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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870.

Die grössten Leistungen in dieser Richtung wurden aber bei der
Schienenfabrikation erzielt. Das Fertigwalzen einer Schiene
erforderte in Dowlais 1865 nicht mehr als 5/4 bis 11/2 Minuten an
Zeit. Man machte 300 Schienen in der Schicht aus 8 bis 10 Schweiss-

[Abbildung] Fig. 111.
öfen (Ulrich). Man verwendete zum Ver-
walzen der Pakete von Schienen und grobem
Faconeisen ebenfalls Umkehrwalzen. In
Dowlais waren ferner zur Beschleunigung
vier Schienenwalzen in zwei Doppelständen,
Fig. 111, 112, gelagert.

Die Herstellung der Eisenbahnschienen
aus Bessemerstahl, welche John Brown in Sheffield und Ramsbottom
in Crewe im Jahre 1861 begonnen hatten, nahm von Jahr zu Jahr zu.
Die Schienen aus Bessemerstahl erwiesen sich nicht nur den Schienen
aus Puddeleisen, sondern auch den Schienen mit angeschweisstem Stahl-

[Abbildung] Fig. 112.
kopf oder mit cementiertem Kopf
weit überlegen. Ausschlaggebend
für ihre allgemeine Verwendung
waren die berühmten Versuche
von Ramsbottom, welcher
Bessemerschienen in dem ausser-
ordentlich stark befahrenen Bahn-
hof in Crewe einlegte. Während
man dort alle vier Monate eine
Schiene auswechseln musste, weil
die beiden Laufflächen der
Doppelkopfschiene abgelaufen
waren, hielt die Bessemerschiene
31/2 Jahre, und wurde nur wegen
Umbau des Bahnhofs abgelegt.
Zu Chalk-Farm bei London, wo
man eine Bessemerschiene in das
befahrenste Geleise neben einer Eisenschiene eingelegt hatte, hielt
dieselbe 23 Laufflächen von letzteren aus. Bis Ende 1861 verlegten
bereits sieben englische Eisenbahngesellschaften Bessemerschienen.

Anfangs stellte man für jede Schiene einen Ingot dar. Bald aber
goss man die Stahlblöcke so gross, dass man zwei oder selbst vier
Schienen aus einem Block walzen konnte. Dies geschah in Österreich
und auf mehreren englischen Hütten direkt ohne Vorschmieden,
während man in Deutschland und Frankreich die Blöcke erst schmiedete

Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870.

Die gröſsten Leistungen in dieser Richtung wurden aber bei der
Schienenfabrikation erzielt. Das Fertigwalzen einer Schiene
erforderte in Dowlais 1865 nicht mehr als 5/4 bis 1½ Minuten an
Zeit. Man machte 300 Schienen in der Schicht aus 8 bis 10 Schweiſs-

[Abbildung] Fig. 111.
öfen (Ulrich). Man verwendete zum Ver-
walzen der Pakete von Schienen und grobem
Façoneisen ebenfalls Umkehrwalzen. In
Dowlais waren ferner zur Beschleunigung
vier Schienenwalzen in zwei Doppelständen,
Fig. 111, 112, gelagert.

Die Herstellung der Eisenbahnschienen
aus Bessemerstahl, welche John Brown in Sheffield und Ramsbottom
in Crewe im Jahre 1861 begonnen hatten, nahm von Jahr zu Jahr zu.
Die Schienen aus Bessemerstahl erwiesen sich nicht nur den Schienen
aus Puddeleisen, sondern auch den Schienen mit angeschweiſstem Stahl-

[Abbildung] Fig. 112.
kopf oder mit cementiertem Kopf
weit überlegen. Ausschlaggebend
für ihre allgemeine Verwendung
waren die berühmten Versuche
von Ramsbottom, welcher
Bessemerschienen in dem auſser-
ordentlich stark befahrenen Bahn-
hof in Crewe einlegte. Während
man dort alle vier Monate eine
Schiene auswechseln muſste, weil
die beiden Laufflächen der
Doppelkopfschiene abgelaufen
waren, hielt die Bessemerschiene
3½ Jahre, und wurde nur wegen
Umbau des Bahnhofs abgelegt.
Zu Chalk-Farm bei London, wo
man eine Bessemerschiene in das
befahrenste Geleise neben einer Eisenschiene eingelegt hatte, hielt
dieselbe 23 Laufflächen von letzteren aus. Bis Ende 1861 verlegten
bereits sieben englische Eisenbahngesellschaften Bessemerschienen.

Anfangs stellte man für jede Schiene einen Ingot dar. Bald aber
goſs man die Stahlblöcke so groſs, daſs man zwei oder selbst vier
Schienen aus einem Block walzen konnte. Dies geschah in Österreich
und auf mehreren englischen Hütten direkt ohne Vorschmieden,
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[208/0224] Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870. Die gröſsten Leistungen in dieser Richtung wurden aber bei der Schienenfabrikation erzielt. Das Fertigwalzen einer Schiene erforderte in Dowlais 1865 nicht mehr als 5/4 bis 1½ Minuten an Zeit. Man machte 300 Schienen in der Schicht aus 8 bis 10 Schweiſs- [Abbildung Fig. 111.] öfen (Ulrich). Man verwendete zum Ver- walzen der Pakete von Schienen und grobem Façoneisen ebenfalls Umkehrwalzen. In Dowlais waren ferner zur Beschleunigung vier Schienenwalzen in zwei Doppelständen, Fig. 111, 112, gelagert. Die Herstellung der Eisenbahnschienen aus Bessemerstahl, welche John Brown in Sheffield und Ramsbottom in Crewe im Jahre 1861 begonnen hatten, nahm von Jahr zu Jahr zu. Die Schienen aus Bessemerstahl erwiesen sich nicht nur den Schienen aus Puddeleisen, sondern auch den Schienen mit angeschweiſstem Stahl- [Abbildung Fig. 112.] kopf oder mit cementiertem Kopf weit überlegen. Ausschlaggebend für ihre allgemeine Verwendung waren die berühmten Versuche von Ramsbottom, welcher Bessemerschienen in dem auſser- ordentlich stark befahrenen Bahn- hof in Crewe einlegte. Während man dort alle vier Monate eine Schiene auswechseln muſste, weil die beiden Laufflächen der Doppelkopfschiene abgelaufen waren, hielt die Bessemerschiene 3½ Jahre, und wurde nur wegen Umbau des Bahnhofs abgelegt. Zu Chalk-Farm bei London, wo man eine Bessemerschiene in das befahrenste Geleise neben einer Eisenschiene eingelegt hatte, hielt dieselbe 23 Laufflächen von letzteren aus. Bis Ende 1861 verlegten bereits sieben englische Eisenbahngesellschaften Bessemerschienen. Anfangs stellte man für jede Schiene einen Ingot dar. Bald aber goſs man die Stahlblöcke so groſs, daſs man zwei oder selbst vier Schienen aus einem Block walzen konnte. Dies geschah in Österreich und auf mehreren englischen Hütten direkt ohne Vorschmieden, während man in Deutschland und Frankreich die Blöcke erst schmiedete

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/224>, abgerufen am 21.11.2024.