine bestimmte Qualität Guſsstahl zu sichern.
Man kann auch hämmer- und schmiedbares Eisen in Kupol- und ähnlichen Öfen in ähnlicher Weise bereiten, indem man Puddelluppen oder sonstiges weiches Eisen oder Stahl mit oder ohne Guſseisen schmilzt unter Zusatz eines Flusses, bis die Schlacke hell wird. Auf diese Art kann man Produkte von verschiedener Schmiedbarkeit erhalten. Mangan, Chloride, Fluoride, Nitrate und verschiedene Metalle können dem Roheisenbad zugesetzt werden. Kohlenhaltige Substanzen oder andere Reduktionsmittel können der Schlacke zur Entfernung der Oxyde zugefügt werden.“
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Flammofenstahlschmelzen.
Bequemlichkeit pflegt man das Verfahren kurzweg den Martinprozeſs
oder das Martinieren zu nennen.
Am 8. April 1864 war es den Gebrüdern Martin auf ihrem Werk
zu Sireuil gelungen, mit ihrem Ofen Stahl zu erzeugen, und am
10. April lieſsen sie sich das Verfahren für Frankreich patentieren.
Das erste englische Patent, welches R. A. Brooman für sie nahm,
ist vom 15. August 1864. Es lautet: „Die direkte Darstellung des
Stahls wird in einem Flammofen, vorzugsweise in einem Siemens-Gas-
ofen bewirkt, indem Guſseisen eingeschmolzen wird, um ein Bad zu
bilden, in dem kalte oder vorgewärmte Stücke von Schmiedeeisen,
Rohstahl, Eisen- oder Stahldrehspäne, Abfälle oder vorzugsweise
gepuddelte und in Stücke zerschnittene Luppen aufgelöst werden, bis
ein Stahlbad erlangt ist. Es wird alsdann nur ein Teil dieses Bades
abgestochen und eine weitere Menge von Schmiedeeisen, Stahl oder
wenn nötig von Guſseisen nachgesetzt, um das abgestochene Metall zu
ersetzen, worauf von neuem ein Teil des gebildeten Stahls abgestochen
und in derselben Weise fortgefahren wird. Die Temperatur des Bades
muſs auf 1500° bis 1800° C. gesteigert werden; auch ist es nötig, die
schwarze, mit Eisenoxyd überladene Schlacke abzustechen und sie
durch reine, oxydfreie Schlacke zu ersetzen. Wendet man hierfür
einen geeigneten Fluſs an, wie besonders Schlacke von Holzkohlen-
hochöfen, so erleichtert dies die Steigerung der Temperatur, während
gleichzeitig durch Auflösung der Oxyde in der Schlacke die Masse
gereinigt und verbessert wird.
Man kann auch oxydische Schlacke, Oxyde oder Silikate von
Eisen, Mangan oder Blei, oder oxydierende Salze auf Guſseisen in
einem Puddel- oder anderen Ofen wirken lassen. Wenn das Eisen
teigig wird, sticht man die Schlacke ab und ersetzt sie durch Flüsse,
wie Hochofenschlacke, Glasmasse, Soda, Pottasche, Kalk und der-
gleichen. Diese Glasflüsse haben die Eigenschaft, die Oxydation zu
unterbrechen und eine bestimmte Qualität Guſsstahl zu sichern.
Man kann auch hämmer- und schmiedbares Eisen in Kupol- und
ähnlichen Öfen in ähnlicher Weise bereiten, indem man Puddelluppen
oder sonstiges weiches Eisen oder Stahl mit oder ohne Guſseisen
schmilzt unter Zusatz eines Flusses, bis die Schlacke hell wird. Auf
diese Art kann man Produkte von verschiedener Schmiedbarkeit
erhalten. Mangan, Chloride, Fluoride, Nitrate und verschiedene
Metalle können dem Roheisenbad zugesetzt werden. Kohlenhaltige
Substanzen oder andere Reduktionsmittel können der Schlacke zur
Entfernung der Oxyde zugefügt werden.“
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/190>, abgerufen am 25.11.2024.
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